(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Woher wissen Sie denn das? Gibt es ein Urteil des Verfassungsgerichts? Gibt es nicht!)
haben alle Redner mit Ausnahme der AfD darauf hingewie sen, dass man erstens nicht alles verbieten kann, was man ab lehnt, schon gar nicht generell. Es haben aber auch alle Red ner von CDU, FDP/DVP über Grüne bis zur SPD gesagt: Aber man muss darüber nachdenken, ob man es in Teilen ablehnen kann.
Vor diesem Hintergrund wundert mich die Rede des Kollegen Lede Abal doch sehr, weil er jetzt auch die Frage, ob man es in Teilen tun kann, generell verneint. Deshalb frage ich mich schon, wenn man sich die Plenarprotokolle der ersten und der zweiten Lesung zum AfD-Gesetzentwurf anschaut, ob hier die Auffassung der Grünen eine einheitliche ist.
(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Das stimmt doch gar nicht! Sie sind doch unserer Gesetzesiniti ative beigetreten! Das stimmt doch gar nicht!)
Wir werden in Bezug auf die Punkte, bei denen wir etwas zu sagen haben – nicht dort, wo wir dem Bund sagen, was er ma chen soll,
Sie bekommen es nicht einmal hin, eine Neutralität im Ge richt zu gewährleisten. Darüber werden Sie noch in zwei Jah ren streiten, Kolleginnen und Kollegen.
Zum Gesetzentwurf selbst: Sie haben versucht – in Teilen ist es Ihnen auch gelungen –, die sehr schwierige Abwägung der Verfassungsgüter hinzubekommen. Beim Versammlungsge setz ist nach unserer Auffassung eine weitere Regelung nicht unbedingt notwendig; man könnte es bereits unter die beste henden Regelungen subsumieren. Im Hinblick auf das Beam tengesetz, auf das Landeshochschulgesetz und auch auf die Frage, wie in den Schulen verfahren werden soll, wollen wir noch einmal intensiv diskutieren.
Ich nehme die Aussage des Kollegen Lasotta ernst, die CDUFraktion nehme diesen Gesetzentwurf ernst. Deshalb regt die SPD-Landtagsfraktion an, dass wir gemeinsam im Ausschuss eine mündliche Anhörung beantragen, damit wir uns diesem Thema ausführlich widmen können und uns der Debatte öff nen, die auch außerhalb dieses Parlaments sehr intensiv ge führt wird – gerade aufgrund dessen, dass in anderen europä ischen Ländern entsprechende Gesetzgebung erfolgt –, und damit wir uns auch mit den verfassungsrechtlichen Fragen auseinandersetzen können.
Was den Antrag selbst im Hinblick auf die Regelungen im Bund angeht, schließe ich mich der Auffassung des Kollegen Lasotta an. Ich kann da vieles unterstreichen; vor allem darf ich einmal seine Ehrlichkeit in Bezug auf die Koalitionsräson hervorheben. Während andere das immer sehr umschreiben, sagt er, was Sache ist.
Vor diesem Hintergrund wollen wir auch keinen Beschluss fassen, der eigentlich nur das nachvollzieht, was bereits ge macht wird. Es gibt zum Bundesbeamtengesetz einen Vor schlag, der auch zeigt, dass es schwierig umzusetzen ist. Die StVO enthält hierzu Regelungen, und auch im Hinblick auf gerichtliche Verfahren wird im Bundesrat darüber verhandelt. Deshalb ist aus unserer Sicht nicht noch eine zusätzliche Auf forderung notwendig.
Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns diese Debatte im Ausschuss im Rahmen einer mündlichen Anhörung fortset zen, weil sie die Gelegenheit bietet, denen, die wir anhören, Fragen zu stellen und die bei uns noch offenen verfassungs rechtlichen Fragen zu klären, um dann in der zweiten Lesung zu einer Entscheidung zu kommen und mit einer Mehrheit die ses Parlaments ein verfassungsgemäßes Gesetz auf den Weg bringen zu können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Der von der FDP/DVP vorgelegte Gesetzentwurf trägt die Überschrift: „Gesetz zur Gewährleistung offener Kommu nikation und Identifizierbarkeit“. Das ist eine positive Zielan gabe, mit der wir zunächst alle kein Problem haben. Gut ist auch: Hier waren Autorinnen und Autoren am Werk, die das grundsätzliche Einmaleins der Gesetzgebung verstehen.
Die Initiatoren des Gesetzentwurfs haben darüber hinaus die zentrale Leitlinie der Landesregierung zu diesem Thema be stätigt. Es geht um anlassbezogene Verbote, da ein generelles Verbot von Gesichtsverschleierungen nicht verfassungskon form formuliert werden könnte.
Damit ist aber nur ein Teil der Mindestanforderungen erfüllt. Denn bei der Analyse des Gesetzentwurfs müssen wir die Fra ge in den Mittelpunkt stellen, wo im Einzelfall das Verbot ei ner Gesichtsverhüllung oder einer Vollverschleierung verfas sungsrechtlich zulässig erscheint.
Wie so oft steckt hier der Teufel im Detail. Um es aber auch heute wieder unmissverständlich zu betonen, sage ich gleich zu Beginn: Die Landesregierung lehnt die Vollverschleierung gesellschafts- und integrationspolitisch ab, weil sie im Gegen satz zur Verfasstheit unserer offenen Gesellschaft steht.
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Sehr gut!)
Wir lehnen sie auch ab, weil sie unserem Verständnis der Men schenrechte und der Stellung von Frauen in unserer Gesell schaft zuwiderläuft.
Die bisherige Diskussion zum Thema Gesichtsverschleierung hat aber eines gezeigt: Es geht hier gerade darum, dass wir al le Grundrechte abwägen und miteinander in einen Ausgleich bringen. Darin liegt die Herausforderung, der auch dieser Ge setzentwurf, den wir heute in erster Lesung beraten, nicht ge recht wird.
Zu dem ersten Punkt im Gesetzentwurf, der vorgeschlagenen Änderung des Versammlungsgesetzes: Durch die Streichung von Ausnahmen beim sogenannten Vermummungsverbot soll erreicht werden, dass Gesichtsverhüllungen bei öffentlichen Versammlungen künftig generell verboten sind.
Hier liegt aber der Hase im Pfeffer. Es steht nämlich durch aus infrage, ob ein generelles Verbot der Gesichtsverschleie rung nicht gegen unser Grundgesetz verstoßen würde. Wes halb sollten Frauen sich künftig zwar einzeln, aber nicht mehr
bei öffentlichen Veranstaltungen in einer Gruppe mit Gesichts schleier zeigen dürfen? Wiegt hier das unterstellte Ziel des Staates, nämlich durchgängig eine Identifizierbarkeit der Ver sammlungsteilnehmerinnen zu gewährleisten, tatsächlich stär ker als die berührten Grundrechte? Denn auch die Religions freiheit und die Versammlungsfreiheit sind hier berührt. Von einem etwaigen Verbot wären ja sogar solche Demonstratio nen betroffen, in denen sich Frauen mit Gesichtsschleier ge gen ihre eigene persönliche Situation zur Wehr setzen wollen. An dieser Stelle greift der Gesetzentwurf eindeutig zu kurz.
Ein zweiter Punkt ist die Änderung des Schulgesetzes. Rich tig ist: Wir brauchen eine offene Kommunikation an den öf fentlichen Schulen im Land.
Der Gesetzentwurf befasst sich auch mit praxisrelevanten De tailfragen. So sollen Gesichtsverhüllungen auch künftig im Chemieunterricht und bei Schultheateraufführungen erlaubt sein.
In wesentlichen Punkten greift der Gesetzentwurf aber wie derum zu kurz. Wir können das Schulgesetz kaum ohne vor herige verfassungsrechtliche Prüfung ändern. Dazu zwei Bei spiele: Wie stark wiegt die persönliche Religionsfreiheit bei Schülerinnen? Und: Wie ist es um den Kontakt mit Erzie hungsberechtigten bestellt? Darf eine vollverschleierte Mut ter künftig nicht mehr mit Gesichtsverhüllung zum Eltern abend kommen?
Wie ist in puncto Elternarbeit der Ausgleich zwischen dem Erziehungsauftrag der staatlichen Schulen und dem Grund recht auf Religionsfreiheit herzustellen?
Ähnlich ist es beim dritten Punkt im vorliegenden Gesetzent wurf, bei der vorgeschlagenen Änderung des Landeshoch schulgesetzes. Aus bildungspolitischer Sicht ist es selbstver ständlich wünschenswert, dass Studierende ohne Gesichtsver schleierung an den Vorlesungen und Seminaren teilnehmen.
Bloß erscheint die im Gesetzentwurf angeführte Begründung völlig unzureichend. Denn anders als in Gerichtsverhandlun gen ist hier ja nicht der Rechtsstaat in Gefahr. Es sind auch keine Menschenleben in Gefahr, wie es im Straßenverkehr der Fall ist. Wenn eine Frau bei Hochschulveranstaltungen frei willig einen Gesichtsschleier trägt, riskiert sie zunächst ein mal nur Kommunikationsdefizite.
Bevor wir also über ein mögliches Verbot der Vollverschleie rung an Hochschulen diskutieren, muss zunächst geklärt sein, ob dies grundgesetzkonform begründet werden kann. Diese Frage beantwortet der jetzige Gesetzentwurf eindeutig nicht.
Damit zum letzten Punkt, Stichwort Beamtengesetz. Es steht außer Frage, dass die Beamtinnen und Beamten sozusagen das Gesicht des Landes gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern sind. Wir müssen also prüfen, ob eine Gesichtsverschleierung während der Dienstzeit künftig gesetzlich zu untersagen ist.
Bevor wir dies tun, liegt aber eine andere Frage viel näher: Gibt es bei diesem Punkt aktuell überhaupt einen Regelungs bedarf?
Damit bin ich aber noch nicht ganz am Schluss. Es hakt auch noch an einer anderen Stelle, siehe nämlich die Ausführungen auf Seite 6 der Drucksache zu Artikel 2 des Gesetzentwurfs. Die Fraktion, die den Gesetzentwurf eingebracht hat, sollte hier meines Erachtens ihre Begründung zur Änderung des Landesbeamtengesetzes noch einmal grundsätzlich überden ken. Dort steht, dass der – ich zitiere – „Anschein einer Iden tifizierung des Staates mit einer Religionsgemeinschaft“ zu vermeiden ist. Ja, und gleichzeitig „Aber“. Soll das in der Konsequenz bedeuten, dass ein Richter mit jüdischer Kippa oder eine staatliche Lehrkraft mit Kreuzanhänger ebenfalls vom Staatsdienst ausgeschlossen sein sollen?