Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Kollegen Abgeord nete, meine Damen und Herren! Immer, wenn die regieren den Politiker dieser Republik auf ihre politischen Erfolge hin weisen, sollten umgehend die Alarmglocken läuten.
Wir haben es hier mit Großmeistern in der Übung zu tun, Misserfolge als Erfolge zu verkaufen. Wer es beispielsweise schafft, die desaströse Eurorettungspolitik oder auch die völ lig verantwortungslose Politik der offenen Grenzen als Erfolg zu verkaufen, der lebt vermutlich im Wolkenkuckucksheim und folgt der allseits bekannten Pippi-Langstrumpf-Logik – Sie wissen schon: Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt.
Schade nur, dass diese Wunschwelt mit der realen Welt nichts zu tun hat. Darum rate ich: So sympathisch die herrlich cha otische Pippi Langstrumpf uns auch sein mag,
als politisches Vorbild taugt sie nun wirklich nicht. Schließ lich befinden wir uns hier im Parlament und nicht in der „Vil la Kunterbunt“, auch wenn einige in der Regierung das zu weilen zu verwechseln scheinen.
Nun wird hier heute also von Herrn Ministerpräsident Kretsch mann die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen als ein Er folg verkauft – als ein großer und ein doppelter gar, nämlich einer für das Land Baden-Württemberg und einer für den Fö deralismus. Das eine ist so falsch wie das andere.
Auf den ersten Blick scheinen alle erst einmal zufrieden zu sein: sowohl der Regierende Bürgermeister des Nehmerlands Bremen als auch der Ministerpräsident unseres großzügigen Geberlands. Wohin man auch schaut, überall gibt es zufriede ne Gesichter – Geberländer, die künftig keine mehr sind, Neh merländer, die künftig weiterhin großzügig und dauerhaft ali mentiert werden, ohne alle Anreize, künftig selbst in die fis kalischen Puschen kommen zu müssen.
In den quälend langen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern ging es aber leider weniger um wirkliche Reformen als vielmehr allein um neue Modalitäten der Umverteilung mittels des Finanzausgleichs. Die Geberländer wollten aus nachvollziehbaren Gründen weniger zahlen, die Nehmerlän der aus ebenfalls verständlichen Motiven noch mehr erhalten. Es stellte sich also die Frage: Wie soll das gehen?
Herr Kretschmann möchte uns nun weismachen, dass ab 2020 kein Bundesland mehr schlechter dastehen wird als heute. Das hat er in seiner Erklärung gesagt. Das geht aber nach Adam
Riese nur durch deutlich höhere Finanzierungsbeiträge des Bundes und ist selbst dann nur eine unvollständige Wahrheit, weil sie natürlich die Gesamtheit der Finanzierungsströme verschleiert.
Zu fragen ist: Wie kommt das zusätzliche Geld wohl zum Bund? Druckt das womöglich der Bundesfinanzminister in der Kellerdruckerei des BMF? Oder ist es nicht vielmehr so, dass die zusätzlichen Mittel des Bundes von den Bürgern al ler 16 Bundesländer zunächst einmal als Steuern entrichtet werden müssen – gleichgültig, wohin sie fließen –, damit die ses Geld dann als zusätzliches Geld des Bundes an die Län der fließen kann? Natürlich ist das so.
Und die Bürger welcher Bundesländer zahlen davon wohl weit überproportional viel? Na, dämmert es Ihnen? Dieweil tut Herr Kretschmann so, als flösse das Geld gleichsam wie Man na vom Himmel, da es ja vom Bund aus dem fernen Berlin kommt. Derlei nennt man dann auch Fiskalillusion, meine Da men und Herren, und die wird von Regierenden nur allzu gern eingesetzt, um dem Volk vermeintliche Erfolge vorzugaukeln, Erfolge, die faktisch keine sind. Da macht unser Ministerprä sident, wie er hier wortreich gezeigt hat, keineswegs eine Aus nahme.
Der Bund zahlt ab 2020 ganze 9,5 Milliarden € zusätzlich im Jahr, und der irrlichternde Großökonom und Justizminister Maas lässt das geneigte Volk wissen, dass dieses Geld – ich erlaube mir zu zitieren – „in diesem Land erwirtschaftet und niemandem weggenommen“ wird. Na dann!
Jenseits von Voodoo und Hokuspokus wird jedem halbwegs vernunftbegabten und mit den Grundrechenarten vertrauten Menschen jedoch schnell klar, dass es bei dieser ganzen Ge schichte einen Verlierer geben wird: Das ist natürlich einmal mehr der Steuerzahler, der künftig mit Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen des Bundes rechnen muss.
Das heißt, der massenmedial beklatschte und vom Politesta blishment gefeierte Kompromiss ist bei Lichte betrachtet nichts anderes als ein einziger großer Bluff, eine Mogelpackung. Denn am vielschichtigen, grundsätzlichen Umverteilungsprin zip des Finanzausgleichs wird sich tatsächlich, wenn man ge nau hinschaut, gar nichts verändern. Verändern wird sich al lein, dass die Zahlungen künftig noch stärker vertikal über den Bund und nicht mehr über den horizontalen Länderfinanzaus gleich abgewickelt werden.
Die Zahlmeister bleiben jedoch die gleichen wie vorher – da runter selbstverständlich auch weiterhin in unverändertem Maß die Bürger Baden-Württembergs.
Den Bürgern wird nun nur über den Wegfall des horizontalen Länderfinanzausgleichs die Transparenz des Vorgangs genom men – nicht etwa gegeben, wie Sie, Herr Kretschmann, sagen. Denn sie können es nicht mehr sehen, weil es nicht mehr aus gewiesen wird. Da mag uns der Herr Ministerpräsident gern etwas von einer knappen Milliarde mehr in der Landeskasse
vorgaukeln. Die Rechnung geht nicht auf. Und so ahnungslos kann er – das sei zu seinen Gunsten angenommen – gar nicht sein, dass er das nicht selbst genau weiß.
Abgeschafft wird lediglich der horizontale Länderfinanzaus gleich, also die Zahlungen der Länder untereinander. Dieser Ausgleich erfolgt nun in erster Linie über die Umsatzsteuer, die nun auf Bundesebene gebündelt und verrechnet wird, und außerdem über Bundesergänzungszuweisungen.
All das bewirkt somit eine starke weitere Vertikalisierung des Finanzausgleichssystems, das bislang aus einer Mischung aus vertikalen und horizontalen Elementen bestand. Das wird ver fassungsrechtlich noch spannend werden. Denn mit der Ent scheidung vom Juni 1986 bestand das Bundesverfassungsge richt darauf, dass Bundesergänzungszuweisungen, die es jetzt richten sollen, nicht an die Stelle des Länderfinanzausgleichs treten dürfen.
Doch droht nicht nur ein verfassungsrechtliches Fiasko, son dern auch ein fiskalisches Fiasko für die Geberländer, da ein Teil der Milliarden aus dem Umsatzsteuertopf nun dynami siert werden. Geberland bleibt Baden-Württemberg so oder so; daran ändert sich nichts.
Schuldenmachende, misswirtschaftende Bundesländer wer den durch die Dynamisierung der Mittelzuflüsse künftig wo möglich noch großzügiger alimentiert als zuvor, während gut wirtschaftende Bundesländer noch stärker zur Kasse gebeten werden. Das, meine Damen und Herren, ist eine zutiefst per verse Anreizstruktur und zeugt von organisierter Verantwor tungslosigkeit.
Genau diese Verantwortungslosigkeit ist es übrigens, die dem fleißigen und dies durchschauenden Bürger Baden-Württem bergs die Zornesröte ins Gesicht treibt.
Und als ob das des Schlechten nicht schon genug wäre, müs sen die Länder nun auch noch weitere Kompetenzen an den Bund abtreten – da das hier schon wortreich thematisiert wur de, darf ich mich hier kurzfassen –: Planung, Bau und Erhalt des Fernstraßennetzes werden zur Angelegenheit des Bundes, und Eingriffe in die kommunale Bildungsinfrastruktur seitens des Bundes sind hier zu beklagen.
Das haben Sie, Herr Ministerpräsident, zu Recht beklagt. Schade nur, dass Sie sich nicht durchsetzen konnten. Warum eigentlich nicht? Hätte man keine härtere Verhandlungslinie vom Ministerpräsidenten eines Hauptzahlerlands im Finanz ausgleich erwarten können, ja sogar müssen? Wie so oft, möchte ich hinzufügen. Sie beten ja lieber für Ihr großes Vor bild Angela Merkel und ihre grandiose Migrationspolitik – und vielleicht auch für die verlockende Position des Bundes präsidenten; wer weiß?
Wie üblich lautet also die Devise im Bund-Länder-Finanzaus gleich – stärker noch als bereits zuvor – „Top-down“ statt „Bottom-up“, wie es allein richtig wäre. Ein einstmals gesun der Föderalismus, den Sie hier mit Recht einfordern, Herr Kol lege Reinhart, fällt de facto auch mit diesem Beschluss nun
einem schleichenden Zentralisierungswahn zum Opfer. Lie ber Herr Ministerpräsident, dies ernsthaft als „Erfolg des Fö deralismus“ zu bezeichnen ist der blanke Hohn und eine mas sive und schwerwiegende Täuschung der Bürger.
Verzeihen Sie, aber hier gilt es, deutliche Worte zu finden. Wenn Sie diesen faulen Kompromiss der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ernsthaft als „hartes Brett“ bezeichnen – wie eben geschehen –, dann ist das, mit Verlaub, einfach lächerlich. Und wenn Sie das auch noch als Erfolg für den Föderalismus verkaufen wollen, dann ist das eine gerade zu perverse Verdrehung des eigentlichen Föderalismusgedan kens.
Ja, reicht es Ihnen denn ernsthaft, vermeintlich eine knappe Milliarde Euro herauszuschlagen, ein Betrag, der bei Lichte betrachtet nur ein Linsengericht ist und unter Einbeziehung der Finanzen der Kommunen des Landes nicht annähernd aus reichen wird, die vom Bund selbst verursachten sogenannten Flüchtlingskosten aufzufangen, wenn in Kürze Flüchtlinge in großer Zahl in Hartz IV gehen werden? Ist das, Herr Minis terpräsident, bereits Ihr ganzer Anspruch?
Wir sind hier in Baden-Württemberg, nicht im Saarland oder in Bremen. Baden-Württemberg ist ein großes, ein starkes und ein extrem leistungsfähiges Bundesland, einer der zentralen Motoren dieser Republik. Und Ihnen als Ministerpräsident dieses großartigen Landes fehlt jede Vision, eine echte Neu regelung der Bund-Länder-Finanzen zu entwickeln, die die sen Namen auch verdiente? Herr Ministerpräsident, wie klein mütig das doch ist.
Meinen Sie denn wirklich, es sei damit getan, möglichst viel Geld vom Bund herauszuhandeln und in den großen Verschie bebahnhof der Finanzmasse einzuspeisen? Meinen Sie nicht – oder übersteigt dies vielleicht schlicht Ihre Vorstellungskraft? –, selbst gestalterisch im Sinne eines echten Föderalismus tätig werden zu müssen
und dann vielleicht einmal an die Gestaltungs- und Ertrags hoheiten der großen Steuern in diesem Sinn heranzugehen? Denn das ist es, was geschehen müsste. Genügt es Ihrem be klagenswert bescheidenen Anspruch, die Länder noch mehr als bisher schon an die Alimentierungsnadel des Bundes zu hängen, damit sie ihre zahlreichen Ausgaben irgendwie noch bestreiten können? Das ist, mit Verlaub, lediglich Verwaltung auf niedrigem Niveau, nicht mehr – und das genau dort, wo politische Gestaltung höchst dringlich gefordert wäre, zu der Sie aber offenkundig nicht bereit oder nicht fähig sind.
Politische Führung – das sei Ihnen gesagt – verlangt weit mehr als die Mogelpackung, die Sie uns hier, Sand in die Augen streuend, als Erfolg zu verkaufen versuchen. Es ist traurig, und es ist ein Bärendienst für die fleißigen Bürger unseres Landes, Herr Ministerpräsident.
Ein wirklicher „Erfolg des Föderalismus“ wäre es allein ge wesen, wenn man Länder und Kommunen im Zuge einer ech ten Neuregelung mit einer größeren Steuerautonomie ausge stattet hätte. Ohne Steuerautonomie können sich die Länder und Kommunen in ihrer Finanzpolitik überhaupt nur über die Ausgabenseite des Haushalts profilieren. Das ist aber keines wegs zwingend; es ist vielmehr ein Ausdruck fehlenden poli tischen Gestaltungswillens auf der Ebene der Länder.
Das mag man nun einigen Kleinstbundesländern noch verzei hen; für Baden-Württemberg und seine politische Führung ist und bleibt das aber ein Armutszeugnis.
Gestünde man den Ländern mehr steuerliche Autonomie, al so zentrale Gestaltungs- und Erhebungskompetenz, zu, die den Wettbewerbsgedanken zwischen den Ländern in sich trägt, würde die Eigenverantwortung der Länderebene auch auf der Einnahmeseite gestärkt. Erst das wäre dann eine Neuregelung im Sinne des föderalen Gedankens. Davon ist in der ganzen Reform nichts, aber auch wirklich gar nichts zu sehen.