Wir Grünen stehen zu dem aus der Verfassung abgeleiteten Grundsatz, dass starke Schultern mehr tragen können als schwache. Das ist der Grundsatz der ökologisch-sozialen Marktwirtschaft, für den wir eintreten.
Wir wollen, dass es Chancengerechtigkeit hier im Land gibt; diese ist gerade für die Wirtschaft wichtig. Wer in Deutsch
land über längere Zeiträume über wenig Einkommen oder Ver mögen verfügt, hat faktisch kaum Chancen, diese Situation zu ändern.
Es ist auch schlicht fatal – selbst wenn man die Gerechtig keitsfrage einmal ausblendet –: Wir können es uns angesichts des Fachkräftemangels nicht leisten, auch nur ein einziges Ta lent nicht zu fördern. Wir können es uns auch angesichts des demografischen Wandels nicht leisten, einen wachsenden Teil der Bevölkerung in die Altersarmut abrutschen zu lassen.
Das heißt, wir wollen natürlich in die Unternehmen des Lan des investieren, in die Infrastruktur, damit die Unternehmen des Landes international wettbewerbsfähig sind. Aber die öf fentliche Hand muss auch in der Lage sein, die notwendigen Grundlagen dafür zu schaffen und in Bildung, Ausbildung, Forschung und Infrastruktur zu investieren.
Wir haben deshalb in Münster beschlossen, besonders hohe Privatvermögen stärker für diese Aufgaben des Staates in die Verantwortung zu nehmen.
Aber, Herr Rülke, wir haben dafür auch harte Leitplanken und Kriterien formuliert: Eine solche Vermögensteuer muss ver fassungsfest sein,
sie muss ergiebig sein, und sie darf weder Arbeitsplätze noch Innovationskraft von Unternehmen gefährden.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD und der FDP/ DVP – Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD – Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Arbeiten Sie weiter an der Quadratur des Kreises?)
Wir haben uns natürlich auch – viele von uns, auch aus Ba den-Württemberg – für einen anderen Weg eingesetzt. Jetzt haben wir die Beschlusslage. Es handelt sich nicht um ein ab schließendes Konzept, das beschlossen worden ist, sondern um einen ganz klaren Arbeitsauftrag mit Kriterien und Leit planken. Wir, auch die Fraktion GRÜNE im Landtag von Ba den-Württemberg, werden sehr genau darauf achten, dass die se Kriterien eingehalten werden.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Uns reicht das schon! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)
was äußerst wichtig ist, um die Einnahmen des Staates zu si chern. Wir reden über Steueroasen, Steuerschlupflöcher, die
zu schließen sind. Es geht um zig Milliarden Euro, die am Fis kus vorbeigeschleust werden. Das können wir nicht hinneh men. Es ist auch für die Bürgerinnen und Bürger in Deutsch land nicht mehr nachvollziehbar, dass die Großen absahnen und die Kleinen brav ihre Steuern hier zahlen. Außerdem – wie ich schon gesagt habe – haben wir, hat der Staat dringend nötige Sanierungen und Investitionen zu tätigen.
Deswegen haben wir in Baden-Württemberg auch 600 Stel len in der Finanz- und Steuerverwaltung geschaffen, damit es gerecht zugeht.
Wir stellen 100 Millionen € für die Digitalisierung bereit, ha ben den Unterrichtsausfall an beruflichen Schulen halbiert, die Elektromobilitätsinitiative III gestartet und die frühkind liche Bildung ausgebaut. Wir investieren in Wissenschaft, For schung und exzellente Universitäten. Wir sanieren Gebäude des Landes, Hochschulen, Brücken und Landesstraßen.
Sie sehen also: Wir Grünen diskutieren auf unseren Parteita gen über die relevanten gesellschaftlichen Themen. In Regie rungsverantwortung stärken wir die Wirtschaft und den Mit telstand mit unserem konkreten politischen Handeln. Wir ha ben dabei die ganze Gesellschaft im Blick und spielen eben nicht unterschiedliche Interessen gegeneinander aus.
Vielleicht fangen Sie einmal an, sich ernsthaft mit diesen Fra gen zu beschäftigen, auch eigene Konzepte vorzulegen. Viel leicht interessiert sich dann auch wieder jemand für die FDP.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Auf dem Parteitag der Grünen in Münster hat Ministerpräsident Kretschmann eine wirklich beachtliche Rede gehalten. Ich möchte mich heute auseinandersetzen mit den Argumenten dieser Rede und den Argumenten der Gegen rede von Jürgen Trittin, die fundamental in eine andere Rich tung gezeigt hat als die Rede von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Kretschmann hat sich auf dem Parteitag in Sachen Vermögen steuer gegen die übergroße Mehrheit gestellt und hat dort die Sicht der Bürgerinnen und Bürger aus Baden-Württemberg eingebracht, und er hat das Ganze in einen größeren Kontext gestellt. Er hat nämlich diejenigen Themen angesprochen, mit denen sich alle Parteien beschäftigen sollten.
Wir müssen erkennen, dass wir in Deutschland in einer neu en politischen Zeit leben und dass erhebliche Anstrengungen notwendig sind, um die Grundwerte unserer freiheitlichen Ge sellschaft und unserer Demokratie zu verteidigen und zu si chern.
Es geht darum, dass wir, dass die demokratischen Parteien auf diejenigen Bürgerinnen und Bürger zugehen, die schon lange nichts mehr von der Politik wissen wollen oder vom Staat ent täuscht sind. Wir müssen die Demagogen entlarven und dür fen nicht diejenigen Menschen, die anderer Meinung sind, ein fach ausgrenzen.
Wir dürfen diesen keinesfalls mit moralischer Überheblich keit begegnen. Viele Menschen – das hat Ministerpräsident Kretschmann angesprochen – fühlen sich abgehängt. Bei die sem Gefühl stehen kulturell-identitäre Fragen im Mittelpunkt. Diese Statusunsicherheit lässt sich nicht einfach mit sozialpo litischen Maßnahmen lösen.
In dieser Situation, sagt Kretschmann, sei es der völlig falsche Weg, jetzt mit der Vermögensteuer zu kommen.
Das sei ein Fass mit riesiger Sprengkraft, das da aufgemacht werde und jedem Demagogen die Argumente vor die Haustür liefere.
Nur: Was hat Trittin gesagt? Wie hat er die Abstimmung auf dem Parteitag gewonnen? Er hat gesagt: „Deutschland ist ein Steuersumpf für Vermögen.“ In der FAZ erschien dazu unter der Überschrift „Vom Segen einer Superreichensteuer“ ein Ar tikel von ihm. „Vom Segen einer Superreichensteuer“! Dazu fällt mir nur ein: Wenn Trittin das Land segnet, dann musst du Angst vor Missernte haben.
Die Vermögensteuer ist eine Substanzsteuer, genauso wie die Erbschaftsteuer und die Grundsteuer. Es wurde schon gesagt: Das Problematische an Substanzsteuern ist, dass sie in das grundgesetzlich geschützte Eigentum eingreifen. Auch ertrag lose Vermögen werden besteuert. Sie wirkt krisenverschär fend, da sie auch anfällt, wenn Verluste erwirtschaftet werden, und sie ist eine Doppelbesteuerung, wenn das Vermögen aus bereits versteuertem Einkommen angespart wurde.