(Abg. Andreas Stoch SPD: Ich werde Ihnen die Zi tatstelle gern im Laufe des Plenartags nachliefern!)
Vielleicht ein Satz der Nachdenklichkeit zu der Debatte, die wir gerade geführt haben. Wissen Sie, ich kenne die Türkei relativ gut – so gut man sie halt als Tourist kennt.
Ich war sehr, sehr häufig in diesem Land. Ich schätze die Freundlichkeit dieser Menschen. Ich wehre mich stark dage gen, dass wir die Türkei jetzt sehr, sehr stark rein mit der Po litik des Herrn Erdogan identifizieren. Die Türkei hat eine stark kemalistische Prägung, eine demokratische Prägung – die auch existiert –, und diese droht angesichts der Betrach tung der Erdogan-Türkei ein wenig unter die Räder zu gera ten.
Betrachten Sie das bitte nicht als eine Relativierung. Ich ha be hier Wehrhaftigkeit eingefordert, und ich stehe uneinge schränkt dazu.
Die Türkei ist kulturell auf einem abschüssigen Weg gelan det. Wir müssen der Türkei dabei helfen, von diesem Weg wegzukommen. Doch das tun wir nicht, indem wir die Unge heuerlichkeiten des Herrn Erdogan in unserem Land auch noch zulassen. Das ist der springende Punkt.
Ich wehre mich allein dagegen, die Türkei und damit das tür kische Volk in toto damit sozusagen unter einen totalitären Generalverdacht zu stellen. Das ist ganz sicherlich nicht der Fall – nach aller Erfahrung, die ich aus diesem Land habe.
Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Strobl, Sie ha ben einen Satz gesagt – ich denke, es war vielleicht der wich tigste Satz Ihrer Rede –,
den ich ausdrücklich unterstreiche. Sie sagten: „Wir lassen uns unseren Rechtsstaat nicht schlechtreden...“ In der Tat, so ist es.
Diese Diskussion und der Ausgangspunkt dieser Diskussion sind nicht von der Frage geleitet, ob unser Rechtsstaat funk tioniert oder nicht; das tut er. Vielmehr ist die entscheidende Frage, was Wehrhaftigkeit einer Demokratie bedeutet und wo die Grenze erreicht ist, an der eine Demokratie wehrhaft wer den muss. Auch wenn Sie sagen, das Versammlungsrecht ob liege den Kommunen, haben Sie völlig recht. Es ist in diesem Haus, glaube ich, Konsens, dass Gaggenau und andere das Versammlungsrecht korrekt angewendet haben.
Aber es ist auch klar, dass sich diese Diskussion nicht bei der Fragestellung um das Versammlungsrecht erschöpft. Vielmehr ist die entscheidende Frage, wie wir mit jenen umgehen, die die Demokratie abschaffen wollen, und wie wir mit jenen um gehen, die Volksverhetzung betreiben.
Sie haben einen weiteren Satz gesagt, Herr Strobl, den ich ebenfalls voll unterstreiche. Ich darf ihn zitieren: „Es gelten für alle die gleichen Spielregeln“, ohne Ansehen der Person. Das muss dann aber auch für Herrn Erdogan gelten. Und es reicht eben nicht, wenn die Kanzlerin sagt: „Ich weise das zu rück“, wenn der Innenminister von Baden-Württemberg sagt: „Ich weise das zurück“, so nach dem Motto: „Receple, das sagst du aber nicht mehr.“
Das reicht eben nicht, meine Damen und Herren. Und bei nächster Gelegenheit wird er dann wieder mit militärischen Ehren in Berlin empfangen, und wenn er nach Deutschland kommen will, um seine Hetztiraden auf deutschem Boden ab
„Wehrhaftigkeit der Demokratie“ bedeutet, dass man auch über Sanktionierung redet. „Ohne Ansehen der Person“ be deutet eben: Wer die Demokratie infrage stellt, wer Volksver hetzung betreibt, der wird eben auch sanktioniert. Da wird nicht nur gesagt: „Es geht nicht.“
Deshalb ist die Schlussfolgerung: Wenn sich jemand so äu ßert wie Herr Erdogan, reicht es nicht, zu sagen: „Wir weisen das zurück“, sondern da muss man eine klare Grenze setzen und sagen: „Du kommst nicht in unser Land, um deine Hass tiraden auf unserem Boden abzulassen.“
ich möchte Sie doch an die Kurzlebigkeit Ihres Gedächtnis ses erinnern: Vieles von dem, was Sie heute gesagt haben, ha ben Sie vor einem halben Jahr noch als nationalistisch und is lamophob diffamiert.
und wir finden es natürlich gut, dass sich Herr Rülke hier so dezidiert gegen die Volksverhetzung ausspricht, die z. B. in dem Statement zum Ausdruck kommt, dass die Türken hier in Deutschland unterdrückt würden wie in der Nazi-Diktatur. Das ist ein Originalzitat des türkischen Außenministers Ca vusoglu. Das ist Volksverhetzung.
Aber was unternehmen wir dagegen? Reicht es, Einreisever bote für türkische Politiker auszusprechen, ein Einreiseverbot für Erdogan auszusprechen, Verbote von Wahlveranstaltun gen zu verfügen? Sicherlich ist das notwendig. Aber das reicht nicht. Wir müssen an den strukturellen Kern der Sache heran gehen, und der liegt darin – wie ich Ihnen vor zwei, drei Mo naten schon einmal gesagt habe –: Der gefährlichste Islamis mus ist der DITIB-Islamismus. Deswegen muss eine unbe dingte Konsequenz aus der jetzigen Affäre das Verbot dieser Organisation sein, die hier die Bürger bespitzelt und die der direkte, verlängerte Arm von Erdogan zur Umsetzung seines totalitären Konzepts ist.
Was bedeutet denn die doppelte Staatsbürgerschaft? Das be deutet in diesem Zusammenhang, dass Hunderttausende – wenn nicht Millionen – Erdogan-Anhänger hier direkt in die deutsche Innenpolitik eingreifen können und die Wahlen maß geblich beeinflussen können.
Meine Damen und Herren, die Politik der Türkei ist nicht ganz neu. Man kann in gewisser Weise sogar sagen, sie knüpft an die Politik von 1529 und 1683 an.
(Lachen bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Die Türken vor Stuttgart, oder was? Meine Güte!)