Das heißt, von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit her ist der ländliche Raum den Städten ebenbürtig. Deshalb, glaube ich, ist es notwendig, dass wir uns darauf kaprizieren, dass wir diese Stärke der ländlichen Räume letztendlich auch halten,
damit wir eben nicht – Kollege Dr. Bullinger hat es vorhin skizziert – in den Sog der großen Metropolströme geraten, wie es in Lateinamerika, in Ostasien und dergleichen mehr der Fall ist, wo am Ende nur die Metropolen ziehen und nicht mehr die ländlichen Räume; dort herrscht Landflucht.
Ich glaube, dass auch der Stuttgarter Oberbürgermeister mitt lerweile eingesehen hat, dass eine stetige Zuwanderung für die Stadt Stuttgart eher schwierig ist. Er ist eigentlich ganz froh – es geht nicht nur um die Frage des Verkehrs, es geht auch um die Frage von Mietpreisentwicklungen etc. –, wenn der Druck auf Stuttgart bevölkerungsmäßig ein Stück weit nachlässt.
Meine Damen und Herren, dem Mann kann geholfen werden, nämlich durch eine aktive, integrierte Strukturpolitik, der sich das Land und diese Landesregierung verschrieben haben – in der Wirtschaftspolitik, in der Schulpolitik, in der Verkehrspo litik, in der Politik für den ländlichen Raum. Damit können wir dafür sorgen, dass wir auch die Städte ein Stück weit von ihren Problemen entlasten.
Warum machen wir das? Es gibt einen zweiten, ganz entschei denden Grund. Der hat gar nicht so sehr mit der Frage der Wirtschaftspolitik oder der Leistungsfähigkeit zu tun und ist eigentlich gar nicht messbar. Der ganz entscheidende Punkt ist, dass wir feststellen müssen, dass der gesellschaftliche Zu sammenhalt, das Zusammenleben als solches im ländlichen Raum einen ganz anderen Stellenwert hat als in der Anony mität der Großstadt.
Das sind eigentlich die Assets, die die ländlichen Räume zum Vorbild des gesellschaftlichen Zusammenlebens in BadenWürttemberg machen. Wir wollen diese Vorbildfunktion er halten. Wir müssen die ländlichen Räume attraktiv halten und aktiv stärken, damit diese Vorbildfunktion des gesellschaftli chen Zusammenhalts, des ehrenamtlichen Engagements, der Beteiligungskultur, des Aktivseins – nicht der Zuschauerge sellschaft, sondern der Aktivgesellschaft –
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb greift auch das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum – Frau Kolle gin Braun hat es vorhin sehr detailliert beschrieben; deshalb will ich das gar nicht wiederholen – sehr dezidiert und detail liert in einige Bereiche ein.
Ein besonderer Pfad war schon immer die Erhaltung unserer Dorfkultur. Was heißt das? Das ist einerseits ein gesellschafts politischer Anspruch, andererseits ist es auch eine Frage des baulichen Anspruchs. Dorfkerne, Stadtkerne, städtisches Le ben, dörfliches Leben entstehen immer aus der Mitte heraus und nie von den Rändern her. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass die Kerne unserer Dörfer, die Kerne der Städte und Gemeinden im ländlichen Raum als solche attraktiv bleiben, und zwar nicht nur in den Angeboten des wirtschaftlichen Le bens und der Nahversorgung, in den Angeboten des Einzel handels, in den Angeboten der ärztlichen Versorgung, der Phy siotherapeuten etc., sondern natürlich auch in der Frage der Wohnkultur.
Deshalb ist es mir so wichtig, dass wir auch dort adäquate Ant worten finden, dass wir gesellschaftspolitische Prozesse, die auch in der Umwandlung der Agrarstruktur zu finden sind, ak tiv nutzen und damit auch die Dorfkerne entsprechend stär ken und durch zeitgemäßes Wohnen dörfliches Leben wieder in die Mitte der Dörfer – und nicht nur an den Rändern, in den Neubaugebieten – hineinbekommen.
Deshalb unterstützen und fördern wir die Sanierung, den Er halt, den Umbau alter Gehöfte, alter baulicher Substanz, aber – das sage ich auch dazu – auch den Abriss. Meine sehr ver ehrten Damen und Herren, wir müssen auch den Mut haben, alte Gebäude abzureißen, um neuen, zeitgemäßen Wohnraum, auch ein zeitgemäßes Umfeld in den Ortsmitten entstehen zu lassen, damit es auch für junge Familien attraktiv bleibt, in der Ortsmitte zu investieren und zu wohnen.
Nur dann schaffen wir es, dass das gesellschaftliche Leben als solches attraktiv bleibt, dass es auch interessant bleibt, gene rationenübergreifend miteinander zu leben und zu wohnen.
Überdies gibt es einen weiteren Aspekt, der der Landesregie rung nicht egal ist. Wir haben gestern – wie ich meine, zu
Recht – auf Antrag der Grünen die Debatte zur biologischen Vielfalt geführt, darüber, diese zu erhalten. Biologische Viel falt kann man nicht auf betonierten Flächen finden; jedenfalls nur marginal. Dazu braucht man auch Freiräume, dazu braucht man Landbewirtschaftung. Im Prinzip ist das, was wir unter Freiräumen verstehen – dort, wo es biologische Vielfalt gibt, dort, wo wir im Prinzip seltene Kleinode finden –, alles in der bewirtschafteten Natur vorzufinden, entweder in Wäldern oder auf Feldern oder auf Wiesen oder auf Äckern, also dort, mei ne Damen und Herren, wo letztendlich Landbewirtschaftung und Waldbewirtschaftung vorherrschen. Aber diese Frage muss man auch – –
Vielen Dank, Herr Minister Hauk, für das Zulassen der Frage. – Die Regierung verfolgt ja das Ziel der Zentralisierung der Krankenhäuser. Sie wissen sicher lich: Immer mehr kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum werden geschlossen. Nun frage ich Sie, ob das für die Stär kung des ländlichen Raums hilfreich ist.
Ich weiß nicht, was Sie unter einer Zentralisie rung von Krankenhäusern verstehen. Was wir verfolgen, ist, dass die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in BadenWürttemberg – egal, wo sie wohnt, ob in ländlichen Räumen oder in städtischen Räumen – ambulant und stationär sicher gestellt sein muss.
Das ist die klare Zielsetzung dieser Regierung, und das muss unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Rahmenkri terien passieren. Es gibt für die Menschen vor allem drei Ri sikofaktoren, die dazu führen, dass sie schneller und umfas sender ambulanter und gegebenenfalls sofortiger stationärer Behandlung bedürfen: Das sind Unfälle, das sind Schlagan fälle, und das sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzin farkte. In diesen Fällen ist es notwendig, eine schnelle ambu lante und auch stationäre Aufnahme zu ermöglichen, und ge nau das hat die Landesregierung zum Ziel.
Diese Zielsetzung verfolgen wir, und der Kollege Lucha und ich sind uns vollkommen darin einig, dass, wenn aufgrund der Sachstellungen einmal ein Krankenhaus geschlossen wird, da für auf alle Fälle Alternativen angeboten werden, damit die von diesen Risiken betroffenen Menschen, die schnell behan delt werden müssen, auf alle Fälle auch schnell behandelt wer den können. Es gibt in Baden-Württemberg nirgendwo Men schen zweiter Klasse, es ist nicht so, dass die einen schlech ter und die anderen schneller versorgt werden, sondern wir se hen zu, dass wir möglichst alle gleich behandeln.
Nein, ich würde gern meinen Gedanken von vor hin zu Ende bringen. – Ich war stehengeblieben bei dem The ma „Landwirtschaftliche Fläche und Flächeneinsparung“, die wir auch dadurch erreichen, dass wir sanieren. Allein im letz ten Jahr haben wir durch eine etwas stärkere Fokussierung nicht auf den Wohnungsbau, sondern auf die Sanierung inner örtlicher Flächen immerhin – wir haben es einmal ausgerech net – 61 ha eingespart. Wären all diese Wohneinheiten in Neu baugebieten neu entstanden, wäre wahrscheinlich genau die se Fläche verbraucht worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man darf über bio logische Vielfalt nicht nur sprechen und hehre Zielsetzungen im Auge haben, sondern man muss dafür etwas tun. Wir brau chen auch die Flächen dafür. Wenn wir regionale Produkte ernten und essen wollen und das Thema Regionalität in der Regierungskoalition – aber ich glaube, da gibt es im Landtag kaum Unterschiede – gemeinsam befördern wollen, dann müs sen wir für die regionale Landwirtschaft auch etwas tun, dann muss man sie auch von dem Flächendruck entlasten, der auf ihr lastet. Das ist auch eine Maßnahme, um den Flächendruck auf die Landwirtschaft etwas abzumindern.
Ich sage auch an die Adresse der großen Städte gerichtet: Wenn ich sehe, dass in Freiburg nach dem Rieselfeld ein wei terer neuer Stadtteil entstehen soll – auch wieder auf landwirt schaftlichen Feldern –, gibt es eine klare politische Vorgabe: Auch die Freiburger Kommunalentwicklung und damit auch der Freiburger Gemeinderat müssen sich einmal überlegen, was sie und der Gemeinderat noch in der Stadt selbst, in der bebauten Fläche selbst tun können. Beispielsweise kann für Baufenster in bestehenden Bereichen ermöglicht werden, wei tere Stockwerke zu errichten, um den Flächenfraß zu mini mieren. Ich halte es für notwendig, dass man sich auch das einmal überlegt.
Natürlich sehe ich ein, dass es einem Stuttgarter, der in einer guten Wohnlage wohnt, nicht recht ist, wenn die Aussicht ver baut wird oder noch zwei Stockwerke hinzugefügt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann aber die Lasten nicht nur auf die abwälzen, die Flächen bebauen und bewirtschaften, und sagen: „Das ist nun einmal notwendig.“ Denn dann bleibt im Prinzip der Druck auf die Kommunal entwicklung außerhalb der großen Städte ungebrochen hoch. Dort haben wir alle Ansprüche von Flächeninanspruchnahme, Restriktionen bei der Ausweisung neuer Gewerbegebiete, Re striktionen bei der Ausweisung neuer Wohngebiete; dort wird dann mit der eisernen Faust zugeschlagen.
Diese Zweiteilung darf nicht sein. Da müssen sich die für den Bau Verantwortlichen – das sind die Kommunalpolitiker – In strumente überlegen, damit man nicht nur in die Fläche, son dern unter Umständen auch einmal in die Höhe geht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben, glaube ich, erreicht, dass der ländliche Raum wieder einen Stellen
wert hat. Darauf hat der Kollege Dr. Rapp vorhin zu Recht hingewiesen. Wir haben deshalb einen Kabinettsausschuss „Ländlicher Raum“ eingerichtet.
Herr Kollege Baron, das ist genau der Punkt, dass wir die Din ge vernetzt angehen wollen. Denn ich glaube, wir brauchen nicht überall andere Antworten. Wir haben aber unterschied liche Sichtweisen, weil die Problemstellungen nun einmal dif ferenziert und unterschiedlich sind. Herr Kollege Stein, auch wenn Sie es nicht gänzlich durchdringen mögen:
Weil sie so unterschiedlich sind und weil auch der ländliche Raum, dieses Land so unterschiedlich ist, brauchen wir unter schiedliche Antworten auf unterschiedliche Anforderungen. Deshalb sind die Dinge nun einmal etwas differenzierter
Das berücksichtigen wir, auch wenn es für den einen oder an deren etwas einfacher Gestrickten vielleicht nicht ganz so leicht zu durchdringen ist.