(Abg. Martin Rivoir SPD: Schicksalsgemeinschaft! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Man kann es verstär ken!)
Es wird sich sicherlich einiges wiederholen. Ein paar Punkte habe ich doch, die ich neu beitragen kann und die vielleicht noch nicht bekannt sind.
Was sind schon fünf Minuten im Vergleich mit 70 Jahren Nichtausbau der Gäubahn? So lange lässt der Ausbau schon auf sich warten. Es wird höchste Zeit. Vielleicht liegt es auch daran, dass tatsächlich der Name „Gäubahn“ assoziiert, es gin ge um ein kleines Bimmelbähnchen,
das über die Schwäbische Alb oder durch den Schwarzwald tuckert. Vielleicht ist das mit ein Grund. Also: Wenn die Stre cke ertüchtigt ist, sollten wir uns dringend einen anderen Na men, eine neue Bezeichnung
für diese wichtige Strecke im Herzen von Europa überlegen – Herr Rivoir hat es angedeutet, alle anderen Vorredner nicht. Wir können nicht nur von der Verbindung Baden-Württem berg–Schweiz reden, sondern müssen sogar von der europäi schen Hauptstrecke reden, die vom Norden bis tief nach Ita lien, in den Süden, führt.
Die Dringlichkeit wurde schon angesprochen. Das Projekt wurde jetzt in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Man versucht händeringend, den 1996 geschlossenen Vertrag von Lugano zu erfüllen – im Übrigen auf den letzten Drücker.
Die Schweizer Seite – auch das wurde schon angesprochen – hat ihre Hausaufgaben – auch dieses Wort ist schon gefallen – tatsächlich gemacht. Die Schweizer stehen mit den Gleisen, mit den Bahnhöfen, die sie gerichtet haben, an der Grenze pa rat. Im Übrigen wurden diese oftmals mit deutschen Bau trupps hergerichtet und ertüchtigt. Mit dem Durchstich des Gotthard-Basistunnels wurde vonseiten der Schweiz das letz te Häkchen gesetzt.
Im Übrigen wird von der Schweiz auch signalisiert: Wir sind jetzt auf dem letzten Drücker. „Auch wir, die Schweizer“ – ich spreche jetzt für die Schweizer –, „haben die Möglichkeit, in den Norden von Deutschland zu kommen, über die Rhein schiene oder über die Münchner Schiene oder am Ende gar über die A 81 – was wir nicht unbedingt wollen – oder sogar von Zürich mit dem Flugzeug nach Stuttgart; das ist ganz be quem und günstig zu erreichen.“
Das Verkehrsministerium hat jetzt ein Gutachten zu Kosten in Höhe von 318 000 € erstellen lassen. Ich will es einmal so sa gen: Im Vergleich zum Helmgutachten war das ein Schnäpp chen. Dieses Gutachten besagt, dass man zur Erfüllung eines dieser Punkte – die Fahrzeit um 20 Minuten zu verkürzen – auf die Neigetechnik setzt. Ob pneumatisch oder elektrisch, ist eigentlich egal. Aber die Neigetechnik ist ein totes Pferd. Bekanntermaßen sollte man auf einem toten Pferd nicht rei ten. Das sind einfach Dinge, die die Welt nicht braucht.
Dies gilt vor allem deswegen, weil die Schweiz zur Erfüllung des Vertrags von Lugano gar nicht auf die Fahrzeit von zwei Stunden und 15 Minuten pocht. Jeder – das wurde heute auch schon angesprochen –, der aus dem Süden, vom Bodensee, von Singen aus mit der Gäubahn fährt, braucht das gar nicht. Es ist unerheblich, ob derjenige fünf Minuten früher ankommt oder fünf Minuten länger braucht.
Die Schweizer Bahn – die kennen wir auch alle – ist ange nehm. Man kann darin ordentlich sitzen. Sie hat ein zwar ge brauchtes, aber ordentliches Zugmaterial. Mit der Schweizer Bahn ist man in zwei Stunden hier. Mit Tuttlingen, Rottweil, Horb und Böblingen gibt es vier Destinationen. Wenn da die Vernetzung mit dem normalen ÖPNV entsprechend funktio
niert, wenn die Taktung stimmt, dann braucht kein Mensch die Neigetechnik, sondern eine einfache, gescheite Verbin dung. Dann kommt man ordentlich und bequem hierher mit einem Zug, bei dem auch die Durchsage stimmt – auch in eng lischer Sprache –, bei dem man die Durchsage auch versteht
und in dem man ordentlich sitzt – nicht wie in den RE-Zügen, in denen man in der Holzklasse sitzt, was man dementspre chend nicht als bequeme Zugreise bezeichnen kann.
Wir brauchen einen doppelgleisigen Ausbau – auch das wur de schon angesprochen –, Doppelspurinseln, einen Lärm schutz für die Betroffenen und selbstverständlich einen finan ziellen Ausgleich für die Anrainer. Wir brauchen zudem – das wurde angesprochen – gute Destinationen, sprich ordentliche Bahnhöfe, eine gute Anbindung an den Regionalverkehr und modernes Zugmaterial. Dieses Beispiel habe ich bereits ge nannt.
Auch die angedachte Interimslösung, bis Dezember 2017 mit IC-Doppelstockzügen zu fahren, erscheint uns zukunftsträch tig. Es könnte also aus unserer Sicht nicht nur eine Interims lösung, sondern eine Lösung an sich sein, weil die Züge, auch der Schweizer Zug, ständig überfüllt sind. Doppelstockzüge mit einer entsprechenden Ausstattung würden also schon ei niges helfen.
Noch eine ganz herzliche Bitte oder Aufforderung: Lassen Sie uns in Südbaden nicht wieder abgehängt sein! Auch wir ge hören zu Baden-Württemberg.
Im Übrigen würden mehr Menschen den Zug nutzen – gera de die Strecke vom Süden hoch nach Stuttgart –, statt mit dem Pkw zu fahren. Glauben Sie mir, Herr Verkehrsminister: Auch dies würde deutlich zur Reduktion von Feinstaub und sonsti gen Emissionen sorgen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beiträge der Redner in dieser Debatte haben, glaube ich, erneut gezeigt: Der Ausbau der Gäubahn – wir nennen sie doch lieber „inter nationale Ausbaustrecke Stuttgart–Zürich“; mein Vorschlag wäre, es zukünftig so zu machen –
(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der AfD und der FDP/DVP sowie des Abg. Gernot Gru ber SPD – Abg. Emil Sänze AfD: Überfällig ist gut!)
Der Landtag von Baden-Württemberg, aber auch die Bundes tagsabgeordneten aus Baden-Württemberg wie auch die An rainergemeinden und die jeweiligen Landkreise kämpfen seit gut 20 Jahren für dieses Ausbauprojekt.
Das ist auch gut so. Nur fragt man sich: Warum ist das bis heu te noch nicht realisiert worden? Woran liegt das?
Wenn man sich einen Rückblick erlaubt, kann man feststel len, dass wir schon in den Neunzigerjahren die ersten Verbes serungsversuche mit dem Cisalpino hatten. Dann hat die Deut sche Bahn einen ICE-T mit Neigetechnik entwickelt, der an gepasst war für diese Tälerbahnen, die es in Baden-Württem berg, aber auch in anderen Bundesländern gibt, als Angebot, auf historischen Strecken schneller fahren zu können.
Damals wurde die Strecke übrigens schneller bewältigt als heute. Die Fahrzeit betrug damals deutlich weniger als drei Stunden, während sie heute etwa drei Stunden beträgt.
Was war das Problem? Die Technologie hat immer wieder Schwierigkeiten gemacht, nicht richtig funktioniert und ist deswegen z. B. von der Deutschen Bahn nicht mehr eingesetzt oder abgestellt worden, weil es zu viele Störungen gab. Das war der eine Grund.
Der andere Grund war, dass die Deutsche Bahn – das kann ich aus meiner langjährigen Zeit im Bundestag berichten – dieses Projekt nie gemocht hat, weil es aus deren Sicht ein nicht sehr bedeutsames Projekt war. Es gab immer wieder den Wider spruch, dass die Politik gesagt hat: „Wir wollen das“, wäh rend die Bahn gesagt hat: „Aber wir finden es nicht so wich tig.“
Ich kann mich erinnern: Es gab Zeiten, in denen man den Ein druck haben konnte, dass der Bahn-Tower in Berlin eine Art neues Wallfahrtszentrum wird. Denn es sind quasi ständig De legationen aus Baden-Württemberg angereist, um bei Herrn Mehdorn, seinem Amtsvorgänger und seinem Amtsnachfol ger immer wieder um diese Strecke zu werben.
Es ist dann immer mal wieder gelungen, dafür auch bei der Bahn Unterstützer zu finden und eine Zusage zu erhalten.
Aber es ist bis zum heutigen Tag nicht umgesetzt worden. Das ist sehr ärgerlich. Wir haben alles tun müssen, damit dieses Projekt wieder in den Vordringlichen Bedarf des neuen Bun desverkehrswegeplans aufgenommen wird.
Herr Keck hat gerade noch mal das Gutachten angesprochen. Da war ziemlich viel Halbwissen dabei. Hätten wir, das Land, dieses Gutachten nicht erstellen lassen, das eine Aussage da rüber trifft, was man tun muss, um auf eine bestimmte Be schleunigung zu kommen, und wie die Neigetechnik dabei hilft, hätten wir nicht einen Kosten-Nutzen-Faktor erreicht,
der zu einer Aufnahme des Projekts in den Vordringlichen Be darf geführt hat. Denn der Bund hat die Neigetechnik nicht in die Prüfung einbezogen, und deswegen wäre das Projekt he rausgefallen. Das war das Problem. Der Bund wollte es nicht machen, aber wir haben es gemacht.
Insofern war es bestens investiertes Geld in ein gutes Gutach ten. Ich warne davor, dass man die Vergabe von Gutachten immer beschimpft. Behörden und Politik brauchen Gutach terwissen von außen, sonst handeln sie laienhaft, und das wol len wir doch nicht.
Weil es ein so langwieriges Projekt ist, haben wir, das Land, mit der Deutschen Bahn einen Zehnjahresvertrag, einen so genannten Interimsvertrag für ein Interimskonzept, abge schlossen. Was bedeutet das? Das ist ja bei einigen noch nicht ganz angekommen. Das bedeutet erstens, dass die Bahn ab Herbst bzw. ab Dezember dieses Jahres hier auf dieser Stre cke zuerst die neuesten IC-Züge, die Doppelstockzüge – also die neue Generation –, einsetzt. Das bedeutet zweitens, dass in einem Stundentakt gefahren wird. Es wird einen langsame ren Zug geben, der etwas länger als drei Stunden braucht, der mehr Haltepunkte hat, und es wird einen schnelleren Zug mit etwas weniger Haltepunkten geben. Es sind aber alle größe ren Gemeinden entlang der Strecke angebunden. So hat z. B. Böblingen jetzt endlich wieder einen Intercityhalt.
Da das Land dieses Projekt unterstützt, gehört zu dem Inte rimskonzept übrigens auch, dass in diesen Fernverkehrszügen Nahverkehrsfahrscheine gelten. Das ist wirklich etwas ganz Besonderes.