Damit bin ich aber noch nicht ganz am Schluss. Es hakt auch noch an einer anderen Stelle, siehe nämlich die Ausführungen auf Seite 6 der Drucksache zu Artikel 2 des Gesetzentwurfs. Die Fraktion, die den Gesetzentwurf eingebracht hat, sollte hier meines Erachtens ihre Begründung zur Änderung des Landesbeamtengesetzes noch einmal grundsätzlich überden ken. Dort steht, dass der – ich zitiere – „Anschein einer Iden tifizierung des Staates mit einer Religionsgemeinschaft“ zu vermeiden ist. Ja, und gleichzeitig „Aber“. Soll das in der Konsequenz bedeuten, dass ein Richter mit jüdischer Kippa oder eine staatliche Lehrkraft mit Kreuzanhänger ebenfalls vom Staatsdienst ausgeschlossen sein sollen?
Diese verschiedenen Punkte, Einwände, Fragen und Erwä gungen zeigen: Wir müssen erst einmal eine intensive und pro funde Diskussion führen. Dabei müssen wir alle Grundrech te abwägen und miteinander in einen Ausgleich bringen. Wir müssen Wege für die Praxis finden, die tatsächlich auch um setzbar sind. Die Zeit für diese Diskussion haben wir.
Wie Sie auch der Presse entnehmen können, arbeitet der Bund aktuell an einer Gesetzesvorlage, die das Thema Gesichtsver schleierung grundsätzlich regeln soll. Sobald dieser Gesetz entwurf vorliegt, werden wir klären, ob ergänzende Regelun gen auf Landesebene erforderlich scheinen. Die Landesregie rung steht hier zu ihrem Wort: Wir unterstützen sinnvolle In itiativen, mit denen erforderliche Regelungen beim Thema Gesichtsverschleierung, die noch fehlen, ergänzt werden sol len.
Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion ist zwar nicht in allen Aspekten grundfalsch,
Warten wir besser zunächst den Gesetzentwurf des Bundes ab. Erst dann wird klar sein, ob und gegebenenfalls an wel cher Stelle auf Landesebene überhaupt zusätzlicher Rege lungsbedarf besteht.
Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aus sprache beendet.
Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/896 zur Vorberatung an den Ausschuss für Inneres, Digitalisierung und Migration sowie zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Soziales und Integration zu überweisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so beschlossen.
Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 16/897. Ich schlage vor, den Antrag Druck sache 16/897 ebenfalls zur Vorberatung an den Ausschuss für Inneres, Digitalisierung und Migration und zur weiteren Be ratung an den Ausschuss für Soziales und Integration zu über weisen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist es so be schlossen.
Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Schränkt GrünSchwarz die Schulwahlfreiheit ein? – Drucksache 16/74
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die grün-rote Landesregierung hatte aus der verbindlichen Grundschulempfehlung eine echte Empfehlung der Grundschule gemacht und damit die Eltern rechte in Baden-Württemberg gestärkt und die gelingende Zu sammenarbeit zwischen Grundschullehrerinnen und Grund schullehrern auf der einen Seite und den Erziehungsberech tigten auf der anderen Seite auf eine gute, auf eine neue Ba sis gestellt.
Im Mittelpunkt steht nun das, was dem Selbstverständnis von Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern entspricht und was die Erziehungsberechtigten in dieser wichtigen Phase in der Erziehung und Begleitung ihrer Kinder suchen: das ge meinsame Gespräch über die Entwicklung des Kindes und nicht das Feilschen um Noten im Nachkommabereich.
Entsprechend wurden die Beratungsangebote für Eltern aus geweitet. Diese Beratungsangebote werden von Eltern ge nutzt. Die Empfehlung begleitet dabei diese Gesprächsmög
lichkeiten, ohne das Verhältnis zur weiterführenden Schule bzw. die Chancen des Kindes auf dieser Schule vorzuselek tieren.
So geht vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern zum Wohle des Kindes. Grün-Rot hat mit der Einfüh rung einer echten Grundschulempfehlung zum Wohl der Kin der gehandelt, die Elternrechte gestärkt, die Beratungsmög lichkeiten ausgeweitet und den Anliegen von Lehrerinnen und Lehrern entsprochen und so Baden-Württemberg tatsächlich – nicht nur in Worten, sondern auch in der Tat – ein ganzes Stück besser gemacht.
Dass dieses Zusammenspiel funktioniert, zeigen der Daten teil in der Stellungnahme zu unserem Antrag und die Statisti ken. In acht von zehn Fällen – in acht von zehn Fällen! – fol gen die Eltern bei der Schulwahl der Grundschulempfehlung – trotz freier Schulwahl. Die Beratung funktioniert, und die meisten Eltern nehmen ihre Verantwortung sehr bewusst wahr.
Diese erfolgreiche Entwicklung hat die SPD im Wahlkampf offensiv vertreten, und auch die Grünen haben diese erfolg reiche Entwicklung im Wahlkampf offensiv vertreten. Die CDU wollte etwas anderes. Getreu dem Motto „Wer bin ich – und, wenn ja, wie viele?“ wollte man zunächst die Grund schulempfehlung wieder zu einer verbindlichen Grundschul empfehlung machen. Als dies bei den Eltern nicht richtig an kam, weil die sich nicht so gern ihre Rechte wieder wegneh men lassen und sich belehren lassen, hat man stattdessen ge sagt: Man will der weiterführenden Schule die Grundschul empfehlung verpflichtend vorlegen lassen.
Insofern kann man festhalten: Die Grünen haben uns ja in der vergangenen Woche erklärt, dass sie grüne Parteitagsbeschlüs se nicht zu Gesetzen machen. Die Grünen geben sich aber viel Mühe dabei, dass CDU-Parteitagsbeschlüsse zu Gesetzen wer den. Denn wir merken jetzt an dem, was aus der Regierung kommt:
Die CDU setzt sich hier durch. Es soll eine verbindliche Vor lage der Grundschulempfehlung bei der weiterführenden Schu le geben. Und Ministerpräsident Kretschmann klatscht bereits in der ersten Pressemitteilung vom 15. November dafür Ap plaus.
Eines ist aber klar: Sie bedienen damit das, was auf CDU-Par teitagen gewünscht oder bei CDU-Kreiskonferenzen bespro chen wird und was wir dann im „Südkurier“ und anderen Zei tungen lesen können. Weder den Kindern noch den Eltern noch den Lehrerinnen und Lehrern erweisen Sie damit einen Dienst. Denn wenn der weiterführenden Schule die Empfeh
lung vorgelegt werden muss – nichts anderes hat die grünschwarze Regierung jetzt beschlossen –, dann fürchten Eltern, dass ihrem Kind auf der neuen Schule nicht unvoreingenom men begegnet werden kann, dass eine „Schubladisierung“ stattfinden kann.
Es ist gut, dass derzeit alle Kinder in Baden-Württemberg auf grund der Schulwahlentscheidung ihrer Eltern – nach guter Beratung in der Grundschule – auf eine weiterführende Schu le gehen. Grün-Schwarz will die Kinder in zwei Schubladen stecken: einmal die für die Kinder, die trotz einer anderen Empfehlung auf der betreffenden Schule sind, und einmal die für die Kinder, die wegen der Empfehlung auf der betreffen den Schule sind. Zwei Schubladen, das machen wir in der SPD nicht mit. Das ist der Grund unseres Antrags, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Eltern wollen ihr Kind nicht in eine Schule schicken, die sie als Erstes verpflichtet, ein Dokument vorzulegen, in dem mög licherweise steht, dass ihr Kind eigentlich eine andere Schu le besuchen sollte.
(Abg. Anton Baron AfD: Oh! – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Ist das den Kindern gegenüber ehrlich?)
Darum: Wer sagt, dass eine solche Pflicht nicht die Schulwahl freiheit einschränkt, weiß nicht, welche Sorgen sich Eltern um ihre Kinder machen.
Der Leistungsgedanke des baden-württembergischen Schul systems wird durch Ihre Überlegungen und Ihre Regierungs beschlüsse konterkariert. Sie reduzieren die Chancen der Kin der auf ein Dokument. Wenn Ministerpräsident Kretschmann sagt, der Blick in die Grundschulempfehlung sei für die wei terführende Schule für die Gruppenbildung von Bedeutung, dann macht das deutlich, warum sich die Eltern um ihre Schul wahlfreiheit und um die Möglichkeit, in guter Zusammenar beit mit der Grundschule die passende weiterführende Schu le zu finden, Sorgen machen – berechtigte Sorgen, die grünschwarze Politik auslöst.
Dass die Zusammenarbeit von Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern und den Eltern an dieser entscheidenden Schnittstelle Gold wert ist, machen auch die Studien deutlich, die sich ernsthaft damit beschäftigen, wie wir Entwicklungs möglichkeiten, Leistungsgedanken und Chancengerechtigkeit zusammenführen können.
Die Studie „Leistungsdiagnostik und soziale Ungleichheiten in der Schule“ im Auftrag der Vodafone Stiftung von 2011 et wa hat deutlich gemacht: Bei gleicher Leistung im standardi sierten Test und gleichen Noten entstehen zu 23,4 % unter schiedliche Schulempfehlungen nach Schichtzugehörigkeit der Elternhäuser.
Zu 25,5 % entsteht die soziale Verzerrung bei der Emp fehlungsvergabe durch ungleiche Notenvergabe bei glei cher Leistung während der Grundschulzeit.
Die grün-rote Landesregierung hat mit der Einführung einer echten Grundschulempfehlung einen ideologiefreien, am Wohl der Schülerinnen und Schüler orientierten, leistungsgerechten, Chancen eröffnenden, die Schulwahlfreiheit mit Leben erfül lenden und die gelingende Zusammenarbeit der Lehrerinnen und Lehrer mit den Eltern verfestigenden Weg beschritten. Grün-Schwarz nimmt jetzt die Abzweigung in die Sackgasse der Schubladen.