Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es war natürlich zu befürchten, dass ein Popanz aufgebaut und mit Windmühlen gekämpft wird, statt tatsächlich auf unsere Vorschläge einzugehen. Ich habe solch eine widersprüchliche Kritik selten erlebt. Wir sollen also gleichzeitig für Markt und für Staat sein, und beides wird uns vorgeworfen.
Beim Hören der Reden anderer hat man den Eindruck, sie hät ten unseren Antrag gar nicht gelesen. Wieder andere haben ihn absichtsvoll missverstanden mit Ausnahme – das muss ich sagen – des Kollegen Zimmermann.
Jetzt halten wir einmal nüchtern fest: Die Ministerpräsiden ten haben Ende Oktober beschlossen – der Innenminister hat das richtig wiedergegeben –, in ein qualitatives Konzessions system einzusteigen. Das ist genau das, was wir gefordert ha ben.
Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der heute nicht hier ist, hat dem zugestimmt. Die Landesregierung hat dem Vorschlag zugestimmt.
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Ob die es genau ge lesen haben, das weiß ich auch nicht! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Herr Kollege, ich bitte Sie! – Gegenruf des Abg. Karl Zimmermann CDU: Nicht Ihren Antrag, sondern den Vorschlag von Hessen!)
Das wäre aber ziemlich fürchterlich, gell? – Jedenfalls wur de das einstimmig beschlossen. Nehmen Sie das zur Kennt nis. Daran waren alle politischen Farben beteiligt.
Hessen hat schon angekündigt, dass sie ein solches Konzes sionssystem machen wollen; ich habe es erwähnt: In Hessen regiert Schwarz-Grün. Bereits praktiziert wird das Konzessi onssystem in Schleswig-Holstein; da regiert Rot-Grün.
Schleswig-Holstein ist übrigens zur Stunde das einzige Land mit einem regulierten Sportwettenangebot. Wissen Sie, Herr Innenminister, was überall sonst stattfindet? Das freie Spiel der Kräfte. Da ist kein Schutz möglich. Das ist genau das, was Sie kritisiert haben. Das wollen wir abschaffen. Wie kann man jemanden so missverstehen?
Ich muss Ihnen eines sagen: Die Attacken, die von verschie denen Seiten kamen, haben mir klargemacht, dass sich die Scheinheiligkeit, die in den ganzen Debatten über das Glücks spiel steckt, auch in dieser Debatte fortgesetzt hat.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 16/40. Der Antrag ist ein reiner Berichts antrag und kann für erledigt erklärt werden. – Sie stimmen dem zu.
M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. D r. F r i e d r i c h B u l l i n g e r F D P / D V P – B e u r t e i l u n g d e s B e g r i f f s „ b e k ö m m l i c h “ a u s e r n ä h r u n g s p h y s i o l o g i s c h e r S i c h t b e i B i e r u n d W e i n n a c h d e m a k t u e l l e n U r t e i l d e s O b e r l a n d e s g e r i c h t s ( O L G ) S t u t t g a r t u n d d a d u r c h z u b e f ü r c h t e n d e W e t t b e w e r b s n a c h t e i l e f ü r d i e h e i m i s c h e n E r z e u g e r
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei kleine Vorbemerkungen. Zunächst einmal: Paracelsus von Hohenheim sagte sinngemäß: „Die Dosis macht’s.“ Zwei tens: Bier und Wein in Maßen genossen sind bekömmlich und gehören zur Esskultur. Wenn die EU und der EuGH das an ders sehen, stellen sie aus meiner Sicht einmal mehr ihre Welt fremdheit unter Beweis.
logischer Sicht den Terminus „bekömmlich“ im Zusam menhang mit dem aktuellen Urteil des OLG Stuttgart und der einschlägigen EU-Health-Claims-Verordnung für die Lebensmittel Bier und Wein?
mischen Brauer und Winzer zu unterstützen, um beispiels weise durch Aufklärung über die seit Jahrhunderten zum heimischen Kulturgut zählenden Qualitätserzeugnisse Bier und Wein Verbraucher zu informieren, damit dem durch das Urteil und die damit verbundene mediale Berichterstat tung entstandenen Imageschaden sowie zukünftig zu be fürchtenden Wettbewerbsnachteilen für die betroffenen Be rufsgruppen entgegengewirkt wird?
Vielen Dank, Herr Abge ordneter. – Ich darf für die Landesregierung Herrn Minister Hauk an das Rednerpult bitten.
Herr Präsident! Namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Kollegen Dr. Fried rich Bullinger wie folgt:
Zur Frage a: Im Zusammenhang mit dem Urteil des OLG Stuttgart zur Verwendung der Auslobung „bekömmlich“ ist die ernährungsphysiologische Sicht nicht relevant.
Leider. Das ist keine Festlegung des Landesgesetzgebers oder gar der Exekutive, sondern der Europäischen Kommission, weil die bestimmt hat, dass bereits ein Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent nach der EU-Health-ClaimsVerordnung ein Ausschlusskriterium für die Verwendung die ses Begriffs darstellt. Das OLG hat entschieden, dass auch das Wort „bekömmlich“ in diese Begriffsreihung fällt.
Zur Frage b, der Frage, welche Möglichkeit die Landesregie rung zur Unterstützung der heimischen Brauer und Winzer sieht: Die Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg hat nach Inkrafttreten der EU-Health-Claims-Verordnung im Jahr 2006 Lebensmittelunternehmen dahin gehend beraten, dass die Verwendung gesundheitsbezogener Aussagen auf Le bensmitteln mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volu menprozent nicht mehr zulässig ist. Auch hatte der Europäi sche Gerichtshof bereits im Jahr 2012 festgestellt, dass die Angabe „bekömmlich“ auf Wein eine unzulässige gesund heitsbezogene Angabe darstellt. – Das hätte übrigens auch die Brauerei wissen können, wenn sie sich erkundigt hätte.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein solches Urteil herbeizuzwingen ist ja auch ein Marketingeffekt, der nicht gänzlich zu unterschätzen ist.
Aus Sicht der Landesregierung stehen den Brauereien in Ba den-Württemberg zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, ihre Produkte rechtskonform zu kennzeichnen und zu ver markten, gerade im Hinblick auf die stetig steigende Popula rität regionaler Produkte und die damit verbundene Möglich keit der Auslobung regionaler Rohstoffe.
Da die EU-Health-Claims-Verordnung EU-weit gilt, ist für Unternehmen in Baden-Württemberg kein einseitiger Wettbe werbsnachteil erkennbar, dem abgeholfen werden müsste. Die Urteilsfindung in den nationalen Gerichten, aber auch auf eu ropäischer Ebene, ist relativ einheitlich.
Herr Minister, vie len Dank. Sie haben sicherlich vollumfänglich juristisch kor rekt und nach dem Terminus der Juristen geantwortet, aber die Frage nicht beantwortet, die ich Ihnen gestellt habe.
Ich habe gefragt: Wie beurteilt die Landesregierung aus er nährungsphysiologischer Sicht den Terminus „bekömmlich“? Das hätte ich gern gewusst, und vor allem hätte ich gern eine Bestätigung, dass diese Kulturgüter Bier und Wein in Maßen
genossen sehr wohl bekömmlich sind, unabhängig von dem Rechtsterminus der Juristen und der Festlegung der vorge nannten Gerichte.
Sehr verehrter Kollege Bullinger, vielen Dank für den Hinweis. Wir haben nur versucht, eine Rechtsklarheit oder Klärung über die Hintergründe des Urteils zu schaffen. Mir ist natürlich schon bewusst, dass die Landesregierung wohl omnipotent ist
und deshalb natürlich auch die grammatikalischen und die wortbedeutsamen Wirkungsweisen noch hätte ergründen kön nen. Sie dürfen versichert sein, dass wir dieses Vorhaben ge meinsam mit der Kultusministerin angehen werden, um auch aus ernährungsphysiologischer Sicht