Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

Die grün-rote Landesregierung hat mit der Einführung einer echten Grundschulempfehlung einen ideologiefreien, am Wohl der Schülerinnen und Schüler orientierten, leistungsgerechten, Chancen eröffnenden, die Schulwahlfreiheit mit Leben erfül lenden und die gelingende Zusammenarbeit der Lehrerinnen und Lehrer mit den Eltern verfestigenden Weg beschritten. Grün-Schwarz nimmt jetzt die Abzweigung in die Sackgasse der Schubladen.

Heute hat der Landtag aber mit unserem Antrag die Chance, deutlich zu machen, dass er diesen grün-schwarzen Weg in die Sackgasse nicht nimmt, sondern dass wir an dem erfolg reichen baden-württembergischen Weg der guten Zusammen arbeit

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

zwischen Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern so wie Eltern zum Wohl der Kinder festhalten. Darum unser An trag.

Danke für die Aufmerksamkeit, liebe Kolleginnen und Kol legen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Abg. Born, Herr Abg. Dr. Kern hat noch eine Frage. Lassen Sie diese zu?

Bitte, Herr Abg. Dr. Kern.

Herr Kollege Born, herzli chen Dank, dass Sie meine zwei Fragen zulassen, die ich an Sie habe.

Sie haben von Statistiken gesprochen. Kennen Sie denn die Statistik, wie sich die Sitzenbleiberzahlen an den Realschu len bzw. an den Gymnasien in der fünften Klasse landesweit im Schnitt entwickelt haben, nachdem die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung – aus meiner Sicht überhastet und überstürzt – abgeschafft wurde? Kennen Sie diese Zahlen? Wie lauten sie denn?

(Abg. Reinhold Gall SPD: Die stehen da drin!)

Auswendig kenne ich sie nicht.

(Abg. Reinhold Gall SPD zu Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Die stehen da drin! Die können Sie in der Stellungnahme lesen!)

Wir haben ja heute auch einen anderen Antrag zu beraten.

Ich kann es Ihnen sagen: An der Realschule haben sich diese Zahlen um 500 % und am Gymnasium um 300 % erhöht. Wie bewerten Sie denn diese Steigerung jeweils?

Wir gehen davon aus, dass an den Schulen optimal gefördert werden soll und gefördert wird. Das hat nichts mit der Freiheit der Schulwahl zu tun. In acht von zehn Fällen wird entsprechend der Grundschulempfehlung

vorgegangen. Wenn Sie die beiden Statistiken über Kreuz le gen, können Sie daraus auch erkennen, dass es nicht automa tisch zum Sitzenbleiben führt, wenn man sich nicht an die Empfehlung hält.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Danke für die Zwischenfrage.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Frau Abg. Boser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grundschulempfehlung in Baden-Württem berg bleibt nach wie vor unverbindlich,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

und am Ende zählt die Wahlfreiheit der Eltern, egal, ob die Grundschulempfehlung der weiterführenden Schule vorgelegt werden muss oder nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Völlig richtig! So ist es!)

Genau das ist für uns auch das Entscheidende an der Grund schulempfehlung. Die Eltern brauchen eine gute Beratung im Vorfeld, damit sie diese verantwortungsvolle Entscheidung am Ende auch gemeinsam mit ihren Kindern fällen können. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren bereits das Bera tungskonzept ausgebaut, und es wird in Zukunft auch weiter ausgebaut.

Ich war gerade erst an einer Grundschule, die intensiv dabei ist, ihr Beratungskonzept nochmals zu überprüfen, damit El tern durch die gesamte Grundschulzeit hindurch genau die Be ratung bekommen, die sie brauchen, um diese verantwortungs volle Entscheidung treffen zu können. Ich glaube, genau das ist ein entscheidender Faktor, damit die Eltern diese Wahlfrei heit zum Wohle ihrer Kinder nutzen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Ich finde in diesem Zusammenhang noch einen zweiten Fak tor entscheidend, nämlich das Vertrauen der Eltern in die wei terführenden Schulen in Baden-Württemberg. Die Eltern ha ben natürlich das Bedürfnis, dass ihre Kinder den bestmögli chen Bildungserfolg haben, dass die Kinder die besten Bil dungschancen haben. Das ist absolut verständlich. Deswegen brauchen die Eltern die Gewissheit, dass die Schulen in Ba den-Württemberg – egal, an welcher Schule ihr Kind ange meldet wird – ihnen genau diese Chancen eröffnen, dass die Durchlässigkeit in unserem System gewährleistet ist und an allen Schulen den Kindern alle Möglichkeiten offenstehen. Das ist das Entscheidende, damit Eltern ihre Kinder an den Schulen anmelden, die für ihre Kinder das Richtige darstel len.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Wir haben bereits vor 2011 festgestellt, dass die Eltern dieses Vertrauen in die weiterführenden Schulen nicht mehr haben, dass die Eltern immer häufiger Schwierigkeiten haben, bereits

in der vierten Klasse die Entscheidung zu treffen. Es gab im mer mehr Eltern, die gegen die damalige, verbindliche Grund schulempfehlung Widerspruch eingelegt haben. Immer mehr Eltern haben aber auch beispielsweise Kinder mit Gymnasi alempfehlung in den Realschulen angemeldet, wo sie auch nicht unbedingt immer so gefördert und gefordert wurden, wie es nötig ist.

Deshalb war es auch so wichtig, eine Schulart einzuführen, die den Eltern nicht diese Entscheidung in der vierten Klasse abverlangt, sondern ihnen zunächst einmal die Gewissheit gibt, dass – egal, welche Begabung das Kind hat – die Kinder genau auf ihrem Leistungsniveau gefördert werden. Deswe gen war die Einführung der Gemeinschaftsschule ein wichti ges Signal an die Eltern in Baden-Württemberg: Hier könnt ihr eure Kinder anmelden, egal, welche Begabung sie mitbrin gen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Nivellierung nach unten! Das ist ja immer das Gleiche!)

Die Grundschulempfehlung wird bei uns in Baden-Württem berg in der Zukunft sowieso immer weniger Aussagekraft ha ben. Wenn zukünftig auch an den Realschulen der Hauptschul abschluss angeboten wird, während die Gemeinschaftsschu le sowieso alle Kinder auf einem Niveau unterrichtet und das Gymnasium bereits jetzt zu 85 % von Eltern gewählt wird, deren Kinder eine Gymnasialempfehlung haben, stellt sich das Problem meines Erachtens überhaupt nicht. Die Eltern können sich darauf verlassen, dass ihre Kinder an den Schu len in Baden-Württemberg bestmöglich gefördert werden und dass die Grundschulempfehlung eine Orientierung gibt, wo sich die Kinder am besten untergebracht fühlen können.

(Beifall bei den Grünen)

Ich will noch auf einen Punkt eingehen, der uns in der Debat te um die Grundschulempfehlung immer mit am wichtigsten war: Ich habe das Vertrauen in die Lehrerinnen und Lehrer, dass sie die Kinder dort abholen, wo sie stehen. Deswegen halte ich es nach wie vor nicht für entscheidend, ob die wei terführende Schule weiß, wo das Kreuz auf der Grundschul empfehlung ist. Das kann ihnen vielleicht noch einmal die Möglichkeit geben, mit Eltern ins Gespräch zu kommen. Aber als Mutter, die das in diesem Jahr selbst mitgemacht hat, kann ich sagen: Damit die Lehrerinnen und Lehrer wissen, wo die Kinder stehen, sind die Lernstandserhebungen in Klasse 5 ent scheidend.

(Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Da haben die Lehrerinnen und Lehrer ein objektives Instru ment, anhand dessen sie nachvollziehen können, welchen Leistungsstandard die Klasse hat, welchen Leistungsstandard das einzelne Kind hat, um ihm entsprechend eine individuel le Förderung zukommen zu lassen. Genau das ist das entschei dende Instrument, damit Lehrerinnen und Lehrer Ansätze fin den, um zu wissen, wo sie die Kinder fördern und fordern kön nen. Das ist, glaube ich, viel entscheidender als das Kreuz auf der Grundschulempfehlung – ob sie vorgelegt wird oder auch nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Ich glaube, das schadet der Argumentation überhaupt nicht. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die Grundschulempfehlung zukünftig vorgelegt wird. Das ha ben wir jetzt auch in dem Gesetzentwurf umgesetzt. Ganz klar ist darin geregelt, dass die Wahlfreiheit der Eltern nicht beein flusst wird. Am Ende steht die Wahlfreiheit der Eltern.

Ich glaube, es ist richtig, dass man in diesem Zusammenhang den Lehrerinnen und Lehrern das Vertrauen entgegenbringt, dass ihr Interesse darin liegt, die Kinder da zu fördern und zu fordern, wo sie stehen. Dieses Vertrauen haben wir.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehe ich die Diskussion sehr entspannt. Ich glaube, die Schulen in unse rem Land wissen ganz genau, wie sie die Kinder am besten fördern können. Ich habe das Vertrauen in die Eltern, dass sie die richtige Wahl für ihre Kinder treffen und die Beratung im Vorfeld als ein wichtiges Instrument annehmen.

In diesem Sinn unterstützen wir nach wie vor die Wahlfreiheit der Eltern bei uns im Land Baden-Württemberg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Röhm das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Frau Boser, Sie haben, glaube ich, schon das richtige Wort gesagt. Wir sind völlig entspannt, weil wir dieses Wahlrecht nicht einschränken wollen. Ich habe aber ein gewisses Verständnis dafür, dass die SPD-Fraktion hier ei ne Chance sieht, die Eltern zu verunsichern,

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Ach! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das haben Sie fünf Jahre lang gemacht!)

was aber mit der heutigen Debatte keinesfalls gelingen wird.