Protokoll der Sitzung vom 08.02.2017

schlusskriterium war, Menschen mit Behinderung dort woh nen zu lassen. Wir haben jetzt gemeinsam mit den wohnungs baupolitischen Sprecherinnen und Sprechern und mit Minis terin Hoffmeister-Kraut ein Investitionsförderprogramm für den Wohnraumbereich auf den Weg gebracht, das auch Men schen mit Behinderung Wohnmöglichkeiten bietet, wofür wir keine Sonderförderprogramme brauchen. Das ist nämlich In klusion. Wir fördern Beine und nicht Steine. Das ist Inklusi onspolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU – Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Lassen Sie mich näher auf die neuen Akzente eingehen, die wir in dieser Legislaturperiode setzen möchten.

Beginnen möchte ich mit dem Pakt für Integration. Sie wis sen, Baden-Württemberg hat den Vorsitz der Integrationsmi nisterkonferenz. Ich glaube, besser als wir kann kein Land das von uns gewählte Motto „Integration schafft Zusammenhalt“ von der Soforthilfe zur Alltagsintegration umsetzen.

Für die Integration von Geflüchteten stellt das Land den Kom munen in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 160 Millionen € zur Verfügung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Stefan Teufel CDU)

Davon sind jeweils 70 Millionen € für Integrationsförderpro gramme vorgesehen. 90 Millionen € werden jeweils pauschal den Kommunen für die Anschlussunterbringung gewährt. Da durch erreichen wir zwei wichtige Ziele. Erstens: Mit den Mit teln für die Integrationsförderprogramme wird das Land sei ner Steuerungsverantwortung gerecht. Und zweitens: Mit den Pauschalmitteln gewähren wir den Kommunen einerseits ein hohes Maß an Flexibilität, und gleichzeitig bringen wir ihre lokale, kommunale Expertise und Sondersituation mit in das gemeinsame Programm ein.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Wölfle?

Ja, von mir aus. Aber dann müssen wir einmal vorankommen.

Sie müssen nur Ja oder Nein sagen.

Ja, ja.

Also ja. – Kollegin Wölf le, bitte.

Vielen Dank, dass Sie die Zwi schenfrage zulassen, Herr Minister. – Der Bund gibt ja dem Land über die Pauschale genau 760 Millionen €. Aber das Land behält 400 Millionen € davon für sich. Sie haben gera de ein paar Summen genannt. Glauben Sie nicht, dass eine Weitergabe der vollen Summe gerade jetzt, da die Integration vor Ort in den Kommunen beginnt, extrem wichtig ist?

Ich glaube, dass Ihre Summenbildung nicht ganz stimmt, weil Sie viele Einzelteile haben. Aber ich kann Ihnen sagen, welche Rückmeldungen es aus den Verhandlungen mit den kommu nalen Landesverbänden gibt. Ich hatte letzte Woche ein halb finales Gespräch mit Roger Kehle vom Gemeindetag. Wir sind uns einig, dass wir mit unseren Mitteln und die Kommunen mit den Mitteln, die sie einbringen, in großem Maß für die In tegrationsmanager, über die ich dann noch reden werde, die richtigen Hilfen anbieten. Mit dem Programm erreichen wir also genau die Bedürfnisse, die die Kommunen uns gegen über artikuliert haben.

(Zuruf der Abg. Sabine Wölfle SPD)

Im Mittelpunkt stehen die Geflüchteten, die seit 2015 nach Baden-Württemberg gekommen sind und nun in den Städten und Gemeinden leben werden. Aber sämtliche im Pakt vorge sehenen Integrationsmaßnahmen können auch grundsätzlich allen Migrantinnen und Migranten mit Bleibeperspektive of fenstehen. Uns geht es darum, die Menschen vor Ort so zu in tegrieren, dass aus Geflüchteten Mitbürgerinnen und Mitbür ger werden, dass aus Betroffenen Beteiligte werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Stefan Teufel CDU – Staatssekretärin Bärbl Mielich: Genau!)

Die Kommunen spielen in diesem Prozess eine herausragen de Rolle. Denn wo sonst als direkt vor Ort wird über das Ge lingen von Integration entschieden? Das unmittelbare Lebens umfeld entscheidet doch, ob wir uns willkommen fühlen und wirklich heimisch werden können. Mit dem Pakt für Integra tion werden jedoch keine dauerhaften gesetzlichen Verpflich tungen des Landes gegenüber den Kommunen eingegangen; vielmehr geht es darum, die nun zusätzlich entstandenen Mehr bedarfe gemeinsam zu bewältigen.

Zentraler Gegenstand des Pakts für Integration wird die För derung von sogenannten Integrationsmanagern sein. Ihre Auf gabe ist die gezielte Stärkung der Selbstständigkeit und Selbst verantwortung im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe. Viele Ge flüchtete, die sich erst kurz in Deutschland aufhalten, finden sich im Alltag eben noch nicht zurecht und können ihr Leben noch nicht komplett eigenständig organisieren. Die Nutzung bereits vorhandener Angebote setzt Information, Beratung und oftmals auch Begleitung der Geflüchteten voraus. Und mal ganz ehrlich: Unser Sozialsystem ist sehr stark von unter schiedlichen Zuständigkeiten geprägt und gleicht manchmal einem bürokratischen Dschungel. Orientierung und ein guter Kompass sind unerlässlich, um Geflüchtete an die KommStrukturen der Regelsysteme heranzuführen.

Daher sind zwei Hauptaufgaben für die Integrationsmanager vorgesehen: Sie haben eine Lotsen- und Wegweiserfunktion und gewährleisten soziale Beratung und Begleitung.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Zielgruppe des Investitionsmanagements sind junge Erwach sene, erwachsene Geflüchtete in der Anschlussunterbringung. Ungeachtet der Ausrichtung an den Bedarfen von Flüchtlin gen mit Bleibeperspektive können geeignete Angebote auch neu zugewanderten Migranten und Migrantinnen mit Bleibe perspektive grundsätzlich offenstehen. Eine enge Verzahnung

und Zusammenarbeit mit den kommunalen Integrationsbeauf tragten ist dabei zwingend. Das ist ein Erfolgsmodell, lieber Kollege, das wir da gemacht haben.

Wenn es im Einzelfall um Qualifikationsnachfragen ging, so ist es halt immer wieder normativ, dass bestimmte Tätigkei ten bestimmte Qualifikationen erfordern.

(Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP)

Bei den Integrationsmanagern haben wir uns jetzt mit der kommunalen Familie auf ein anderes Verfahren verständigt, sodass wir allen Ansprüchen gerecht werden können.

(Abg. Jürgen Keck FDP/DVP: Das ist aber neu!)

Wir haben über 350 Integrationsbeauftragte. Die letzte Aus schreibung war wieder überzeichnet. Es ist also ein Erfolgs modell. Wir bilden gute Leute für die Mischung zwischen Ver waltung und Bürgerarbeit aus. Dadurch ergeben sich wichti ge Synergieeffekte.

Als Bindeglied zwischen Geflüchteten und Zivilgesellschaft werden die Integrationsmanager dazu beitragen, dass diese Geflüchteten Teil der Zivilgesellschaft werden, indem sie Zu gänge zu Vereinen, Initiativen, Mehrgenerationenhäusern schaf fen. Andererseits können sie bürgerschaftlich engagierte Ein heimische einbinden und somit Unterstützung erhalten. Die Bürgerinnen und Bürger sind Experten in eigener Sache, und diese Expertise müssen wir nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Wir sind sowieso davon überzeugt, dass Integration nur ge lingt, wenn wir die gesamte Zivilgesellschaft einbinden. Die beste Wertevermittlung und der beste Ausdruck unseres ge sellschaftlichen Wertefundaments war und ist die überwälti gende Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. „Die offene und ak tive Bürgergesellschaft ist das stärkste Bollwerk gegen extre mistische Strömungen“, so hat es Ministerpräsident Kretsch mann hier gesagt, und ich kann mich ihm nur anschließen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Deshalb lohnt sich jeder Cent, den wir in den Pakt für Integ ration stecken. Das ist notwendig und gut investiertes Geld, auch in die Zukunft unserer Gesellschaft.

Ein weiterer Leuchtturm des Ministeriums ist die sektoren übergreifende Gesundheitsversorgung. Ich bin davon über zeugt, dass wir unser Gesundheitswesen weiterentwickeln und weiter verbessern können und müssen. Wenn wir die Gesund heitsversorgung wirklich am Patienten ausrichten wollen, dann müssen wir auch unser strenges Sektorendenken über winden und aufgeben.

Die Bereiche der medizinischen Versorgung, der Pflege sowie der Gesundheitsförderung und -prävention müssen wir zu künftig noch besser miteinander vernetzen. Deswegen haben wir das Modellprojekt „Sektorenübergreifende Versorgung“ initiiert. Zentral ist dabei die Zusammenarbeit und Vernetzung der unterschiedlichen Leistungserbringer. Eine solche Zusam menarbeit ist aus unserer Sicht zwingend notwendig, zum ei nen um die Qualität und die Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten, zum anderen um die Angebote besser auf den einzelnen Patienten abzustimmen.

Was heißt das konkret? Im Rahmen einer sektorenübergrei fenden Konzeption müssen hausärztliche, ambulante, statio näre und fachärztliche sowie pflegerische Behandlungsleis tungen mit Angeboten zur Prävention, zur Gesundheitsförde rung, zur Rehabilitation, zur Arzneimittelversorgung sowie mit Leistungen von Sozialeinrichtungen und ehrenamtlichen Strukturen sinnvoll verzahnt werden. Dies erfordert ein hohes Maß an Koordination und guter Zusammenarbeit aller zustän digen Akteure im Gesundheitswesen.

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, unter Einbindung des Sekto renübergreifenden Landesausschusses Eckpunkte für die zu künftige Versorgungsstruktur in Baden-Württemberg mit re levanten Akteuren sowie den Patientinnen und Patienten zu erarbeiten. Zur Umsetzung dieses Auftrags wurde eine Ar beitsgruppe des Sektorenübergreifenden Landesausschusses eingerichtet.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Digitalisierung ist für die medizinische Versorgung, die Pflege und für den Erhalt der Selbstständigkeit im Alter eine Riesenchance. Nicht nur für den ambulanten und den stationären Bereich, sondern auch für die sektorenübergreifende Versorgung insgesamt, den Pflegebereich oder auch für die personalisierte Medizin spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle.

Wir wollen diese Möglichkeiten in Baden-Württemberg best möglich nutzen. Das Kabinett hat noch im letzten Jahr die res sortübergreifende Digitalisierungsstrategie „digital@bw“ be schlossen. Wir haben unsererseits jetzt einen Beirat eingerich tet, und weil unsere Konzeptexpertise so überzeugend ist, hat sogar der Abteilungsleiter des Bundesgesundheitsministeri ums Schenk seinen Besuch angekündigt und wird er bei die ser Beiratseröffnung einen Impulsvortrag halten,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Ach?)

weil er den baden-württembergischen Weg als richtig ansieht. Sie sehen also, wir sind schon mitten im Umsetzen.

Ein Baustein der Strategie ist die Digitalisierung im Gesund heitsbereich. Das ist eine äußerst komplexe Thematik, die sehr viele, wenn nicht fast alle gesundheitspolitischen Bereiche umfasst.

Auch aus Sicht der Enquetekommission „Pflege“ müssen die Potenziale der Digitalisierung mit abgebildet werden. Wir set zen für die Gesamtkonzeption der digitalen Agenda 4,3 Mil lionen € ein. Wir führen nicht wieder – wie häufig in der Ver gangenheit – isolierte Modellprojekte durch, sondern wir le gen das Geld so an, dass dadurch auch gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung und anderen Akteuren struktu rell dauerhafte Angebote entwickelt werden können.

Lassen Sie uns noch einen kurzen Blick auf die Enquetekom mission „Pflege“ und deren Ergebnisse werfen. Wir haben in den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag und jetzt für den Haushalt 3 Millionen € – so würde ich sagen – erkämpft, um die Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission auf den Weg zu bringen. Wir konzentrieren uns in einem ers ten Schritt auf die Umsetzung von Quartiersentwicklungsstra tegien, weil wir aus der Expertise der Enquete wissen, dass wir damit mit dem wenigsten Geld die höchsten Effekte er

zielen, indem wir Stadtteilmanagement betreiben, um Hilfen für die Menschen, die sie vor Ort brauchen, auch beim Leben in Pflege und mit Behinderung zu ermöglichen.

Gleichzeitig schöpfen wir das bürgerschaftliche Engagement in den Dörfern und den Kommunen optimal aus. Unser Mi nisterium wird jetzt, sobald der Haushalt beschlossen ist, ein Programm auflegen, bei dem wir solche Innovationen mit den Trägern vor Ort umsetzen.

Ich möchte an dieser Stelle noch sagen, dass es Baden-Würt temberg war, dem es gelungen ist, im PSG III Modellprojek te im Bereich der Pflege für die Kommunen zu ermöglichen und zu erschließen. Das war unsere Initiative. Auch das wer den wir mit in diesen Programmablauf einbauen.

Des Weiteren ist uns der „Zukunftsplan Jugend“ sehr wichtig; Kollege Poreski und andere haben es angesprochen. Da muss ich schon einmal sagen, dass wir erst einmal Chaos, Verunsi cherung und auch ein wenig Zwietracht vorgefunden haben. Auf meine Vorgängerin lasse ich sonst nichts kommen, aber zum „Zukunftsplan Jugend“ gab es von der Vorgängerin selbst nichts. Innerhalb der Exekutive gab es zwar entsprechende Strömungen, aber in der Zusammenarbeit mit den Vertretern der Jugendhilfe kam nichts mehr richtig zustande. Wir haben den Sommer genutzt, das zu ordnen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Zeltlager! – Vereinzelt Heiterkeit bei der SPD)