Herr Präsident, verehr te Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute die Aufhebung eines Gesetzes beraten, das der Landtag erst vor zwölf Tagen beschlossen hat, ist in der Tat ungewöhnlich.
Aber wir kommen damit einem öffentlichen Diskussionsinte resse nach, das wir, wie es Kollege Schwarz bereits gesagt hat, ausdrücklich anerkennen.
Auch wir wollen, dass die Entscheidung über die Ausstattung der Abgeordneten die politische Legitimität erhält, die sie in einer repräsentativen Demokratie tatsächlich braucht.
Das Bundesverfassungsgericht verlangt eindeutig und ab schließend, dass Abgeordnete über ihre finanzielle Stellung selbst entscheiden müssen. Das ist ein logischer und auch ein zwingender Schluss aus dem Demokratieprinzip des Grund gesetzes. Insofern geht es hier – das will ich schon feststellen – keineswegs um Selbstbedienung, sondern es geht ganz klar um die legitime Ausübung einer konkreten verfassungsrecht lichen Pflicht.
Dennoch ist uns bewusst: Wann immer wir als Abgeordnete in eigener Sache entscheiden, sind wir auf einem schmalen Grat unterwegs. Wir wollen diese besondere Verantwortung mit der nötigen Sensibilität wahrnehmen. Deshalb hat der Landtag schon während der vorangegangenen Legislaturpe riode – es wurde vom Kollegen angesprochen – mit einer Überprüfung der Abgeordnetenleistungen begonnen. Ziel war es, die Effekte der Parlamentsreform, die übrigens seit 2006 gewirkt hat, fundiert zu bewerten.
Es war immer klar, dass nach zehn Jahren evaluiert werden muss, zumal wir damals übrigens den Status des Abgeordne ten in seiner Rechtsstellung grundsätzlich geändert haben, nämlich ihn dem Bundestagsabgeordneten rechtlich gleichge stellt haben. Das hat – und zwar nicht wegen der Erhöhung von Diäten – zu Inkompatibilitäten geführt, die damals große Diskussionen ausgelöst haben. Sie kennen alle den Satz, das Bonmot von Professoren; sinngemäß kann man sagen: Das Parlament ist mal voller und mal leerer, aber immer voller Lehrer. Landesbeamte im aktiven Dienst durften seitdem nicht mehr im Parlament sein. Bürgermeister durften nicht mehr im Parlament sein. Landräte – bei uns waren fünf Landräte in der Fraktion – durften nicht mehr im Parlament sein. Ich sage das deshalb, weil man in einer Gesamtbetrachtung auch diesen Rückblick vornehmen sollte.
Die beschlossenen Änderungen waren deshalb mitnichten ei ne plötzliche Hauruckentscheidung. Sie waren Ergebnis eines Prüfungsprozesses, den die vier Fraktionen, in diesem Fall auch mit Aktivität der vier parlamentarischen Geschäftsfüh rer, intensiv beraten haben, mit fachlicher Unterstützung auch der Landtagsverwaltung.
Ich räume gern ein: Wir haben es versäumt, diese Beratungen transparent zu führen, die Argumente offenzulegen und um Akzeptanz für unsere Lösungen zu werben. Das war ohne Fra ge, ex post betrachtet, ein Fehler. Deshalb akzeptieren wir die Kritik. Es ist immer wichtig – auch dadurch lebt Demokratie –, dass man aus Fehlern lernt und diese korrigiert. Das tun wir heute.
Dabei ist mir wichtig: Auch Landtagsabgeordnete brauchen Ressourcen, die es ihnen erlauben, ihr Mandat mit den wach senden Anforderungen professionell auszuüben. Denn auch sie haben eine wichtige Kontrollaufgabe, übrigens gerade ge
genüber der Exekutive. Es ist auch wichtig, dass die Abgeord neten als Legislative neben der Gesetzgebung auch die Kon trolle der Exekutive auf Augenhöhe wahrnehmen können.
Dass wir hier im Landtag künftig die Hälfte dessen für Kos tenpauschale oder qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung ha ben, worüber die Kollegen im Deutschen Bundestag verfü gen, halten wir deshalb für maßvoll und auch für gerecht. Auch ich bin davon überzeugt. Deshalb wird dieser mit der ganz breiten Mehrheit von vier Fraktionen gefasste Teil auch in Kraft treten.
Aber die politisch besonders sensible Frage der Altersversor gung – darum ging es auch in vielen Tausenden Mails – wer den wir noch einmal in aller Gründlichkeit und ergebnisoffen diskutieren – da will ich dem Kollegen Schwarz ausdrücklich recht geben –, und zwar ohne Weisung, in völliger Unabhän gigkeit. Verbände können ihre Argumente dort vortragen. Die Landtagspräsidentin wird das koordinieren müssen und auch führen müssen. Die Fraktionen müssen ihre Vorschläge brin gen.
Meine Damen und Herren, dann wird zu prüfen sein, ob die Beträge, die mir gestern der Kollege Bullinger und der Kol lege Nelius mitteilten – sie sagten, sie hätten für die letzten zehn Jahre Anwartschaften von 630, 640 € in der Altersver sorgung angesammelt –, angemessen sind
Ich empfehle jedem auch die Lektüre der Drucksache der Di ätenkommission im Deutschen Bundestag unter Vorsitz von Professor Schmidt-Jortzig. Er hat dort z. B. gesagt:
Die Abgeordneten sind nicht die einzigen Akteure in die sem öffentlichen Diskurs, wenn sie den Bürgern, ihren Or ganisationen und Verbänden, ihren Forderungen, Kriti ken und Protesten unmittelbar Rede und Antwort stehen. Wenn sie im Wahlkreis und in der gesamten Öffentlichkeit politische Entscheidungen erklären, rechtfertigen, kriti sieren oder sonst zu ihnen Stellung nehmen müssen, sind sie aber die Einzigen, die in Wahlen zur Rechenschaft ge zogen werden können – und nicht der Beamte, Wissen schaftler, Journalist, Experte oder Netzwerkakteur. Hier liegt die Quelle für das über Fachkenntnisse hinausrei chende politische Wissen, das die besondere Rolle des Ab geordneten ausmacht und ihm jene integrative Repräsen tation der Bürger bei Gesetzgebung und Regierungskon trolle ermöglicht.
Dafür werden von Abgeordneten Fähigkeiten erwartet, die auf unterschiedlichsten Ebenen liegen und in her kömmlichen Berufswelten selten eine ähnliche Breite auf weisen.
So der Bericht. Ich kann jedem die Lektüre nur empfehlen. Anderthalb Jahre lang haben sich Sachverständige mit diesen Fragen befasst, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Deshalb wollen wir uns – das wurde gesagt – auf den Rat und die Autorität von diesen externen Experten stützen. Wir wol len die Frage nach der guten Ausgestaltung, der angemesse nen Höhe der Alterssicherung klären, und das unabhängig, ge recht und transparent. Das sage ich als einer derjenigen, die von dieser Frage gar nicht persönlich betroffen sind. Das ist wahr. Aber ich finde, auch für die, die in den letzten zehn Jah ren in den Landtag gekommen sind, und die, die in Zukunft kommen werden, gilt: Wir wollen wertige, auch hochwertige Möglichkeiten, damit das Mandat auch in Zukunft seine Wer tigkeit behält. Das ist ein wichtiges Anliegen für die Demo kratie insgesamt und für den Parlamentarismus.
Wir öffnen mit dieser Expertenkommission Raum, wir schaf fen Zeit für Fakten, auch für Argumente, und wir wollen da mit die Öffentlichkeit für die künftige Regelung gewinnen. Das ist in der jetzigen Betrachtung nach der kritischen Dis kussion der vergangenen Tage der richtige Weg.
Theodor Eschenburg, der Begründer der Tübinger Politikwis senschaft, sah in der Altersversorgung für Abgeordnete einen – Zitat –
Gerade in diesen Zeiten brauchen wir unabhängige, kompe tente und freie Abgeordnete. Das heißt, auch Abgeordnete müssen für ihre Zeit im Parlament Versorgungsansprüche er werben können, deren Höhe der Verantwortung eines Abge ordneten für durchschnittlich 150 000 Bürgerinnen und Bür ger eines Wahlkreises und für einen Landesetat, über den wir gerade gesprochen haben, in Höhe von 48 Milliarden € ent spricht und außerdem ihre verfassungsrechtliche Stellung wi derspiegelt.
Die parlamentarische Demokratie einer höchst kompli zierten Wirtschafts- und Industriegesellschaft, in der Rechtsstaat, Freiheit und Pluralismus entscheidend mit hilfe der politischen Parteien aufrechterhalten werden sollen, verlangt vom Abgeordneten... den ganzen Men schen,...
So hat es das Bundesverfassungsgericht in seinem Diätenur teil 1975 festgestellt. Ich kenne viele Kolleginnen und Kolle gen, die sieben Tage mit einer 70-Stunden-Arbeitswoche un terwegs sind. Die Termindichte nimmt ständig zu. Die sozia len Medien schaffen einen ganz neuen Kommunikationsdruck. Hinzu kommen Wahlkampfaufwand und, was bisher noch gar nicht angesprochen wurde, das Abwahlrisiko alle fünf Jahre. Auch das muss man, glaube ich, im Auge behalten, wenn man über die Stellung des Abgeordneten im Vergleich zu vielen anderen spricht. Abgeordneter zu sein ist eben in jeder Hin sicht kein Durchschnittsjob. Auch das muss Teil einer fairen öffentlichen Würdigung sein.
Herr Kollege, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen, nachdem ich eine Zwischenfrage schon nicht mehr zulassen kann, weil Ihre Redezeit abgelau fen ist.
Ja. Ich komme zum Schluss. – Auch das muss Teil einer fairen öffentlichen Wür digung sein. Insofern will ich heute als überzeugter und auch leidenschaftlicher Parlamentarier für den Wert der Arbeit von Abgeordneten werben. Es ist die wichtige, es ist die anstren gende und, finde ich, auch die erfüllende Arbeit in der Herz kammer der repräsentativen Demokratie. Damit wird sich die Expertenkommission auseinandersetzen müssen. Das ist der Auftrag.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Man muss sich schon die Frage stellen, warum Ihre Ausführungen, Herr Rein hart, erst heute hier so waren, obwohl Sie doch gerade aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 zitiert haben und ich davon ausgehen kann, dass Sie dieses Urteil möglicherweise auch vor zwölf Tagen schon kannten.
Das Bundesverfassungsgericht hat in aller Eindeutigkeit klar gelegt, dass die Abgeordneten ihre Vergütung und ihre Unter stützung selbst festlegen müssen, aber dass dies selbstver ständlich unter der Kontrolle der Öffentlichkeit zu erfolgen hat.