Protokoll der Sitzung vom 10.05.2017

Wir sprechen mit den Sozialpartnern.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Wie sehen die Lösungen denn aus?)

Das haben Sie schon gemerkt, und das haben wir momentan auch in Gesprächen zum Autogipfel noch einmal deutlich ge macht.

Wir unterstützen die Sozialpartner.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Die sind doch gar nicht dabei! Sie haben sie doch nicht einmal eingeladen!)

Wir engagieren uns dort, wo wir Einfluss nehmen können, und wir stehen in der Pflicht, die Digitalisierung der Landesver waltung vorbildlich umzusetzen.

Aber was will uns die SPD mit dieser Aktuellen Debatte ei gentlich mitteilen? Eine Botschaft aus Baden-Württemberg mit der Bitte an Frau Nahles, das Arbeitszeitrecht nicht zu än dern, oder was soll diese Aktuelle Debatte?

(Zurufe der Abg. Rüdiger Klos AfD und Reinhold Gall SPD – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meines Wissens hat die Bundesregierung bisher keine Geset zesvorhaben zur Umsetzung der Vorschläge zur Flexibilisie rung der Arbeitszeitregelungen aus dem Weißbuch „Arbei ten 4.0“ eingebracht. Zur Verdeutlichung: Im Weißbuch heißt es zum Thema Arbeitszeit:

Grundlegend ist der auch gesetzlich verankerte Schutz vor Entgrenzung und Überforderung. Hinzu kommt das wachsende Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Zeitsou veränität.

In dieser Aussage sehe ich doch keine Tendenzen zur Auswei tung der Arbeitszeit. Vielmehr haben wir genau das auch in unserem Koalitionsvertrag deutlich gemacht.

Weiter heißt es in dem Weißbuch:

Immer wichtiger werden ausgehandelte Arbeitszeitmodel le und Flexibilitätskompromisse.

Das haben Sie, Herr Born, gerade auch noch einmal ver deutlicht. Da sind wir zusammen.

Die Gestaltung der Arbeitszeit ist nicht zu trennen von be trieblichen Personalkonzepten, den Kriterien der Leis tungsbewertung und Führungskulturen.

Auch im Weißbuch wird auf die Gestaltungskraft der Sozial partner verwiesen, wo wir einen ganz besonderen Stellenwert sehen.

Dies bestätigt die Haltung der grünen Landtagsfraktion, die sich auch, wie bereits dargelegt, im Koalitionsvertrag wider spiegelt.

Wenn die Bundesregierung nun ankündigt, ein Gesetz zur Um setzung der Vorschläge zur Flexibilisierung der Arbeitszeitre gelungen aus dem Weißbuch „Arbeiten 4.0“ einzubringen, dann heißt das für uns: Im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens wird ebenso wie die Landesregierung auch der Landtag Ge legenheit haben, seine Vorstellungen zur Arbeitszeitflexibili sierung einzubringen. Das werden wir natürlich auch kompe tent machen.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Abg. Schoch.

Ich denke, das ist dann der richtige Weg, um dieses wichtige und weitreichende Thema auch nachhaltig zu behandeln. Die Debatte sollte dann auch zu diesem Zeitpunkt geführt werden.

Herr Abg. Schoch, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Für uns Grüne ist selbstverständlich, dass wir nicht über die Ausweitung der Arbeitszeit sprechen, sondern über Flexibili

tät, Work-Life-Balance, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gesundheitsschutz und Arbeitsintensität. Dies entspricht auch unserer im grün-schwarzen Koalitionsvertrag ausgeführten Position zur nachhaltigen...

Herr Abg. Schoch, Sie müs sen wirklich zum Schluss kommen!

... Stärkung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Gramling das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtags präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Angst, dass neue Technologien Arbeitsplätze vernichten, die Gesellschaft umkrempeln und sich nur zum Vorteil einiger weniger auswir ken können, ist nicht neu. Bereits vor zwei Jahrhunderten, als sich die Industrialisierung in Großbritannien durchsetzte, wur de insbesondere in Liverpool und Manchester kontrovers die sogenannte Maschinenfrage diskutiert. Damals hatten viele Menschen Angst um ihre Zukunft, weil die Dampfmaschine ihre Arbeitsplätze in den Produktionshallen überflüssig mach te.

Heute stehen wir wie damals vor einem Umbruch in der Ar beitswelt. Es geht um die Fragen, wie wir arbeiten, was wir arbeiten und wo wir arbeiten. Das ist ein schleichender Pro zess, und dieser Prozess hat in den letzten Monaten und Jah ren kontinuierlich Fahrt aufgenommen.

Lassen Sie uns aber einmal anschauen, wie der Arbeitsalltag bei vielen Menschen hier im Land heute aussieht. Bereits heu te sind Mitarbeiter nicht mehr per se an ihren Schreibtisch im Büro gebunden. Sie können ihre Aufgabe dank digitaler End geräte von überall aus erledigen, ob im Rahmen von Home office am heimischen Esstisch oder im Café nebenan. Man kann infolge flexibler Arbeitszeitmodelle z. B. nachmittags das Büro früher verlassen, kann sein Kind von der Schule oder von der Kita abholen und sich am Abend noch einmal an den Laptop setzen. Gerade diese Flexibilität hat selbst Bundesar beitsministerin Nahles in einem FAZ-Interview vom 27. Fe bruar dieses Jahres ausdrücklich begrüßt.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Vom digitalen Nomaden, der seine Arbeit von Urlaubsdesti nationen weltweit aus verrichten kann, möchte ich hier gar nicht sprechen, ebenso wenig vom Crowdworker, der gezielt ein Projekt von einem Unternehmen annimmt und ausführt. Natürlich kann man diese Arbeitsformen verteufeln, liebe SPD; verhindern wird man sie im weltweiten Cluster damit aber mit Sicherheit nicht.

Was ich mit diesem Beispiel skizzieren wollte, ist: So indivi duell und so vielfältig, wie die Menschen in unserem Land sind, genauso individuell werden in Zukunft auch die Arbeits zeitmodelle aussehen.

Wie innovativ und flexibel ein Arbeitgeber gemeinsam mit seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf die Her ausforderung des digitalen Wandels reagieren kann, zeigt der schwäbische Mittelständler Trumpf aus Ditzingen. Dort wur de im Herbst 2016 von der Wochen- auf die Jahresarbeitszeit umgestellt. Je nach Auftragslage und Kapazitätsauslastung kann der Mitarbeiter mit der Führungskraft selbst vereinba ren, wie viel Zeit aktuell gearbeitet werden soll. Diese flexi ble Lösung wurde übrigens gemeinsam mit der IG Metall ver einbart. Von einer Regelung auf dem Rücken der Arbeitneh mer kann daher keine Rede sein.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Doch beim Thema „Flexible Arbeitszeiten“ scheint bei dem einen oder anderen Sozialdemokraten, wie wir heute schon erleben durften, ein automatischer Empörungsreflex einzutre ten.

(Lachen bei der AfD)

Der Titel der Aktuellen Debatte suggeriert auf jeden Fall, dass man in Deutschland die Arbeitszeit, wenn die SPD nicht so gut aufpassen würde, beliebig ausweiten könnte.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Gut erkannt! – Zuruf von der SPD: Ja, so ist es!)

In diesem Zusammenhang wird auch der europarechtlich zu lässige Rahmen von 48 Wochenstunden gern kritisiert, auch von meinem Vorredner der SPD-Fraktion. Da möchte ich da ran erinnern, dass wir uns zumindest in breiten Teilen dieses Hauses in den letzten Wochen und Monaten immer wieder da rauf besonnen haben, positiv über Europa zu reden. Deswe gen ist es mir wichtig, nicht nur diese 48 Wochenarbeitsstun den herauszugreifen, sondern dann fairerweise auch zu ergän zen, dass in dieser EU-Richtlinie auch steht, dass eine tägli che Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stun den verpflichtend ist. Das gilt es dann auch zu berücksichti gen.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer den digitalen Wandel der Arbeitswelt gestalten will, der braucht Mut, und er braucht innovative Konzepte. Die digitale Transformation und der weltweite Wettbewerb stellen die Unternehmen in unserem Land vor große Herausforderungen, welche sich mit weiteren bürokratischen Pflichten und einem engeren regulatorischen Korsett nicht bewältigen lassen. Es ist Aufgabe der Politik, auf die sich ändernden Rahmenbedingungen die passenden Antworten zu finden.

Ich begrüße daher ausdrücklich die Positionierung unserer Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, tarifliche Öffnungsklauseln bzw. bei nicht tarifgebundenen Unterneh men mehr Flexibilität durch Betriebsvereinbarungen zu er möglichen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Erik Schwei ckert FDP/DVP)

Vor einer Woche hat unsere Wirtschaftsministerin die Initia tive Wirtschaft 4.0 gestartet. Denn insbesondere für das Inno vationsland Baden-Württemberg bringt diese Entwicklung große Chancen mit sich. Bereits heute können ganze Produk

tionsabläufe in der Fertigung mit intelligenten Programmen gesteuert werden. Für die Arbeitswelt bedeutet dies die Schaf fung neuer, attraktiver Arbeitsplätze, welche durch flexible Arbeitszeitkonten und neue, lebensphasenorientierte Arbeits zeitmodelle zu mehr Innovation und Produktivität sowie Le bensqualität führen können.

Die Digitalisierung kann aber nur erfolgreich sein und damit dafür sorgen, dass auch die nachfolgenden Generationen noch in Wohlstand leben können, wenn wir auf „Wirtschaft 4.0“ nicht mit „Arbeitsrecht 1.0“ antworten.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Wir, die CDU-Landtagsfraktion, werden daher in den kom menden Monaten das Thema „Arbeit 4.0“ als eines der Schwerpunktthemen bearbeiten –

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Ja! Sehr gut!)