Protokoll der Sitzung vom 31.05.2017

Wer soll das glauben? Gut, dass die SPD mit diesem Antrag der Landesregierung Beine macht. Den gleichen Mut wün schen wir uns bei der SPD gegenüber der Bundesregierung. Das ist heute bereits angeklungen.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Genau!)

Da wäre manches möglich gewesen – auch mit der CDU. Lei der sind die Sozialdemokraten da nicht besonders weiterge kommen.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Die FDP aber auch nicht! – Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Der nächste konsequente Schritt wäre in der Tat die Öffnung der Ehe auch für gleichgeschlechtliche – ich betone: gleich geschlechtliche – Paare.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Wir sind aber schon weitergekommen. Vorhin habe ich die Schritte aufgezählt. Die FDP ist in ihrer politischen Grund haltung stets vorangeschritten, wenn es um ein modernes

(Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Familienbild und gleichberechtigte Formen des Zusammen lebens geht.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Vor allem, als Sie hier in der Landesregierung waren!)

Wir wollen auch künftig voranschreiten und die vollständige Gleichstellung herstellen. Regenbogenfamilien gehören end lich auf eine sichere und umfassende rechtliche Grundlage ge stellt.

(Zuruf von der AfD)

Dieser Schritt ist konsequent im Hinblick auf den Weg, den wir bisher gegangen sind. Von dem bekannten Liedermacher Wolf Biermann stammt der Satz: „Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.“

Das stimmt. Die Welt ändert sich, die Gesellschaft ändert sich, und die Politik hat den Auftrag, diese Änderungen mit Prin zipien, aber auch mit einer offenen Haltung zu begleiten.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Andrea Bogner-Unden GRÜNE – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Was jetzt?)

Wenn wir in Deutschland heute den Schritt der Öffnung der Ehe, der gleichgeschlechtlichen Ehe – ich betone nochmals:

der gleichgeschlechtlichen Ehe –, machen, dann wird in 40 Jahren hier wieder eine Rednerin oder ein Redner der FDP/ DVP-Fraktion stehen und die Rede mit den Worten beginnen: „Vor 40 Jahren wurde hier über die Frage diskutiert, ob Ehe- und Familienglück an der Geschlechterfrage hängen.“

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Dann zi tiert er Sie aus dem Protokoll! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Die fünf Minuten müssen doch schon ewig um sein! – Zuruf des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD)

Die allermeisten Abgeordneten werden sich darüber freuen, dass es dann keine Frage mehr ist, sondern schon lange eine Antwort darauf gefunden wurde. An dieser Stelle darf ich sa gen, dass der Antrag zwar gut gemeint war, aber für uns nicht zielführend formuliert wurde.

(Zuruf: Sondern?)

Wir setzen uns für eine Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein, aber, wie hier auch bereits angeklungen ist, nicht für die Ehe für alle. Das kann es nicht sein.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aber die FDP ist doch dafür! – Abg. Daniel Born SPD: Steht in Ihrem Pro gramm!)

Deswegen werden wir diesem Antrag leider nicht zustimmen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Hans Pe ter Stauch AfD und Dr. Wolfgang Gedeon [fraktions los] – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Lucha.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Meine Vorredner, vor allem Frau Lösch, aber auch der Kollege von der CDU, haben gesagt: „Bundespolitisch ist al les eingetütet.“ Baden-Württemberg ist seiner Verpflichtung nachgekommen, ist im Bundesrat aktiv geworden. Die Ent scheidung liegt beim Bund. Deswegen brauchen wir das auch nicht weiter zu kommentieren.

Aber eines möchte ich an dieser Stelle schon sagen: Es ist die se gemeinsame Koalition, die in dieser Periode die Antidis kriminierungsarbeit weiter voranbringt. Wir haben im Bun desrat gemeinsam dafür gesorgt, dass die Entschädigung der Opfer des § 175 StGB stattfinden kann. Das war die grünschwarze Regierung, die das eingebracht hat. Herr Born müss te es vom letzten Beirat „Für Akzeptanz & gleiche Rechte Ba den-Württemberg“ wissen, mit welcher Intensität wir an die sem Themenkollektiv arbeiten. Showanträge, die Sie jetzt ma chen, bringen uns nicht weiter. Wir haben einen klaren Kom pass, der heißt: Antidiskriminierung.

Die Bundespolitik – Sie stellen meines Wissens auch den Jus tizminister im Bund – ist am Zug und muss dies leisten. Wir, das Land, machen unsere Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Das Wort hat Frau Kolle gin Martin.

(Abg. Dr. Jörg Meuthen AfD: Darf die CDU jetzt zweimal reden, oder was? – Gegenruf der Abg. Ni cole Razavi CDU: Was, zweimal? Wieso zweimal?)

Sehr geehrter Herr Prä sident, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, werte AfDler! Wenn ich mir die Reden der AfD hier anhöre, fällt mir immer wieder der Begriff des Angstbürgers ein.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Beifall der Abg. Nicole Razavi CDU)

Ob muslimische Einwanderer, Gelder für jüdische Gedenk stätten oder Homosexuelle: Die Fraktion weiß genau, was sie fürchtet und was ihr Angst macht.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Sie ma chen ihr Angst! Denn die sind fast alle vor Ihnen ab gehauen!)

Um das Ganze zu untermauern, wird in letzter Zeit ganz häu fig Gott bemüht.

Doch das eigentlich Traurige hier und heute ist ausnahmswei se einmal nicht die AfD, sondern die Tatsache, dass wir im Jahr 2017 immer noch über das jetzt aufgerufene Thema re den müssen. Denn – wie schon so oft angesprochen –: 83 % der Bevölkerung sind klar für die Gleichstellung der Ehe Ho mosexueller. Selbst Angela Merkel hat, als sie Stefan Kauf mann gratulierte, von „Hochzeit“ gesprochen, und auch bei Guido Westerwelles Beerdigung sprach sie von dessen „Ehe mann“.

Mehr als drei Viertel sprechen sich sogar ausdrücklich dafür aus, Kinder adoptieren zu dürfen. Vielleicht sollten wir end lich einmal den angelegten Blickwinkel ändern und nicht da rauf schauen,

(Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

was für uns, so wie wir hier sitzen, das Beste ist, sondern wir sollten das Beste für die Kinder wollen. Denn für Kinder gibt es nicht homosexuelle oder heterosexuelle Eltern, sondern nur gute oder schlechte Eltern.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Richtig: Kinder sind das Wertvollste, was wir haben. Genau deshalb erübrigen sich hier jedes gesellschaftliche Experiment und jegliche Form von Kindeswohlgefährdung. Aber diesen Punkt hat die Politik in den vergangenen Jahren auch oft ge nug aus den Augen verloren. Denn in meinen Augen ist der massive Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren und damit eine lange Zeit am Tag, in der die Kleinsten fremd betreut werden, das viel größere Gesellschaftsexperiment. Es wird Zeit, unter den hier geschaffenen Faktoren das Verständ nis von Ehe und Familie noch einmal neu zu überdenken. Das Volk hat doch schon längst entschieden. Also sollte man dies mit in die politischen Entscheidungen einbeziehen, vor allem wenn man sich als Volkspartei sieht.

(Abg. Udo Stein AfD: Hat sich das Programm seit her geändert?)

Den Menschen, die sich noch immer an ein veraltetes und ge schlossenes Weltbild klammern, kann ich nur sagen: Seid doch wenigstens in diesem Punkt einfach konsequent und fordert eure Spitzenkandidatin auf, ihre Kinder zur Adoption freizu geben,

(Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

damit sie nicht bei Homosexuellen aufwachsen müssen.

(Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Für die SPD-Fraktion er teile ich nochmals dem Kollegen Born das Wort.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt vonseiten des Minis ters, vonseiten der geschätzten Kollegin der Grünen von Show, von Schau gesprochen worden. Manchmal geht es aber auch um die Sichtbarkeit, manchmal geht es auch darum, deutlich zu machen, wofür man eintritt. Solange wir die Volksvertre tung eines Bundeslands sind, in dem weiter Menschen diskri miniert werden, weil es nicht die Ehe für alle gibt, haben wir, der Landtag, auch das Recht, Verantwortung zu übernehmen und mit einer Abstimmung deutlich zu machen, dass wir das politische Ziel der Ehe für alle vertreten. Darum geht es in un serem Antrag.