Heute wird in den Nachrichten berichtet – deswegen könnte das aufgerufene Thema aktueller nicht sein –, dass ein Milli ardenpaket für die digitale Bildung bereitgestellt werden soll. 5 Milliarden € will die Bundesforschungsministerin für digi tale Bildung zur Verfügung stellen. Ich glaube, das ist eine gu te Nachricht, die auch das Thema betrifft, über das wir heute sprechen wollen.
Wo stehen wir? Wir stehen in Deutschland derzeit sehr gut da. Die Wirtschaftsinstitute haben die Wachstumsprognose er höht, auch für 2017/2018 gute Perspektiven prognostiziert. Die Reallöhne sind gestiegen. Die Beschäftigung ist auf ei nem historischen Rekordhoch mit der Perspektive auf über 44 Millionen Beschäftigte. Die Arbeitslosigkeit hat sich in den letzten elf Jahren seit 2005 geradezu halbiert.
Das heißt, es geht uns gut. Aber in guten Zeiten darf man sich nicht zurücklehnen, sondern da muss man den Blick in die Zu kunft richten. Darum geht es heute. Wir dürfen den Zug der Zeit nicht verpassen.
Bis 2019 werden weltweit 1,4 Millionen neue Industrierobo ter installiert. Das ist ein Rekordwachstum in der Geschichte der Automation. Wir erleben einen Quantensprung in der Ent wicklung hin zur Smart Factory der Zukunft. Vernetzung, künstliche Intelligenz, Verarbeitung in Echtzeit werden künf tig die Arbeit, das Arbeitsrecht, die Produktion in allen Bran chen und Bereichen bestimmen. Die Digitalisierung wird un sere Arbeitswelt fundamental verändern. Das heißt, starre Ar beitszeiten und feste Betriebsstätten werden an Bedeutung verlieren. Virtuelle Arbeitsräume, digitale Techniken schaffen völlig neue Möglichkeiten zur Individualisierung des Ar beitsalltags.
Was uns bevorsteht, ist im Grunde genommen ein Kulturwan del in diesem Bereich. Gerade unser Land hat eine hohe In dustriedichte. Baden-Württemberg wird Hauptschauplatz die
ser Veränderungen sein. Deshalb ist die Arbeitswelt 4.0 für Baden-Württemberg als Innovationsland und Technologiemo tor an erster Stelle eine enorme Chance, die wir nutzen müs sen.
Das belegen auch aktuelle Studien. Im internationalen Ver gleich ist Deutschland schon heute führend auf dem Weg der digitalen Transformation. Deutschland liegt beim Einsatz von Industrierobotern in der EU einsam an der Spitze, übrigens deutlich vor den USA und weit vor China.
Ich lasse generell Zwi schenfragen zu. Vielleicht können wir, Herr Fiechtner, sagen: Wenn wir uns vernünftig – ich habe gesagt, wir werden auch die Abgeordneten der AfD respektvoll und fair behandeln – darauf verständigen,
Die von Ihnen geschilderte Zukunft des wirtschaftlichen Mit einanders – zunehmende Robotertätigkeiten, zunehmende Di gitalisierung, damit auch Effizienzgestaltung auf dem Arbeits markt insgesamt – wird ja dazu führen, dass man aller Wahr scheinlichkeit nach weniger Menschen in Arbeit braucht.
Ist damit dann das, was wir gemeinhin als demografische Ka tastrophe bezeichnen, nämlich das Absinken der Kinderzahl, nicht geradezu ein demografischer Segen, sodass sich die Zahl der Menschen dann auch an die Zahl der verfügbaren Arbeits plätze anpassen könnte?
Das sehe ich natürlich ganz anders. Ich glaube, es ist gut, wenn wir noch mehr auf Familienpolitik setzen und Nachwuchs haben.
Aber ich zeige Ihnen einmal eine Grafik: in 25 Jahren minus 12 % bei den Arbeitsstunden pro Erwerbstätigem seit 1991. Das heißt, alles wird auf mehr Schultern verteilt. Das ist ei gentlich eine sehr gute Entwicklung bei uns in der deutschen Wirtschaft und im Arbeitsleben, von der wir immer geträumt haben. Das bedeutet, wir haben mehr Beschäftigung, aber we niger nötige Jahresarbeitszeit. Im Grunde genommen ist es ei ne Entwicklung, die wir alle wollen, die wir uns alle wünschen sollten. Wir haben mehr Wohlstand, mehr Wachstum, mehr Arbeit, aber mit weniger Arbeitszeit. Ich finde, das ist Lebens qualität für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Wir sind in der Situation, einen wertvollen Vorsprung im glo balen Rennen um die digitale Zukunft zu haben. In diesem Wettlauf sind wir schon gut gestartet, während sich andere erst warmlaufen müssen. Deshalb haben wir allen Grund, mit Mut und Neugier weiter voranzugehen. Tatsache ist: Die Arbeits welt von morgen ist in vielen Unternehmen hier im Land schon heute beginnende Realität.
Das heißt, die Potenziale des Wandels werden vielerorts tag täglich aktiv gefördert und getrieben. Gerade Arbeitnehmer in den Hightechbetrieben sind Treiber der digitalen Revoluti on. Sie haben das Know-how, sie sind die Speerspitze dieser Entwicklung. Uns sind Industrie 4.0 und Arbeit 4.0 wichtig; das ist für uns im Land ein echtes Aufbruchsversprechen. Es bietet uns die Chance, das Land der Tüftler und Talente ein mal mehr neu zu erfinden. Es ist unser Weg zur Schaffung neuer attraktiver Arbeitsplätze, zur Bewahrung von Wohlstand und zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Des halb ist es wichtig und strategisch sinnvoll, dass wir Wirt schaft und Arbeit im neuen Wirtschaftsministerium endlich wieder zusammen denken.
Wir haben den Bereich Wirtschaft aus den Hinterzimmern des Finanzministeriums herausgeholt, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Auch wenn es viele Schwarzmaler gibt: Die Digi talisierung ist bei uns alles andere als der befürchtete Jobkil ler. Im Gegenteil: In der deutschen Automobilindustrie hat die Beschäftigung zwischen 2010 und 2015 zugenommen und nicht abgenommen. PwC rechnet in Deutschland bis 2030 et wa in den MINT-Berufen mit einer zusätzlichen Arbeitskräf tenachfrage von einer halben Million.
Die schlichte Gleichung „Digitalisierung = Verdrängung = Be schäftigungsabbau“ wird deshalb nicht aufgehen. Umgekehrt: Arbeit 4.0 veredelt den Wert der Arbeit und bringt bessere, in teressantere und flexiblere Arbeitsplätze hervor. Nicht Ma schine gegen Mensch, sondern Mensch mit Maschine, das ist das Prinzip dieser neuen Arbeitswelt. Deshalb brauchen wir mehr Flexibilisierung, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Darum müssen die Bedingungen stimmen. Wir werden nicht mehr mit dem Rucksack der Erstausbildung durchs Leben ge hen können. Wir haben neue komplexe Tätigkeitsfelder, neue dynamische Anforderungen. Wir müssen systemübergreifend denken. Profile ändern sich schneller, Arbeitnehmer müssen offen bleiben, sie müssen sich flexibel anpassen. Wir brau chen neue Formen der permanenten Qualifizierung. Deshalb ist gut, was die Bundesforschungsministerin heute mit dem 5-Milliarden-€-Paket auf den Weg gebracht hat.
Was wir brauchen, sind Plattformen für Weiterbildungsange bote, Bündelung in Industrie, Mittelstand, Hochschulen, Handwerk, Vernetzung von Bildungseinrichtungen. Das alles haben wir im Koalitionsvertrag so vereinbart. Deshalb sind wir da auf dem richtigen Weg in die Zukunft, verehrte Kolle ginnen und Kollegen.
Das ist eine vitale Zukunftsfrage. Das brauchen wir auch in den Schulen und deshalb auch in der digitalen Arbeitswelt. Wir müssen dafür sorgen, dass man auch in den Schulen aus bildungsreif, kompetent wird. Dazu gehört Informatikunter richt in allen Schulen. Das wollen wir stärken.
Deshalb ist auch die aktuelle Haushaltsdiskussion, die wir füh ren, richtig, in der wir dort einen Schwerpunkt sehen. Inves titionsmittel für die Digitalisierung, für Arbeit 4.0, für neue Unternehmenskonzepte, für innovative und neue Gestaltung der Arbeit – das ist unser Weg, den wir mit diesem Koaliti onsvertrag gehen.
Deshalb wollen wir eine neue Gründerkultur, z. B. auch mit mehr Wagniskapital. Darüber müssen wir sprechen. Auch da zu listet der Koalitionsvertrag viele konkrete Vorhaben auf. Arbeit 4.0 öffnet den Beschäftigten die Chance für neue Frei räume. Da spreche ich von mehr Zeitsouveränität, besserer Work-Life-Balance sowie einem neuen Arbeitszeitgesetz und -recht. Denn das Arbeitszeitgesetz stammt aus einer Zeit, in der es kein Smartphone und auch kein Homeoffice gab.
Ich bin überzeugt davon, dass die neuen digitalen Technolo gien es zulassen, Arbeitsabläufe und Aufgaben heute intelli genter und flexibler zu organisieren, oft unabhängig von Ort und Zeit. Das heißt, der Vater kann sich mit der Frühschicht auch einmal um das Kind kümmern, er kann die Arbeitszeit mit einer modernen App sozusagen mit Kollegen neu mana gen und dann auch einmal wieder abends arbeiten. Da brau chen wir mehr Flexibilität.
Wir waren beim DEHOGA. Viele Kollegen waren dabei. Im Grunde genommen lautete die Erwartungshaltung: eher Wo chenarbeitszeit als zu starre Regeln.
Das heißt, der Acht-Stunden-Normarbeitstag im Takt der Stechuhr passt in vielen Fällen nicht mehr zu den neuen Mög lichkeiten. Hier müssen wir neue Wege gehen.
Das hat die Wirtschaftsministerin in diesen Tagen zu Recht angestoßen. Das ist die Überlegung, um die es bei der Fach kräfteallianz, vor allem aber auch bei flexiblen Arbeitszeit konten gehen muss. Neue, lebensphasenorientierte Arbeits zeitmodelle können Motivation, Produktivität, aber auch Le bensqualität und Gesundheit gleichermaßen verbessern.
Im „Handelsblatt“ war diese Woche getitelt: „Je flexibler, des to gesünder“. Man hat Bezug genommen auf eine neue Em nid-Studie, in der stand: Mit mobiler, flexibler Arbeit sind die Leute gesünder.
Wir brauchen also auch eine neue Arbeitszeitkultur – darüber müssen wir eine intensive Debatte führen –, vor allem mit fle xiblen Beschäftigungsmodellen wie Zeitarbeit, auch mit Leih arbeit. Das auch an die Adresse der Kritiker: Die Leiharbeit ist ein Einstieg in den Arbeitsmarkt. Wir sollten sie nicht über regulieren, sondern auch weiter ermöglichen.
Deshalb heißt das Motto: Sinnvoll regulieren, aber nicht stran gulieren. Das muss die Richtschnur sein.
Arbeit 4.0 kann und darf natürlich nicht den Abbau hart er kämpfter Arbeitnehmerrechte bedeuten. Das ist selbstver ständlich. Jede Stunde muss vergütet werden. Ruhezeiten müssen bleiben. Das Hamsterrad darf sich nicht immer schnel ler drehen.
Jeder muss natürlich auch in Zukunft das Recht haben, abzu schalten, offline zu sein. Die bestehenden Normen müssen aber überarbeitet werden und bei Arbeit 4.0 sinnvoll angepasst werden.