Die Realschulen sind ein ganz bewährter und zentraler Bau stein unseres Bildungssystems – auch im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort, Stichwort „Hinführung zur dualen Aus bildung“. Deshalb ist es, glaube ich, auch richtig, dass wir hier ertüchtigend tätig werden, damit sie ihrer wichtigen und gu ten Aufgabe künftig noch besser nachkommen können.
Frau Ministerin, ein Teil der Poolstunden wird den Realschulen ja nicht direkt zur Verfü gung gestellt, sondern über die Staatlichen Schulämter ver teilt. Können Sie uns ausführen, wie diese Verteilung über die Staatlichen Schulämter erfolgen soll und wie die Realschulen dann dieses zusätzliche Werkzeug nutzen können?
Frau Boser, da muss man ehrlich sagen: Das haben wir intern sehr ausführlich diskutiert. Letztlich geht es um zu sätzlich 20 Poolstunden pro Realschulzug. Jetzt hätte man sa gen können: Man gibt sie ganz an die Schulen. Wir haben uns schließlich nach langer Abwägung dazu entschlossen, zehn Stunden pro Zug direkt an die Realschulen zu geben und zehn, wie Sie zu Recht sagen, über eine Verteilung durch die Staat lichen Schulämter.
Hintergrund war, dass wir es für sinnvoll halten, dass Staatli che Schulämter auf gewisse Unterschiede, die es auch im re gionalen Zuschnitt bei den Realschulen gibt, reagieren kön nen sollten. Solche Kriterien sind beispielsweise die Größe
einer Schule und die Anzahl der vorhandenen Klassen, auch die Zusammensetzung der Schülerschaft, die Empfehlungen – Werkrealschulempfehlung etc. –, der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund und die Frage, wie gut die Deutsch kenntnisse sind. Das alles sind Themen, die aus unserer Sicht dafür gesprochen haben, dass wir sagen: Dort müssen die Staatlichen Schulämter an die einzelnen Realschulen zuwei sen können, weil es regional durchaus in der Nachbarschaft auch Unterschiede gibt.
Ich habe dieses Thema auch ausführlich mit dem Realschul verband und den dortigen Gremien besprochen; das ist nach vollziehbar.
Wir haben zugesagt: Die Kriterien – das ist klar –, nach de nen die Staatlichen Schulämter verteilen, werden vom Kul tusministerium vorgegeben und der Öffentlichkeit dargestellt. Sie werden transparent sein, sodass die einzelnen Schulen auch realistisch erkennen können, warum es vielleicht die ei ne Schule bekommt und die andere nicht. Es ist uns sehr wich tig, dass nicht der Eindruck entsteht: Du brauchst nur gute Be ziehungen zu haben, dann flutscht das schon. Vielmehr ma chen wir das nach ganz konkreten Vorgaben und wollen so ein Stück weit auf Unterschiede zwischen den Realschulen re agieren. Ich glaube, dass das dann insgesamt ein rundes Pa ket wird.
Frau Ministerin, die Realschule bekommt ja mehr Freiheiten. Die Schulen können jetzt selbst entscheiden, ob sie starke Schüler im Klassenverbund oder auch in Kleingruppen unterrichten wollen. Es ist wichtig, dass wir auf die stärkeren Schüler eingehen. Aber es gibt natürlich auch schwächere Schüler, die besonderer Hilfe bedürfen. Kei ner der Schüler darf verloren gehen. Deswegen die Frage: Macht das neue Konzept auch Angebote für schwächere Schü lerinnen und Schüler?
Ja, genau das ist die Zielsetzung der stärkeren Dif ferenzierung, die wir durch zusätzliche Poolstunden erreichen wollen.
Richtig ist: Wo Realschule draufsteht, ist auch künftig Real schule drin. Das heißt, das Unterrichten auf dem Realschul niveau ist die Grundlage – auch in der Orientierungsstufe der Klassen 5 und 6. Das Angebot, auch einen Hauptschulab schluss dort machen zu können, ist ein Angebot an Schülerin nen und Schüler, die sich für diesen Weg entscheiden wollen. Diese werden tatsächlich eben durch die differenzierte Unter richtung gezielt gefördert. In Gruppen oder in Klassen – ich sagte es eben – besteht die Möglichkeit, genau darauf zu re agieren – wie Sie sagen, unter dem Gesichtspunkt, dass kei ne Schülerin und kein Schüler verloren geht. Deshalb ist die Differenzierung auch durch zusätzliche Ressourcen notwen dig, damit jeder leistungsgerecht unterrichtet werden und be wertet werden kann.
Frau Ministerin, die Ausfüh rungen, die Sie gerade getätigt haben, lassen den Schluss zu, dass es in Zukunft keine Abschulungen von den Realschulen mehr geben wird. Ist das richtig?
Ja, natürlich. Das ist richtig. – Ich stolpere immer über den Begriff „Abschulung“ – der ist richtig, aber ich fin de ihn
Wir bieten an Realschulen künftig, jetzt schon beginnend, den Hauptschul- und den Realschulabschluss an. Klar ist – da ha ben Sie recht –: Es ist vorgesehen, dass beispielsweise ein Kind, das auf Realschulniveau beginnt, dann vielleicht ent wicklungspsychologisch einen Durchhänger hat und in den „Bereich Hauptschule“ wechselt, auch wieder zurückwech seln kann. Das heißt, die Durchlässigkeit innerhalb des Sys tems ist gewährleistet. In der Regel zum Schuljahresende, auch zum Halbjahr ist es möglich. Genau das ist vorgesehen. Daher kann man eigentlich sagen, dass das Kind in der Schu le bleiben kann und nicht die Schule wechseln muss, auch wenn sich die Niveaustufe ändern sollte.
Frau Ministerin, wir haben jetzt schon mehrfach gehört: In der Realschule wird in Zukunft eben nicht nur auf dem sogenannten Realschulniveau, son dern auch auf dem Hauptschulniveau unterrichtet. Dafür hat sie verschiedene Möglichkeiten: in Gruppen oder in getrenn ten Klassen.
Ganz besonders neu ist auch, dass der Hauptschulabschluss in Zukunft in den Realschulen selbst abgelegt werden kann. Das ist für die bestehenden Realschulen und für die Realschul lehrer eine ziemliche Herausforderung und wird, zumindest in der Umstellungsphase, einige Anstrengungen kosten.
Meine Überlegung ist – umgekehrt zu der Frage von Kollege Burger –: Müssen wir uns nicht möglicherweise Sorgen ma chen, dass durch dieses Hauptschulniveau eigentlich das Ni veau insgesamt an der Realschule abgesenkt wird? Können wir weiterhin den guten Ruf der Realschule so halten wie in der Vergangenheit, oder müssen wir eine Niveauabsenkung fürchten?
Nein, Frau Kurtz. Genau das ist der Grund, war um wir uns für dieses Modell entschieden haben, das sich ja von dem, was bisher vorgesehen war, durchaus – genau in die sem Punkt – zentral unterscheidet.
Ich sagte es: Wo Realschule draufsteht, ist auch Realschule drin. Es wird auf Realschulniveau unterrichtet, auch in der Orientierungsstufe in den Klassen 5 und 6. In den Klassen 5
und 6, in der Orientierungsstufe, gibt es zwar Noten, aber es gibt keine Nichtversetzung in die Klasse 6, sondern wir sehen die Klassen 5 und 6 als eine Einheit an, aber auf Realschulni veau, und fördern, wie ich eben schon sagte, gezielt diejeni gen, die mit diesem Niveau momentan – warum auch immer – Schwierigkeiten haben. Dafür gibt es die Unterstützung auch durch zusätzliche Ressourcen.
Aber klar ist: Das Niveau der Realschule bleibt erhalten. Da her erfolgt auch die Trennung in Gruppen oder in Klassen nach Klasse 6, also in Klasse 7 in der Frage: Welchen Weg be schreitet ein Kind, den Hauptschulweg oder den Realschul weg? Deshalb wird es keine Leistungsabsenkung in der Re alschule geben. Das ist übrigens auch das, was ich mit Eltern immer wieder diskutiere. Die Eltern bringen entsprechende Sorgen zum Ausdruck. Deshalb ist es klar, dass wir dies in dieser Form trennen. Das Niveau der Realschule bleibt erhal ten. Das ist mir auch ganz wichtig.
Frau Ministerin, entscheidend für den Erfolg dieses Konzepts sind ja am Ende die Lehrerin nen und Lehrer in den Realschulen. Bereits in der vergange nen Legislatur wurde ja das Realschulkonzept auf den Weg gebracht. Wir haben schon damals zusätzliche Fortbildungs mittel für die Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung gestellt, allerdings nicht mit dem Erfolg, den man sich wünschen wür de. Denn die Fortbildungsmittel wurden nicht immer in dem Maß abgerufen, wie es möglich gewesen wäre.
Daher meine Frage: Gibt es Überlegungen, wie man Lehre rinnen und Lehrer stärker dazu animieren kann, Fortbildungs angebote anzunehmen und sich in diesem Bereich weiterzu qualifizieren, damit der Erfolg dieses Konzepts am Ende auch durch die Lehrerinnen und Lehrer gesichert wird?
Sie haben natürlich recht. Wie bei jeder Schule ist es ganz entscheidend, mit welcher Motivation und auch mit welchem Handwerkszeug die Lehrerinnen und Lehrer ausge rüstet werden. Natürlich reagieren wir in der Ausbildung auf die Herausforderungen in der jeweiligen Schule, aber ent scheidend ist – da haben Sie recht – das Thema Fortbildun gen; diese haben wir jetzt auch gezielt für den Bereich Real schule neu, also ab Schuljahr 2017/2018, weiterentwickelt, Stichwort „Beratung und Begleitung der Kollegen durch Fach beratertandems“, die an die Schule gehen. Wir machen Fach fortbildungen, auch auf der Basis von Heterogenität, im Rah men des neuen Bildungsplans, um die Lehrerinnen und Leh rer gezielt auf die veränderten Herausforderungen, beispiels weise auch in der Orientierungsstufe, vorzubereiten.
Sie haben in folgendem Punkt recht – das sage ich auch ehr lich –, und das ist jetzt nicht nur ein Thema ausgehend vom Realschulkonzept, sondern betrifft durchaus auch das Stich wort IQB und anderes. Es ist tatsächlich zu überlegen – dazu steht jetzt keine Entscheidung an, aber es ist grundsätzlich zu überlegen –: Wenn Sie heute die Bildungsstudie TIMSS le sen, sehen Sie, dass Deutschland das Land mit der geringsten
In der Bundesrepublik insgesamt ist die Bereitschaft der Leh rerinnen und Lehrer am geringsten. Das mag von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Gründe haben, aber es ist so. Wir überlegen durchaus – die Überlegungen sind intern noch nicht abgeschlossen, aber das muss man überlegen, weil es in anderen Bundesländern so etwas gibt –, ob es eine gewisse Pflicht zur Fortbildung geben kann –
nicht in allen Bereichen, aber in definierten Bereichen, bei de nen wir sagen: Wir erwarten, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer nachweislich fortbilden lassen, in den eigenen Fächern, die sie unterrichten, oder in anderen. Das sind tatsächlich Überlegungen, die wir im Haus anstellen. Die sind noch nicht abgeschlossen, aber diese Überlegungen gibt es. Sie gehen über die Realschule hinaus. Wir sehen da einen gewissen Handlungsbedarf und bewerten momentan, wie es in anderen Ländern auch über Deutschland hinaus gehandhabt wird. Aber das ist eine Überlegung, die bei uns im Haus bearbeitet wird.
Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank noch einmal für die Klarstellung, dass alle Schu len gleichwertig gefördert werden.
Jetzt habe ich eine Frage zu den Realschulen: Vom ehemali gen Kultusminister Stoch wurde die Weiterentwicklung der Realschule auf eine möglichst große Annäherung, auf eine breite Annäherung zur Gemeinschaftsschule vorgenommen. Das binnendifferenzierte Lernen wurde in der Gemeinschafts schule als Unterrichtskonzept in den Mittelpunkt gestellt. Nach dem bisherigen Konzept konnte jeder Schüler in der Ori entierungsstufe entweder auf grundlegendem Niveau oder auf mittlerem Niveau unterrichtet werden, was natürlich am En de der Klasse 6 zu komplizierten und kaum nachvollziehba ren Notenumrechnungen geführt hat.
Können Sie bitte noch einmal explizit und detailliert erläu tern, was sich jetzt in der Orientierungsstufe ändert?
Herr Lorek, genau das ändert sich in der Orientie rungsstufe. Es ist so, dass sich dort nicht mehr die unterschied lichen Niveaus widerspiegeln. Vielmehr wird in der Orientie rungsstufe, wie ich vorhin schon sagte, ausschließlich auf Re alschulniveau unterrichtet, und es werden die Kinder unter stützt, die dieses Niveau nicht leisten können. Diese werden dann, wie gesagt, in getrennten Gruppen oder Klassen oder, wenn es notwendig ist, auch einmal individuell gezielt geför dert. Das Grundniveau ist aber das Realschulniveau.
Ich glaube, das ist auch der richtige Weg, um nicht zu einer Verwaschung des Systems insgesamt zu kommen. Deshalb – ich wiederhole mich –: Realschule steht drauf, und Realschu
Frau Ministerin, noch ein mal zum Thema Fortbildung: Ich habe selbst leidvolle Erfah rungen mit dieser Verpflichtung gemacht. Vor Kurzem wurde auch im „Staatsanzeiger“ über das Thema diskutiert. Es gibt sicher andere Wege, die nach meiner Erfahrung geeigneter sind, um die Zahl der Fortbildungen zu erhöhen.
Wie ist denn Ihre Einschätzung dazu, den Schulleitungen, den Schulleiterinnen und Schulleitern, mehr Kompetenzen zuzu weisen? Denn diese wissen doch am ehesten, welche Fortbil dungen individuell für die Lehrerinnen und Lehrer und insge samt für die Schule gebraucht werden, um in Zukunft erfolg reich arbeiten zu können. Was halten Sie von dieser Überle gung, gerade bei diesem Konzept explizit die Schulleitungen zu stärken?