Protokoll der Sitzung vom 22.03.2017

Meine Damen und Herren, aufgrund der späten Sommerferi en sind wir in Baden-Württemberg in einer besonderen Situ ation. Einheitlich den 1. August als Einstellungsdatum vorzu sehen und auch Entlassungen zum 31. Juli vorzunehmen wä re das Sinnvollste – am besten in ganz Deutschland. Dann kä men die neuen Junglehrer nicht in den unwürdigen Zustand, sich zu Anfang der Sommerferien arbeitslos melden zu müs sen. Normalerweise müssten sie dem Arbeitsamt, dem Job center zur Verfügung stehen, und sie dürften auch keine Feri en machen, also nicht verreisen. Dies ist eine eigenartige Re gelung. Die Entlastung des Landeshaushalts erfolgt damit qua si auch nur in einer Umverteilung. Hartz IV oder Arbeitslo sengeld – je nach beruflicher Vorsituation – bezahlt ja schließ lich der Bund.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Ein Griff in die Sozialkas sen!)

Meine Damen und Herren, wir wollen doch die besten Vor aussetzungen für die jungen Lehrer zum Anfang ihrer Berufs tätigkeit. Sie sollen mit Kraft und Begeisterung in ihr erstes Jahr in der Anstellung hineinkommen.

Dasselbe gilt auch für die Vertretungslehrkräfte. Diese Tätig keit ist mangelausgleichend und damit kräftezehrend und ner vig. Der Arbeitgeber hat auch hier seiner Fürsorgepflicht nach zukommen und diese Lehrkräfte auch über die Sommermo nate im Anstellungsverhältnis zu belassen.

Selbstverständlich muss sich das Kultusministerium vorbe halten, Vertretungslehrkräfte nach Bedarf einzustellen. Doch wenn laut Stellungnahme des Ministeriums 400 Lehrkräfte über mehrere Schuljahre lediglich befristet eingestellt wur den, ist dies für mich ein Zeichen mangelhafter Planung.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Dieser Zustand ist unglaublich und sollte schnellstmöglich be endet werden.

Eine gewisse Verwunderung hat bei mir die Begründung her vorgerufen, für eine Beschäftigung in den Sommerferien be stehe kein Rechtsgrund.

Ich darf zitieren:

Eine Beschäftigung ohne einen solchen Rechtsgrund wür de zu unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen führen,

wodurch das Prinzip der Bestenauslese bei der Einstel lung durchbrochen wäre.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Gründe für die Einstellung sind doch neben der Bestenausle se die verschiedenen Bedarfe in unterschiedlichen Fächern und vor allem die Konkurrenzsituation zu anderen Bundes ländern und die Konkurrenzsituation zu anderen Arbeitgebern. Wenn das Land unattraktiv agiert, dann werden sich gute Leu te sehr schnell nach anderen Arbeitgebern umschauen.

Glücklicherweise gibt es ja noch Bewerber, die Lehrer sein wollen. Deshalb sollten wir gute Bedingungen bieten und die Leute nicht deutlich schlechter stellen als deren Studienkol legen, die inzwischen bei Daimler oder bei SAP tätig sind. Statt der Bestenauslese hätten wir dann eine Negativauslese nach dem Motto: Wer in der Industrie nichts Gescheites be kommt, geht zum Staat.

Meine Damen und Herren, es ist offensichtlich, dass das nie mand von uns haben möchte. Hier ist dringend Abhilfe zu schaffen. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Kern.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Als ich den heute vorliegenden An trag der Fraktion der SPD sah, überlegte ich mir zunächst, ob ich mich jetzt eher freuen oder doch eher ein bisschen verär gert sein sollte. Eines jedenfalls ist unstrittig: Die Entlassung der Referendare und Vertretungslehrer in die Arbeitslosigkeit zu Beginn der Sommerferien ist ein unwürdiger Zustand, den jede Landesregierung schnellstmöglich beseitigen sollte, lie be Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD)

Ärgerlich am Antrag der SPD-Fraktion ist aber, dass die So zialdemokraten in ihrer Regierungszeit keinerlei Verbesserun gen in dieser Angelegenheit vorgenommen haben, und das trotz vollmundiger Versprechungen und entsprechender Be schlüsse.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Mehrfach habe ich im Namen der FDP/DVP-Landtagsfrakti on in der vergangenen Legislaturperiode beantragt, den Miss stand der erzwungenen sechswöchigen Arbeitslosigkeit für Referendare zu beseitigen. Ich verweise auf die Landtags drucksachen 15/25, 15/5433 und 16/79. Einmal kassierte die grün-rote Regierungsmehrheit einen unserer Anträge mit ei nem eigenen Antrag. Dieser war zwar unverbindlicher als das Original der FDP/DVP, aber immerhin wurde so die Absicht beschlossen, etwas für die Referendare zu unternehmen. Ge schehen ist aber nichts.

Immerhin räumt die SPD in ihrem Antrag ihr Versäumnis ein; mit dem Koalitionspartner sei das nicht zu machen gewesen.

(Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)

Es ist der SPD durchaus abzunehmen, dass die Grünen bei dieser Frage im Bremserhäuschen saßen; denn sie tun das schließlich auch noch heute.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD und der SPD)

Allerdings stellte damals die SPD den Kultusminister. Da muss man schon sagen: Bei entsprechendem Willen hätten Sie dies auch gegenüber den Grünen durchsetzen können.

Nachdem nun Rot durch Schwarz an der Spitze des Kultus ministeriums ausgetauscht wurde, ist eine Frage entscheidend: Wie stark ist der Wille der CDU, für die Referendare und Ver tretungslehrer und gegen die Grünen in der Koalition zu kämp fen?

(Zuruf: Ja!)

Deshalb frage ich Sie, Frau Kultusministerin: Welche Priori tät auf einer Skala von 1 bis 10 besitzen bei Ihnen die Refe rendare, und welche Priorität haben die befristet angestellten Vertretungslehrkräfte? Frau Ministerin, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir diese konkrete Frage beantworten könnten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD)

Meine ersten Versuche, herauszufinden, wie es um den Kamp fesmut der CDU bestellt ist, brachten bisher leider sehr er nüchternde Ergebnisse. Einen Antrag zur Beseitigung der sechswöchigen Arbeitslosigkeit bei Referendaren lehnte auch die nunmehr grün-schwarze Regierungsmehrheit ab, und auch ein Versuch, das Problem der Entlassung von befristet ange stellten Lehrerinnen und Lehrern im Falle einer Folgebeschäf tigung im kommenden Schuljahr anzugehen, war vergebens.

Vielleicht lag es an unserem Gegenfinanzierungsvorschlag, dass unser Antrag abgelehnt wurde, nämlich dass auf die 100 zusätzlichen Stellen in den Ministerien, die mit der Regie rungsneubildung geschaffen wurden, hätte verzichtet werden sollen. Da die Grünen im Wesentlichen in ihren Ämtern blie ben und die CDU auf Mitarbeiter aus ihrer langjährigen Re gierungszeit bis 2011 zurückgreifen konnte, konnten wir Frei en Demokraten die Notwendigkeit für die Neustellen nicht er kennen. Leider verschloss sich Grün-Schwarz auch diesem Vorstoß. Dabei hätte mit den frei werdenden Mitteln ein Ein stieg in die Beseitigung des unwürdigen Zustands unternom men werden können.

Um dem Lehrermangel entgegenzuwirken, geht die Kultus ministerin mittlerweile auf pensionierte Lehrer zu bzw. bietet Lehrern kurz vor der Pensionierung die Weiterbeschäftigung an. Die FDP/DVP-Fraktion unterstützt diese Maßnahme aus drücklich,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Danke!)

auch wenn wir skeptisch sind, ob diese Maßnahme ausreicht.

Vielmehr brauchen wir nach unserer Auffassung ein ganzes Maßnahmenbündel zur besseren Gewinnung von Lehrkräf ten. Nach dem Willen der FDP sollte angehenden Lehrern deutlich früher als bisher eine Einstellungszusage gegeben werden. Die Schulen sollten außerdem mehr Eigenverantwor

tung bei der Lehrerauswahl und ein eigenes Personalbudget erhalten.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Vor allem aber müssten die Arbeitsbedingungen für Lehrer dringend verbessert werden. Eine sechswöchige Arbeitslosig keit bei Referendaren und bei Vertretungslehrern sowie eine um bis zu 8 % abgesenkte Eingangsbesoldung bei angehen den Beamten tragen überhaupt nicht dazu bei,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Deshalb haben wir es ja geändert!)

dem Lehrerberuf die entsprechende Attraktivität zu verleihen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Wir Freien Demokraten fordern die Kultusministerin nach drücklich auf, mehr Mut zur Kreativität bei der Lehrergewin nung, aber auch mehr Mut zur Auseinandersetzung mit dem grünen Koalitionspartner erkennen zu lassen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Frau Ministerin Dr. Eisenmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr ten Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir über dieses Thema diskutieren können. Es ist ein wichtiges Thema. Des halb ist es, wie ich meine, auch richtig, dass wir dies mit kon tinuierlicher Wiederholung in unterschiedlichen Verantwor tungen regelmäßig jedes Jahr aufs Neue tun. Ich stelle mich daher auch gern Ihren Fragen und Anregungen.

Die SPD-Fraktion hat diese Debatte beantragt. Herr FulstBlei, Sie haben durchaus selbstkritisch eingeräumt, dass die ses Thema in der letzten Legislaturperiode, als die SPD den Finanzminister, die Sozialministerin und den Kultusminister gestellt hat, offensichtlich nicht ganz so weit oben auf der Pri oritätenliste stand. Dass man aber einen Monat, nachdem man nicht mehr in der Verantwortung ist, festgestellt hat, da gebe es Nachholbedarf, zeigt: Es ist nie zu spät, um klüger zu wer den. Frau Boser, Sie haben dies, wenn ich Sie richtig zitiere, „Regierungsdemenz“ genannt. Das halte ich für eine nicht ganz fehlerhafte Bezeichnung. Ich muss schon sagen: Res pekt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das finde ich unverschämt! Unverschämt ist das!)