Protokoll der Sitzung vom 30.11.2016

Es ist also nichts Neues, wenn eine Idee aus unserem Land – meist in Form von Produkten – letztendlich Millionen von Menschen in der ganzen Welt erreicht. Es ist aber durchaus etwas Ungewöhnliches, wenn eine Idee – Herr Kollege Glück, da geht es nicht um Städte und Gemeinden – aktuell 165 Bun desstaaten

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Regionen!)

und Regionen in dieser Welt mit über einer Milliarde Men schen erreicht. Genau das ist uns mit der Klimaschutzinitiati ve, die unter dem Titel „Under 2 MOU“ läuft, gelungen.

Lieber Herr Glück, wenn man im internationalen Geschäft un terwegs ist, spielt das Schwäbische keine so große Rolle und spielt auch das Deutsche keine so große Rolle, sondern dann kommt man am Schluss nun einmal zu solchen Begriffen, wie ich sie gerade genannt habe. Ich werde nachher auch noch sa gen, was dahintersteckt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vergangene Woche, genau er gesagt am Sonntag vor acht Tagen, ist die Weltklimakon ferenz in Marrakesch zu Ende gegangen. Sie hat in der Folge von Paris letztlich ermutigende Zeichen gesetzt, dass die Welt gemeinschaft die Herausforderungen zur Begrenzung der Erd erwärmung mittlerweile sehr ernst nimmt.

Das Klimaabkommen von Paris – ich habe es eben schon er wähnt; es wurde im Dezember letzten Jahres geschlossen – wurde zur Überraschung vieler sehr schnell ratifiziert. Am 4. November hatten 100 Staaten, darunter auch die USA, da runter China – 100 Staaten! –, das Abkommen von Paris rati fiziert. Zum Vergleich: Beim Kioto-Abkommen, dem soge nannten Vorläuferabkommen von Paris, hat es sieben Jahre gedauert, bis es ratifiziert war. Die Amerikaner waren nicht dabei, die Australier waren nicht dabei, die Russen waren nicht dabei. Es sollte zu denken geben, dass es nach Paris die se globale Dynamik in Bezug auf den Klimaschutz gibt.

Das alles hat nicht im Entferntesten damit zu tun, dass da ir gendwelche obskuren grünen Geister am Werk wären, die den

Leuten irgendetwas einimpften wie: „Der Klimaschutz ist im Gange.“

Meine Damen und Herren, wie gesagt, das Klimaabkommen von Paris hat dem Klimaschutz weltweit einen kräftigen Schub gegeben. Es geht nicht mehr länger um das Ob, sondern es geht spätestens seit Paris um das Wie. Das ist auch bitter not wendig, wie die aktuell veröffentlichten Daten – beispielswei se des Norwegischen Meteorologischen Instituts – deutlich machen: Auf der Inselgruppe Spitzbergen wurde das seit Be ginn der Klimaaufzeichnungen im Jahr 1898 wärmste Jahr re gistriert. Am Nordpol war es im Oktober 9 bis 12 Grad Cel sius wärmer, als das üblicherweise der Fall ist. Was die Erwär mung in Baden-Württemberg betrifft, so hat Kollege Schwarz dazu bereits einige Ausführungen gemacht. Umso wichtiger ist es, dass wir ein Zeichen setzen und hier auch Verantwor tung übernehmen.

Meine Damen und Herren, Baden-Württemberg hat die Initi ative übernommen. Darauf dürfen wir hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch stolz sein.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Kern unserer internationalen Aktivitäten ist das sogenannte „Under 2 MOU“, das Memorandum of Understanding, eine gemeinsame Absichtserklärung, die wir auf unsere Initiative hin gemeinsam mit Kalifornien konzipiert haben. Diese Er klärung wurde im Mai letzten Jahres erstmals mit zehn wei teren Regionen bzw. Bundesstaaten beim Besuch von Minis terpräsident Kretschmann in Sacramento unterzeichnet. Die Unterzeichner des MOU verpflichten sich darin zu folgenden Punkten:

Erstens: Sie leisten mit der Unterzeichnung ihren Beitrag zur Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels und dazu, die Treibhausgas emissionen pro Einwohner und Jahr auf unter 2 t zu begren zen, und zwar bis zum Jahr 2050.

Zweitens: Die Unterzeichner verpflichten sich zum Austausch und zur Zusammenarbeit auf den Gebieten Klimaschutz und Klimaanpassung.

Und schließlich drittens: Sie verpflichten sich zur Offenlegung ihrer in ihren jeweiligen Regionen beschlossenen Maßnah men und Programme mit dem Ziel, dass anschließend bei den Klimaschutzmaßnahmen, die getroffen werden, auch ein Mo nitoring durchgeführt werden kann, um zu sehen, ob man er folgreich ist oder nicht. Das heißt, es geht auch darum, dass wir uns gegenseitig verpflichten, darauf zu achten, ob wir auf einem guten Weg sind oder nicht. Dies gilt wohlgemerkt mitt lerweile für 165 Regionen dieser Welt.

Unser Ansatzpunkt dabei ist – Kollege Nemeth hat es bereits erwähnt –: Klimaschutz geht uns alle an. Liebe Kolleginnen und Kollegen, je konkreter wir vor Ort handeln und auch Vor bild sein können, umso besser.

„Under 2 MOU“ ist deshalb ein Klimaschutzbündnis von Re gionen und Bundesstaaten – also nicht zwischen Staaten, so, wie das bis dahin, bis Paris, der Fall war, wo wir in ganz er heblichem Umfang Scheitern erlebt haben. Ich nenne die Weltklimakonferenz in Cancun, ich nenne Kopenhagen, ich nenne Doha. Immer dann, wenn die Staaten verhandelt haben,

hatten wir Misserfolge. Die Grundüberlegung war, einmal zu versuchen, hier aus den Regionen heraus die Debatte im Vor feld von Paris zu bereichern. Ich glaube, auch wir haben ei nen Beitrag dazu geleistet, dass Paris letztendlich ein Erfolg war.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Lassen Sie mich noch sagen: Es ist möglich – und es ist auch gelungen –, dass hier nicht nur Industrieregionen, Industrie staaten zusammensitzen, sondern dass auch Regionen aus Ent wicklungsländern, aus Schwellenländern, aus sich entwickeln den Volkswirtschaften bei dieser Initiative mitmachen.

Meine Damen und Herren, seit der ersten Unterzeichnung ist die Klimaschutzallianz „Under 2 MOU“ zu einer Erfolgsge schichte geworden. Wie ich eben schon erwähnt habe, zählen wir mittlerweile 165 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner bzw. Unterstützer dieses Projekts aus 33 Ländern und sechs Kontinenten. Diese 165 Regionen repräsentieren 1,1 Milliar den Menschen und ein Bruttoinlandsprodukt von 27,5 Billio nen US-Dollar und damit 35 % der Weltwirtschaft.

Der noch amtierende UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sag te über unsere Initiative Folgendes – ich zitiere –:

Dies ist bis heute das weltweit ehrgeizigste Bekenntnis von Staaten und Regionen zum Klimaschutz auf der Welt.

(Abg. Anton Baron AfD: Bekenntnis!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, um den Fortbestand der Un der-2-Initiative abzusichern, benötigen wir mittelfristig auch finanzielle Unterstützung. Wir waren beispielsweise intensiv im Gespräch mit verschiedenen großen Stiftungen weltweit. Wir waren aber auch im Gespräch mit dem Bundesumwelt ministerium, und wir haben mittlerweile die Zusage des Bun desumweltministeriums, dass die Bundesregierung bereit ist, das Under-2-Netzwerk zukünftig zu unterstützen – ein wich tiger Erfolg und ein deutliches Zeichen, dass die Bedeutung dieses Under-2-Netzwerks für die internationalen Klimaschutz bemühungen auch von der Bundesregierung anerkannt wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das zeigt anderen, bisher noch zögerlichen Partnern, dass hier etwas von Bestand und von Gewicht entstanden ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Marrakesch wurde ver kündet, dass die nächste Weltklimakonferenz unter der Präsi dentschaft der Fidschi-Inseln im kommenden Jahr auch wie der im November, diesmal in Bonn, stattfinden wird. Dies wä re eine herausragende Gelegenheit, die Weiterentwicklung des Under-2-Projekts auf internationaler Bühne zu präsentieren. Deshalb beantragen wir gegenwärtig auch die Anerkennung unseres Netzwerks als offizielle Intergovernmental Organiza tion bei den Vereinten Nationen. Wenn das gelingt, haben wir nämlich als eigenständige Partei Zutritt zu der Verhandlungs zone bei der nächsten Weltklimakonferenz in Bonn, um dort mit den Kaliforniern und gemeinsam mit bis dahin voraus sichtlich über 200 Regionen weltweit – das ist das Ziel für das kommende Jahr, das wir uns gesetzt haben – unser Projekt prominent zu platzieren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Schritt auf die inter nationale Bühne war und ist ein herausragender Erfolg für die Landesregierung. Wir können auf Augenhöhe mit den welt weit wichtigsten Wirtschaftsregionen zusammenarbeiten. Wir konnten uns als Mitinitiatoren des „Under 2 MOU“ internati onal einen Namen machen, und wir sind in der globalen Kli maschutz-Community in aller Munde, auch wenn der Name Baden-Württemberg für viele der Beteiligten schwer auszu sprechen ist.

Eine Idee aus Baden-Württemberg, liebe Kolleginnen und Kollegen, treibt den internationalen Klimaschutz mit voran. Erlauben Sie mir zu sagen: Das ist ein Erfolg für uns alle, je denfalls für einen Großteil dieses Parlaments; denn in vielen Fragen – darauf haben auch Vorredner von mir bereits hinge wiesen –, die den Klimaschutz betreffen, gibt es hier im Par lament eine große Mehrheit.

(Abg. Anton Baron AfD: Wie lange? Wie lange noch?)

Ich sage nur: Das ist die große Mehrheit, die wir im Jahr 2013 bei der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes hatten.

(Beifall des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE)

Wer hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Klimawandel noch ernsthaft anzweifelt, der lebt wirklich in postfaktischen Zeiten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Abschließend, verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeord nete, möchte ich unseren Freund und Mitstreiter, den amtie renden kalifornischen Gouverneur Jerry Brown zitieren – üb rigens mit 78 Jahren zehn Jahre älter als unser Ministerpräsi dent.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Ist das eine Ankündigung? – Heiterkeit – Abg. Andreas Stoch SPD: Was will uns Herr Untersteller sagen? Die CDU hat Schluckbe schwerden! – Abg. Dr. Nils Schmid SPD: Die CDU erbleicht! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Win nie und Jerry!)

Ich habe ihn kennengelernt, und ich sage Ihnen: Er ist einer derjenigen, die mich in den letzten Jahren wirklich tief beein druckt haben, auch mit seinem Engagement in der Klimapo litik. Jerry Brown hat Folgendes gesagt – lassen Sie mich zi tieren –:

Aufgrund der globalen Herausforderungen müssen Re gierungen überall wirkungsvolle Maßnahmen treffen. Jetzt ist die Zeit für Entscheidungen. Lasst es uns anpa cken.

Oder wie er es ausdrückte: „It’s time to act.“

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die CDU-Fraktion – Herr Abg. Schwarz hat keine Redezeit mehr – Herrn Abg. Haser. Es ist seine erste Re de. Daher bitte ich, zum einen von Zwischenfragen abzuse

hen, und zum anderen insgesamt um etwas mehr Ruhe. Vie len Dank.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Er hat schon ein mal gesprochen, Frau Präsidentin!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen Dank für den Welpenschutz. Es ist meine zweite Plenar rede, aber die erste in einer Aktuellen Debatte.

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sehr gut!)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wie so häu fig in der zweiten Runde einer Aktuellen Debatte ist auch jetzt schon vieles gesagt. Ich möchte den Blick noch etwas weiten und mich nicht zu sehr mit den Ausführungen und den Zwi schenrufen der AfD beschäftigen; das haben wir im Ausschuss schon getan.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Wir können zwei Fehler bei dieser Debatte machen. Der ers te Fehler ist in der Tat das Kleinreden dieses Problems und die Ignoranz, dass wir offensichtlich durch unsere Lebenswei se diesem Planeten Schaden zufügen. Wer diesem Planeten Schaden zufügt, fügt letztlich auch den nachfolgenden Gene rationen Schaden zu. Deswegen sollte es, denke ich, in unser aller Verantwortung sein, dieses Problem nicht zu ignorieren.