Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Selten hat ein musikalisches Märchen eine solche politische Wirkung ent faltet wie das von Sergei Prokofjew aus dem Jahr 1936. Aber die Lehre aus dieser Geschichte ist im Duktus etwas anders, als Kollege Pix sie vorhin dargestellt hat. Am Ende wird der Wolf nämlich – und zwar in einem Zoo – in Gewahrsam ge nommen. Man schützt die Menschen und die Tiere vor dem Wolf. Das ist die Lehre aus diesem Märchen.
Manche sagen, der Sozialist Prokofjew habe eine Parabel dar stellen wollen und der Wolf hätte sinnbildlich für das kapita listische Hitlerdeutschland gestanden, während der Piotr, der Peter, die brave Sowjetunion verkörpert habe.
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das haben wir beim Titel der Aktuellen Debatte aber nicht so verstanden! – Weitere Zurufe)
Das wollte ich gerade sagen. Die Aktuelle Debatte wäre so wahrscheinlich auch nicht zustande gekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, kehren wir aber zu rück zum Thema Wolf, das mein Ressort in der Tat nur tan giert. Im Kern ist das Umweltressort zuständig.
Einige Kolleginnen und Kollegen haben Minister Unterstel ler auch darauf angesprochen. Staatssekretär Baumann wird nachher in der zweiten Runde hierzu noch etwas sagen.
Halten wir zunächst einmal fest, wie die Verhältnisse und die Besonderheiten in Baden-Württemberg sind. Wir haben hier eine dichte Besiedlung, auch im ländlichen Raum. BadenWürttemberg ist dichter besiedelt als jedes andere Land in Eu ropa. Das muss man zunächst einmal festhalten.
Das Zweite ist: Wir haben hohe Zerschneidungseffekte, was sich insbesondere darin äußert, dass Baden-Württemberg kei
ne großen zusammenhängenden Naturgebiete mehr hat. Das kann man bedauern. Aber das ist eine Folge der Entwicklung, und wir sind jetzt im Jahr 2017 und nicht im Jahr 1920.
Wir haben aber eines erreicht: Wir haben eine unglaublich ho he Artenvielfalt und Biodiversität in unseren Wäldern, auf den Feldern und den Wiesen. Seit 40 Jahren geben wir intensiv Geld für extensive Wirtschaftsformen aus, die eine Bewirt schaftung aufrechterhalten, die sich heute gar nicht mehr ren tieren würde.
(Abg. Rüdiger Klos AfD: Aber 3 000 € für das Um setzen einer einzigen Eidechse, das ist in Ordnung?)
Das betrifft z. B. die Schäferei bzw. die extensive Beweidung, die Mutterkuhhaltung im Schwarzwald und dergleichen mehr. Das sind alles Bereiche – –
Es geht hier nicht um einen Konflikt zwischen dem Wolf und den Menschen, den Kulturgütern und der Kulturgeschichte. Vielmehr zeichnet sich ein Konflikt innerhalb des Artenschut zes ab. Diesen Konflikt muss man lösen, und zwar durch ein ordentliches Management. Das ist der entscheidende Punkt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Wacholderhei den und Grinden nicht mehr beweidet werden, wenn Mutter kühe nicht mehr auf der grünen Wiese im Schwarzwald ste hen und die Schafe nicht mehr die Wacholderheiden begra sen, dann erleidet unser Land einen Artenschwund, wie wir ihn noch niemals zuvor gesehen haben. Das ist das Entschei dende.
(Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP/DVP so wie Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)
Es ist doch nicht falsch, wenn man in der Politik auf Gefah ren oder Risiken hinweist, die eintreten können. Es geht nicht darum, dass der einzelne Wolf ein Problem wäre. Das ist er nicht. Das möchte ich ausdrücklich sagen.
In Baden-Württemberg wird er zum Problem, weil BadenWürttemberg dichter besiedelt ist als jedes andere Land und weil wir nicht überall nur Großschäfereien und große Herden haben, die sich einen Herdenschutzhund leisten könnten,
wenn man ihn denn als hilfreich erachtet. Vielmehr gibt es auch kleine Bauern, kleine Tierhalter, die sich keine Herden schutzhunde leisten können und das auch nicht tun werden.
Ich sage deshalb ganz offen: Es ist eine Abwägungsfrage, ob wir eine extensive Beweidung und damit auch die Artenviel falt und die Biodiversität aufrechterhalten können oder nicht.
Kollege Untersteller und ich haben in den letzten Wochen eif rig daran gearbeitet, zum Thema Biodiversität noch etwas draufzusatteln – das wird in den nächsten Wochen auch das Licht der Welt erblicken –, um dem Thema Artenvielfalt ei nen weiteren Schub zu geben – und das zu Recht. Denn wir leiden darunter, wenn immer mehr Arten verschwinden.
Deshalb ist es wichtig, auch darauf zu schauen, dass die Ar tenvielfalt nicht gefährdet wird. Das ist auch die Botschaft, die ich immer wieder verkünde. Deshalb habe ich zum Wolf in der Tat ein differenziertes Verhältnis. Denn ich glaube, dass sich die Weidehalter, die Tierhalter im Zweifel eben nicht an die Vorgaben des Naturschutzgesetzes – alles gut und schön – halten, sondern einfach das tun, was sie, wenn ihnen die Ein haltung der Vorgaben zu viele Umstände macht, immer tun: Sie halten keine Tiere mehr, und dann findet keine Beweidung mehr statt.
Das ist das eigentliche Problem. Schafhalter mit zehn oder 20 Schafen, Halter einer Mutterkuhherde mit sechs bis acht Kü hen, die den Schwarzwald offen halten, leisten sich keinen Herdenschutzhund, selbst wenn sie damit erfolgreich wären. Vielmehr geht es wirklich darum, mit wenigen Tieren die Flä chen offen zu halten. Das ist das eigentliche konkrete Prob lem.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, man muss auch die kritischen Themen und die Risiken beleuchten. Die Augen da vor zu verschließen, das kann man sich nicht leisten. Das wä re auch eine Steuerverschwendung sondergleichen. Seit 1982, als der erste MEKA kam – – Über MEKA, das FAKT-Pro
gramm etc. werden jedes Jahr Milliarden Euro für die Exten sivierung, für die Artenvielfalt ausgegeben – Milliarden!
Wir würden das im Zweifel durch eine einzige zusätzliche Art konterkarieren. Dieses Problem müssen wir lösen. Und das kann man auch lösen – davon bin ich überzeugt – durch ein kluges Management. Aber es ist nicht lösbar, indem alle sa gen: „Es geht gar nichts, Abschuss geht nicht, Management ist von Übel etc.“, wenn alle – die Naturschutzverbände ge nauso wie die Landwirte – bei ihrem Standpunkt bleiben. Man muss sich auf ein aktives Management verständigen. Daran müssen wir arbeiten. Es gibt nämlich noch ein paar ungelös te Fragen.