(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Bernhard La sotta CDU – Abg. Anton Baron AfD: Wer regiert ei gentlich in Berlin?)
Herr Meuthen, ich möchte Ihnen eine Frage stellen; Sie kön nen selbst überlegen, ob Sie diese Frage beantworten oder nicht. Wenn Sie hier unehrlich unterwegs sind und nur von der Abgeordnetenentschädigung sprechen – da haben Sie ja recht –, aber nach wie vor eine zusätzliche Altersvorsorge ein kassieren – über 1 500 € –, in der Zeit, in der Sie hier noch sitzen, 2 000 € steuerfrei bar auf die Hand bekommen und dann den Bürgerinnen und Bürgern vorgaukeln, Sie wären der günstigste Abgeordnete in diesem Parlament,
muss ich Ihnen, Herr Dr. Meuthen, sagen: Sie sind der Bil ligste, aber nicht der Günstigste in diesem Parlament.
(Beifall bei der SPD, den Grünen und der CDU – Heiterkeit des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜ NE – Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Von Herrn Filius haben wir ge lernt, dass das Gemeinwohl nichts mit der Flüchtlingsfrage zu tun hat. Sehr interessant! Herr Binder, Herr Lasotta usw. ha ben uns wieder darauf hingewiesen, dass das, was die AfD be treibt, alles Panik- und Angstmache sei. Das ist hier die gro ße Frage: Ist das Panikmache vor etwas, was real gar nicht existiert, oder ist es vielleicht so, dass auf der großen Seite dieses Hauses das Problem der Realitätsverkennung besteht,
dass Sie bestimmte Dinge, die existieren, einfach nicht wahr haben wollen, dass Sie, meine Damen und Herren, eine Vo gel-Strauß-Politik betreiben? Das ist das Problem. Die Ant wort werden Sie vom Wähler bekommen. Darum brauchen wir uns gar nicht zu kümmern.
Dann: Als Arzt habe ich mich schon immer gegen Studien gläubigkeit gewehrt. Ich bin als Arzt nicht Anwender von Stu dienergebnissen. Jetzt komme ich in die Politik, jetzt geht das wieder los: Studien, Studien. Herr Lasotta sagt: „Wir können gar nicht über das Problem mit der Paralleljustiz reden, weil wir noch keine Studien haben.“
Meine Damen und Herren, es ist auch nicht so, wie es der Herr Minister gesagt hat, dass wir den Dingen mittels der Wissen schaft auf den Grund gehen müssten. Das hieße ja praktisch: Die Wissenschaft geht auf den Grund, und die Politik fuchtelt an der Oberfläche herum. So ist das nicht, meine Damen und Herren. Die Wissenschaft kann nur Detailprobleme ausarbei ten, aber die großen Fragen muss die Politik bearbeiten.
Davor können wir uns nicht drücken; dazu brauchen wir die Wissenschaft im entscheidenden Augenblick auch gar nicht.
Wer also Politik auf Wissenschaft, auf Anwendung von Poli tologie reduziert, der kastriert die Politik, meine Damen und Herren, der entmündigt das Parlament, der entmündigt die Po litik, und da sollten wir nicht mitmachen.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Lachen des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)
Ein dritter Gesichtspunkt, das eigentliche Thema: Es geht nicht um Paralleljustiz allgemein, es geht primär um religiös bedingte und religiös motivierte Paralleljustiz. Das ist viel schlimmer. In diesem Sinn ist diese Paralleljustiz zu verste hen. Jetzt sagt man, im Zivilrecht wäre das nicht so schlimm. Aber natürlich! Das Frauenbild, der Herrschaftsanspruch des Islams, das geht ja alles auch in die Zivilgerichtsbarkeit ein. Insofern ist dieses Phänomen der Scharia gerade im Zivilrecht ein Problem der weiteren Islamisierung, der subversiven Is lamisierung unseres Landes. Da, meine Damen und Herren, ist Gelassenheit das Schlimmste, was wir an den Tag legen können. Da bedarf es höchster Aufmerksamkeit, höchster Vor sicht. Denn wer im Kampf der Kulturen seine Kultur nicht verteidigt, der hat schon verloren. Merken Sie sich das bitte.
Meine Damen und Her ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Aktuelle Debatte – Droht der Pflegenotstand in badenwürttembergischen Kliniken? Was kann die Politik tun? – beantragt von der Fraktion der SPD
Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt.
Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion zur Verfügung. Ich darf wiederum die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten.
Nicht so schlimm. Aber es wäre gut, wenn wir uns heute Morgen an das, was er ausgelöst hat, erinnern. Er ist der Kran kenpfleger, der im September in der „Wahlarena“ unsere Bun deskanzlerin durchaus in Verlegenheit gebracht hat. Er hat das Thema „Pflege und Pflegenotstand“ dann auch in den Bun destagswahlkampf gebracht.
Gegenstand dieser Diskussion war das Thema „Verbindliche Personalbemessung und Personalschlüssel“. Die Bundeskanz lerin war nicht ganz im Bilde, steckte nicht in der Tiefe der Materie drin, aber ich hatte den Eindruck, dass sie zumindest eine Ahnung davon hatte, dass eine Personalbemessung erfor derlich ist. Deshalb ist uns jetzt wichtig, dass dieses Thema nicht im Bundestagswahlkampf hängen bleibt und irgendwo verpufft, sondern auch weiterhin auf unserer Tagesordnung – heute hier im Landtag – bleibt.
Um was geht es? Seit Jahren berichten die Medien über die Pflegesituation in den Krankenhäusern. Der Ernst der Lage kann jedem bewusst werden, wenn er sich mit der einen oder anderen Pflegefachkraft einmal etwas länger unterhält. Die Beschäftigten machen ja auch seit geraumer Zeit mit ihrer Ge werkschaft ver.di durch Aktionen und Streiks immer wieder auf diesen untragbaren Zustand aufmerksam: beim Pflegeper sonal unterbesetzt, die Beschäftigten müssen mehr arbeiten, der Krankenstand steigt, die Motivation lässt nach, und letzt endlich geht das alles zulasten der Krankenhauspatientinnen und -patienten.
Warum ist das so? Die Gesundheitspflege gehört – gleicher maßen wie die Altenpflege – auch in Baden-Württemberg zu den Mangelberufen, auch auf unserem Arbeitsmarkt. Da be ginnt eine Abwärtsspirale. Pflege, insbesondere die Pflege in den Kliniken, bedingt eine Vielzahl von psychischen und auch physischen Belastungen: Schichtdienst, Vertretungsdienste, „Holen aus dem Frei“. Ein Teil der Beschäftigten hält diese Belastungen nicht ein Berufsleben lang aus. Sie werden krank oder suchen sich eine andere Beschäftigung.
Die Umstellung der Vergütung bei den Klinikleistungen hat dazu geführt, dass hauptsächlich die durch Ärzte erbrachten Leistungen abrechenbar sind, viel weniger die Leistungen der Pflege. Das Hauptproblem sind die Rahmenbedingungen der Arbeit und die Tatsache, dass wir zu wenig Personal haben.
Mit ein paar wenigen Vergleichszahlen kann man das deutlich machen. In England betreut eine Pflegekraft in der Tages schicht im Durchschnitt acht Patienten. In den Niederlanden und der Schweiz sind es sogar nur fünf Patienten. Was schät zen Sie, wie viel es bei uns sind? –
Zehn. Also: Wir haben Personalmangel in allen Kliniken. Das ist auch ganz unabhängig von der Trägerschaft. Nach Aussa gen der Deutschen Krankenhausgesellschaft fehlen allein im Intensivbereich 3 150 Stellen. Dazu gehören insbesondere auch unsere Universitätskliniken. Hier sind ja aktuell die Ausein andersetzungen zwischen ver.di und den Arbeitgebern beson ders groß. Da sage ich: Hochleistungsmedizin funktioniert nicht ohne Hochleistungspflege, und Hochleistungsmedizin funktioniert nicht, ohne mit dem Pflegepersonal an einem Strang zu ziehen, und zwar in die gleiche Richtung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine ganze Anzahl von Vorschlägen, die bereits auf dem Tisch liegen. Die SPD hat sich im Bund und in den Ländern intensiv dafür einge setzt, dass die Pflege in der Krankenhausfinanzierung besser berücksichtigt wird und auch aus Gründen der Qualität Per sonaluntergrenzen eingeführt werden. Mindestbesetzung und Personalbemessungssysteme im Pflegedienst müssen auch nicht neu erfunden werden. Es gibt Modelle in vielen Län dern, auch in vielen – da erwartet man das gar nicht – USBundesstaaten, auch in Kalifornien – auch dazu hätte der Gou verneur etwas sagen können –, auch z. B. in den skandinavi schen Ländern. Der Sozialausschuss konnte sich vor Kurzem auf seiner Ausschussreise ein Bild davon machen. Seit Früh jahr dieses Jahres liegen auch von der Expertenkommission „Pflegepersonal im Krankenhaus“ Vorschläge vor.
Die Bundesregierung hat kurz darauf den neuen § 137 i im SGB V beschlossen. Danach haben die Kassen und Kranken häuser den Auftrag, spätestens bis Mitte nächsten Jahres mit Wirkung zum 1. Januar 2019 verbindliche Pflegepersonalun tergrenzen für alle Krankenhäuser zu vereinbaren. Ich weiß, das ist keine einfache Regelung, sehe aber trotzdem in der jet zigen Finanzierungsstruktur keinen anderen Weg als die Ein führung dieser Personaluntergrenzen.
Aus baden-württembergischer Sicht möchte ich den Verhand lungspartnern mit auf den Weg geben, keinesfalls die schlech testen Personalstandards in den Bundesländern herauszusu chen und diese zu Mindeststandards zu erheben. Personalun tergrenzen dürfen auch nicht zur Norm in der Personalbeset zung werden. Sie dienen ausdrücklich nur dazu, eine Gefähr dung der medizinischen Versorgung und der Mitarbeitenden zu vermeiden. Die Personalbemessung darf sich aus unserer Sicht auch nicht auf die pflegeintensiven Bereiche wie Inten sivstation oder Nachtdienst beschränken. Das kann bestenfalls der Einstieg sein. Ansonsten führt es unweigerlich zu Ver schiebungen innerhalb der Bereiche in den Kliniken.
Die neue Bundesregierung muss dieses Thema zwingend be herzt angehen. Von den Sondierungsgesprächen in Berlin ha be ich dazu bisher noch nicht allzu viel gehört. Man hört mehr z. B. über das Thema „Legalisierung von Cannabis“ und sons tige Themen. Ich halte dieses Thema für zentral wichtig
Auch im Land haben wir – das Gesundheitsministerium war ja federführend – eine Verantwortung, Herr Sozialminister Lucha. Die Krankenhausfinanzierung ist eine duale Finanzie rung: Investitionsförderung durch die Bundesländer, Betriebs kostenfinanzierung durch die Krankenversicherungen. Wenn die Investitionen nicht ausreichend sind, fehlt den Kranken häusern Geld, und das auch in der Pflege.
Im Staatshaushalt 2016, Herr Sozialminister, haben Sie den originären Landeszuschuss um über 50 Millionen € gesenkt, um mit diesem Betrag die Bundesmittel aus dem Struktur fonds kozufinanzieren. Wir haben das kritisiert, und Sie ha ben dies entgegen Ihrer eigenen Vereinbarung – Stichwort Ge heimpapier – durchgesetzt. Für den Doppelhaushalt 2018/2019 sind wieder Kürzungen um 13 Millionen € pro Jahr angekün digt. Dieses Geld fehlt den Kliniken, und das geht auch zulas ten der Pflege.
Ich möchte an dieser Stelle den Präsidenten der Deutschen Krankenhausgesellschaft und Landrat des Landkreises Reut lingen, Reumann, zitieren. Er forderte in diesen Wochen, di rekte Maßnahmen zur Entlastung des Personals in Angriff zu nehmen, und spricht auch die Bürokratielast an. Dazu gehört aus Sicht der Krankenhausträger ein Sonderprogramm „Digi tales Krankenhaus“, das die Digitalisierung vorantreibt, um so Personal zu entlasten und Dokumentationsanforderungen leichter bewältigen zu können. Bei der Reise des Sozialaus schusses haben wir in Oulu gesehen, wie gut das funktionie ren kann.