Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

Ich fordere Sie auf: Behindern Sie nicht weiter diese Chance der Ressourceneffizienz – ökologisch und ökonomisch. We niger Staat ist auch beim Recycling mehr.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD)

Für die Regierung erteile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Er erklärt uns jetzt die Welt!)

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen Abgeordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten in der letzten Woche in Karlsruhe – dies wurde ein gangs bereits erwähnt – den 5. Ressourceneffizienz- und Kreislaufwirtschaftskongress, diesmal wieder mit 700 bis 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – der größte Teil davon üb rigens aus der Wirtschaft und ein großer Teil auch aus Wis senschaft und Forschung. Es ist nicht übertrieben, wenn wir sagen, dass wir damit mittlerweile hier in Baden-Württem berg bundesweit die größte Veranstaltung haben, die sich mit dem Thema Ressourceneffizienz im Bereich der Industrie und im Bereich des Gewerbes auseinandersetzt. Man kann auch sagen: Wir haben heute in Baden-Württemberg bei diesem Thema – ich erläutere später noch, warum – wirklich eine Führungsrolle übernommen.

Warum ist Ressourceneffizienz von solch herausragender Be deutung? Ich will versuchen, es an einigen Zahlen festzuma chen. Im 20. Jahrhundert hat der Ressourceneinsatz eine bis dahin nie dagewesene Dimension erreicht, die so eigentlich auch nicht denkbar war. Seit der Jahrhundertwende – sprich seit 1900 – ist die weltweite Gewinnung von Ressourcen um den Faktor 12 gestiegen, bei Metallerzen sogar um den Fak tor 40. Diese Entwicklung ist deshalb so dramatisch, weil un ser Wirtschaftssystem noch immer linear entlang der Wert schöpfungskette aufgebaut ist: von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und den Konsum bis schließlich zur Ent sorgung.

Natürlich gab es in den letzten Jahren und Jahrzehnten – Gott sei Dank, muss man sagen – erhebliche Fortschritte im Recy cling und auch in der Kreislaufwirtschaft. Während Recyc ling beispielsweise für Stoffe wie Edelmetalle, Eisen und Kup fer gut funktioniert und wir dort mittlerweile hervorragende Quoten im Bereich des Recyclings haben, ist es so, dass bei anderen, immer wichtiger werdenden Rohstoffen das Thema Recycling zunehmend schwieriger wird.

Lassen Sie mich einige Materialien nennen, die wir heute zu nehmend verwenden, allerdings in kleinen Mengen: Indium, Tantal oder Neodym. Wenn Sie diese betrachten, sehen Sie: Diese kommen oft nur in geringsten Mengen in den Produk ten vor, die wir zunehmend verwenden. Denken Sie an Han dys oder Computer, aber auch andere elektronische Bauteile. Bislang wird der Großteil dieser Produkte nicht oder kaum re cycelt.

Weniger entscheidend bei der Frage des Rohstoffverbrauchs ist die Frage der absoluten Menge in Tonnen. Entscheidend ist vielmehr, um welchen Rohstoff es sich letztlich handelt.

Es macht eben sehr wohl einen großen Unterschied, ob man 1 t Kies, 1 t Stahl oder 1 t Indium betrachtet. Lassen Sie mich versuchen, dies an einem anderen Beispiel zu erläutern.

Wenn Sie heute nach Gold schürfen, benötigen Sie 1 t Gold erz, um 5 g Gold zu gewinnen. Wenn Sie 1 t Althandys neh men, könnten Sie daraus eigentlich 200 g Gold gewinnen. Al le Welt schürft aber nach den 5 g und nicht nach den 200 g.

Dies ist nur ein Beispiel für viele Stoffe, die sich in unseren Handys und in anderen elektronischen Bauteilen befinden, weil wir es bisher nicht vermögen und weil es sich oftmals auch nicht rechnet, diese Rohstoffe aus diesen elektronischen Bauteilen wiederzugewinnen.

Eine große Aufgabe der nächsten Jahre wird es sein, in Indus trieländern wie Deutschland und insbesondere in Hochtech nologieregionen wie Baden-Württemberg dieses Thema an zugehen. Das ist mit ein Grund, warum wir in der letzten Le gislaturperiode mit der Ressourceneffizienzstrategie angefan gen haben. Wir haben sie im März schließlich verabschiedet und sind derzeit bei ihrer Umsetzung.

Viele Dinge, die wir damals angefangen haben, liebe Gabi Rolland, sind auf einem guten Weg. Aber gemeinsam mit der CDU haben wir auch eine ganze Reihe von neuen Dingen ent wickelt, die wir jetzt, in dieser Legislaturperiode, gemeinsam umsetzen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Warum, meine Damen und Herren, ist das Thema Ressour ceneffizienz für Baden-Württemberg von so zentraler Bedeu tung? Lassen Sie mich fünf Punkte dazu nennen.

Zunächst einmal hat das einen wirtschaftlichen Grund, näm lich die Sicherung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in unserem Land. Das ist keine Neuigkeit. Sie befinden sich nun einmal in einem harten internationalen Wettbewerb. Ihre Produkte, baden-württembergische Produk te stehen weltweit für hohe Innovation und für hervorragen de Qualität.

Letztlich spielt aber auch noch der Preis eine Rolle. Kosten reduzierung im internationalen Wettbewerb ist deswegen ein ganz wichtiges Thema.

Wenn Sie einmal schauen, wie es auf der Kostenseite aussieht, dann stellen Sie fest: Der Anteil der Materialkosten im verar beitenden Gewerbe in Deutschland ist der größte Kostenblock. Er liegt im Schnitt bei 43 %.

Übrigens: Das Thema „Stromkosten in der Industrie“ hat uns hier in den letzten Jahren sehr beschäftigt und wird uns wei ter beschäftigen; derzeit spielt es medial wieder eine große Rolle. Der Stromkostenanteil im verarbeitenden Gewerbe liegt zwischen 2 und 3 %. Darüber diskutieren wir intensivst. Der Kostenblock von 43 % hingegen spielt in der Debatte, auch in der politischen Debatte, aus meiner Sicht jedenfalls bislang eine zu geringe Rolle.

Aus Unternehmensperspektive ist es sinnvoll und notwendig, unnötigen Materialeinsatz zu vermeiden. Im Grunde sollte Materialeffizienz in Unternehmen, allein dem ökonomischen

Prinzip folgend, eine Selbstverständlichkeit sein. Dies wurde schon angesprochen.

Allerdings sieht die Realität im Land nach wie vor noch an ders aus. Viele Potenziale werden nicht gehoben, und noch immer erfährt die Energieeffizienz eine deutlich intensivere Betrachtung in den Unternehmen als das Thema Materialef fizienz, obwohl, wie eben von mir gesagt, Energie als Kosten block beim produzierenden Gewerbe üblicherweise 2 bis 3 % ausmacht. Ich rede nicht von den energieintensiven Unterneh men. Vielmehr rede ich von den Branchen, die bei uns in Ba den-Württemberg die Kernbranchen darstellen.

Zweitens: Versorgungssicherheit bei Rohstoffen in BadenWürttemberg. Man muss einmal sehen: Dieses Land verfügt an Primärrohstoffen über Holz, Steine, Kies und Salz. Dann ist Schluss. Alles andere führen wir ein, und dies in einer im mer unsicherer werdenden Welt, in einer Welt, in der wir bei vielen Rohstoffen volatile Preise sehen, in einer Welt, in der manche Länder Rohstoffe auch strategisch einsetzen, weil sie die Einzigen sind, die sie produzieren und die darauf Zugriff haben. Ich nenne einmal China bei manchen seltenen Erden.

Vor diesem Hintergrund macht es selbstverständlich Sinn, dass wir fragen: Was können wir tun, um die Versorgungssicher heit der Wirtschaft in Baden-Württemberg zu verbessern, weil, wie gesagt, Preise volatil sind und die Welt unsicherer wird? Das ist mit ein ganz zentraler Punkt.

Das heißt, es geht darum, die Verfügbarkeit von Rohstoffen in dieser unsicherer werdenden Welt auch in Zukunft sicher zustellen. Das war der Grund, warum wir in den letzten Jah ren gemeinsam mit der Wirtschaft die Ressourceneffizienz strategie vorangetrieben haben.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Im Zentrum der Debatte, meine Damen und Herren, steht das Thema Kritikalität, also die Frage: Wie hoch ist das Versor gungsrisiko für einen Rohstoff im Vergleich zu dessen wirt schaftlicher Bedeutung? Wir haben das in einer Studie unter suchen lassen. Wenn Sie in diese hineinschauen, dann sehen Sie: Es gibt zehn Rohstoffe, bei Seltene-Erden-Metallen an gefangen über Tantal, Germanium bis hin zu Antimon oder Titan, die für die wirtschaftliche Entwicklung hier in BadenWürttemberg von enormer Bedeutung sind. Das Innovations potenzial Baden-Württembergs ist bei diesen Stoffen ganz be sonders stark berührt. Je effizienter wir mit diesen Stoffen um gehen und je besser wir diese Stoffe in Zukunft auch wieder zurückgewinnen und als Sekundärrohstoffe nutzen – das wird eine der großen Aufgaben sein –, umso unabhängiger sind wir von Versorgungsengpässen bzw. auch von dem Thema, das eine zunehmende Bedeutung bekommt, nämlich von der vo latilen Preisentwicklung bei manchen Rohstoffen.

Dritter Punkt, den ich nennen möchte: Grundlagen für eine biobasierte Wirtschaft schaffen. Während Rohstoffe wie Me talle gebraucht werden, werden fossile Energieträger, wie wir wissen, verbraucht und nicht gebraucht. Langfristig ist des halb ein Strukturwandel unserer Wirtschaft von einer fossilen zu einer vermehrt biobasierten Rohstoff- und Prozessbasis notwendig. Ressourceneffizienz schafft hier die Vorausset zung für einen solchen Wandel zu einer biobasierten Wirt schaft.

Eine Transformation unseres öl- und gasbasierten Wirtschafts systems 1 : 1 auf nachwachsende Biomasse wird allein schon aufgrund der notwendigen Mengen an Biomasse schlichtweg gar nicht möglich sein. Ressourceneffizientes Wirtschaften ist deshalb eine Grundvoraussetzung dafür, den Einsatz von Bio masse in Industrie und Wirtschaft zukünftig überhaupt pro zentual anheben zu können. Wir wollen deshalb die Verbin dung von Ressourceneffizienz und Bioökonomie stärker in den Fokus nehmen.

Vierter Punkt: Umweltbelastungen der Rohstoffgewinnung senken. Betrachten wir Zukunftstechnologien wie LithiumIonen-Akkus – dieses Stichwort ist heute in der Debatte schon mehrfach gefallen – oder Leichtbaulegierungen. Angesichts dessen, was an Technologien zu erwarten ist, müsste sich die weltweite Lithiumproduktion in den nächsten 20 Jahren mehr als vervierfachen. Bei Seltene-Erden-Metallen, die u. a. bei spielsweise für Magnete oder Elektromotoren benötigt wer den, müsste sich die Rohstoffgewinnung verdreifachen.

Angesichts solcher Prognosen stellt sich natürlich auch die Frage, ob diese Rohstoffe überhaupt noch in den benötigten Mengen zur Verfügung stehen. Die geologische Verfügbarkeit ist nicht das Problem. In einem Quadratkilometer Erdkruste gibt es etwa 39 Millionen t Kupfer, 70 000 t Neodym und 59 000 t Lithium. Also wird man sagen: kein Problem. Das Problem ist vielmehr die Konzentration dieser Stoffe. Diese wird mit zunehmender Ausbeutung immer geringer.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Das heißt, Sie müssen immer mehr Tonnen an Erzen fördern, um zu den notwendigen Mengen im Grammbereich, die Sie brauchen, zu kommen. Wenn dann der Verbrauch steigt, heißt das: Wir müssen immer mehr Material im globalen Kontext umwälzen, und das auch in immer abgelegeneren Gegenden dieser Welt. Ressourceneffizienz ist daher auch ein Gebot der Stunde vor dem Hintergrund Ökologie, nämlich um nicht auch noch in den entlegeneren Gegenden dieser Welt buddeln zu müssen. Das ist der Grund, warum es auch gilt, die Sekundär rohstoffgewinnung voranzutreiben.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der AfD)

Wenn wir von der Rohstofffrage sprechen, ist die Kernheraus forderung also nicht ein Mengenproblem, sondern es sind viel mehr der erforderliche Energieeinsatz, der notwendig ist, und auch die damit verbundenen Kosten, um diese Rohstoffe zu fördern. Das sind die eigentlichen Engpässe in der Zukunft, die wir in den Blick nehmen müssen, wenn wir eine Rohstoff debatte führen.

Hinzu kommt, was ich schon genannt habe: das Risiko der Abhängigkeit insbesondere für Baden-Württemberg, eine be sondere Verletzbarkeit bei wichtigen technologischen Inno vationen. Das trifft in besonderem Maß für einzelne Unter nehmen zu. Es betrifft aber auch die Wirtschaft und die Ge sellschaft bei uns hier in Baden-Württemberg insgesamt.

Einen fünften und letzten Punkt möchte ich nennen: Ressour ceneffizienz ist eine Exportchance für ein Land wie BadenWürttemberg. Was meine ich damit? Letztlich ist bei der Res sourceneffizienz das Gesamtergebnis global entscheidend.

Wenn nur wir in Baden-Württemberg ressourceneffizient ar beiten, bringt das, global gesehen, relativ wenig. Aber vor dem Hintergrund – ich habe die Situation gerade geschildert – knapper werdender Rohstoffe, teurer werdender Rohstoffe, der Volatilität der Preise, einer unsicherer werdenden Welt wird das Thema Ressourceneffizienz zunehmend in den glo balen Fokus rücken.

Das heißt, ein Technologieland wie Baden-Württemberg, das solche Maschinen und Anlagen, das also ressourceneffizien te Technologien produziert, wird Exportchancen generieren können. Das treibt mich dabei um. Das heißt, daran hängen zukünftige Arbeitsplätze und Chancen für den Wirtschafts standort Baden-Württemberg.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Hans Peter Stauch AfD)

Von der Landesagentur Umwelttechnik BW, die meinem Mi nisterium angegliedert ist, haben wir im letzten Jahr eine Stu die anfertigen lassen. Die Umwelttechnik BW hat diese bei der Prognos AG in Auftrag gegeben. Die Studie hat die inter nationalen Marktpotenziale für die baden-württembergischen Unternehmen in den Marktsegmenten Rohstoff- und Materi aleffizienz beleuchtet. Wenn Sie die Studie lesen, sehen Sie, dass wir in den kommenden Jahren bei diesen Technologien ein enormes globales Wachstum erleben werden. Es geht da rum, dass wir hier in Baden-Württemberg möglichst viel da von profitieren.

Meine Damen und Herren, zum Schluss – –

(Glocke der Präsidentin)

Herr Minister – –

Gern im Anschluss. – Ich habe versucht, zu skizzieren, welche Bedeutung die Ressourceneffizienz in Ba den-Württemberg tatsächlich hat. Es gibt ökologische Not wendigkeiten, die uns zur Ressourceneffizienz verpflichten. Die Ressourceneffizienz bietet aber auch gewaltige ökonomi sche Chancen.

Wir haben bereits eine Reihe von Dingen auf den Weg ge bracht; daher muss man keine Angst haben. Die Ressourcenef fizienzstrategie, die wir in den Ministerien – übrigens gemein sam mit der Industrie, mit den Industrieverbänden, Frau Reich-Gutjahr – entwickelt haben, setzen wir derzeit um.

(Zuruf der Abg. Gabriele Reich-Gutjahr FDP/DVP)

Im Rahmen der Initiative „100 Betriebe für Ressourceneffizi enz“ haben wir – das möchte ich auch einmal sagen – letzte Woche etwa 50, 60 dieser Betriebe ausgezeichnet. Überwie gend handelt es sich dabei um mittelständische Betriebe aus Baden-Württemberg.

Warum machen wir das alles? Es geht darum, Leuchtturmpro jekte zu zeigen, von denen andere lernen können. Das ist der Grund, warum wir dieses Thema vorantreiben. Wir wollen die entsprechenden Unternehmen ins Schaufenster stellen, um Werbung für den Technologiestandort Baden-Württemberg zu machen.