Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Wir haben die Ganztagsschule in der sogenannten Wahlform in der letzten Legislaturperiode zugelassen; diese soll es zu künftig nicht mehr geben. Das ist aber die Ganztagsschule, die als Modell von den allermeisten Schulen gewählt wird. Ich prophezeie Ihnen, dass diese Landesregierung eine große Chance im Hinblick auf pädagogischen Mehrwert und Qua lität aus den Händen gleiten lässt, wenn sie den Weg geht, der sich jetzt abzeichnet. Sie müssen sich in Baden-Württemberg für mehr Bildungsgerechtigkeit, für mehr Gerechtigkeit für alle Kinder auf mehr Ganztag einlassen und dürfen die Ganz tagsschule nicht quasi – so, wie Sie es planen – wieder ab schaffen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Auch was die 900 Millionen € betrifft, die Sie im Zusammen hang mit der frühkindlichen Bildung genannt haben, Herr Mi nisterpräsident, wissen Sie genauso gut wie ich, dass dies aus der letzten Legislaturperiode stammt und es daher kein Ver dienst dieser Landesregierung ist,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Deswegen muss es ja nicht falsch sein!)

dass wir diese Leistungen jetzt an die Einrichtungen für die frühkindliche Bildung geben. Ich frage mich an dieser Stelle nur: Warum dauert es nun bald zwei Jahre, bevor der Pakt für Familien II, nämlich der Anschlusspakt für frühkindliche Bil dung, geschlossen wird? Die Zeit hierfür war da. Auch das ist eines der Felder für Konflikte mit den Kommunen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, nicht nur die Kommunen war ten dabei auf diese Landesregierung, sondern auch die Eltern und ihre Kinder warten auf diese Landesregierung. Wer mehr Qualität im frühkindlichen Bereich haben will, der muss sich schleunigst mit den Kommunen an den Verhandlungstisch set zen, um Lösungen für den Pakt für Familien II zu finden.

(Beifall bei der SPD)

Das Thema Digitalisierung haben Sie ebenfalls angesprochen. Auch der Informatikunterricht ist keine Idee dieser Landesre gierung, so, wie auch die digitale Bildungsplattform keine Idee dieser Landesregierung ist. Dies gilt auch für den Auf bau der Stundentafel in der Grundschule – die von Frau Scha van so gekürzt worden war, dass dies zu den Ergebnissen führ te, die wir hatten –; auch dies ist keine Leistung dieser Lan desregierung.

Wir brauchen für den gesamten Bildungsbereich eine ideolo giefreie Debatte. Deswegen erneuere ich an dieser Stelle noch einmal das Angebot der SPD: Wir brauchen für mehr Quali tät in der Bildung eine offene, eine auch kontroverse, aber ideologiefreie Debatte, und diese ist am besten in einer En quetekommission des Landtags von Baden-Württemberg zu führen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Zur Digitalisierung und zu den sogenannten Wanka-Milliar den ebenfalls noch eine Bemerkung: Herr Kollege Schwarz hat vorhin kritisch angemerkt, dass die Bundesregierung in Person von Frau Wanka Milliarden für die Digitalisierung von Schulen versprochen habe. Wir mussten leider inzwischen feststellen, dass sie dies offensichtlich nicht einmal in der ei genen Partei bzw. mit Herrn Schäuble abgesprochen hatte. Denn Herr Schäuble tat so, als wisse er nichts davon.

Sie hatten damals in einer ersten Reaktion deutlich gemacht, Herr Ministerpräsident, dass dies Ihren Überzeugungen in Be zug auf die Trennung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern widerspreche. Aus meiner Sicht sollten wir – Herr Kollege Rülke hat dies vorhin angesprochen – sehr gut über legen, ob wir es uns in Deutschland weiterhin leisten können, dass der Bund, der an den großen Einnahmetöpfen sitzt, im mer dann, wenn es um Bildungspolitik geht, mit den Schul tern zuckt und sagt: „Das geht uns nichts an. Das ist Länder sache.“

(Abg. Winfried Mack CDU: Nein!)

Wenn Sie sich einmal anschauen, wie sich die Bildungsaus gaben in Deutschland in den letzten Jahren entwickelt haben, dann stellen Sie sehr schnell fest, dass Deutschland – ein Land, von dem Sie immer behaupten, dass seine Rohstoffe in den Köpfen der Kinder in diesem Land liegen – bei den Bil dungsausgaben weit unterhalb des Durchschnitts der OECDLänder liegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich behaupte, das hat auch damit zu tun, dass sich Bundespolitik für diesen wichti gen, überlebenswichtigen Bereich der Politik nicht verant wortlich fühlt.

(Abg. Winfried Mack CDU: Oh nein!)

Deswegen sollten wir aus diesen Schützengräben – Koopera tionsverbot ja oder nein – herauskommen. Wir brauchen eine partnerschaftliche Politik, die nicht die Kompetenz des Lan des antastet,

(Abg. Winfried Mack CDU: Sie sind doch Jurist!)

die nicht die Hoheit der Länder in Bildungsfragen antastet, die es aber dem Bund möglich macht, die Länder in diesem überlebenswichtigen Bereich zu unterstützen.

(Abg. Winfried Mack CDU: Studieren Sie die Arith metik des Grundgesetzes, Herr Kollege!)

Das erwarte ich auch von einer Landesregierung, und nicht juristische Exkurse über das Thema „Kooperationsverbot ja oder nein“, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Sie sprachen auch von Zuversicht. Ja, auch ich bin der Mei nung: Wir müssen die Probleme offen und ehrlich ansprechen. Wir müssen den Menschen auch sagen, wie wir diese Proble me gemeinsam mit ihnen lösen wollen. Denn Angstmacherei bringt uns nicht weiter und führt zu Reaktionen, die eine Ge sellschaft nicht zusammenführen, sondern spalten.

Ein Thema, mit dem Sie gerade bei Menschen, die die Unter stützung des Staates brauchen, besonders punkten können, ha ben wir bereits in den Haushaltsberatungen angesprochen. Wenn immer wieder in den Sonntagsreden vorkommt: „Bei sehr hohen Steuereinnahmen, bei Überschüssen in den öffent lichen Haushalten müssen wir den Menschen etwas zurück geben“, dann sehe ich und sieht meine Fraktion eine sehr gu te Möglichkeit, dies zu tun, darin, gerade denen, die für die Zukunft dieses Landes sorgen, nämlich den Familien mit Kin dern, etwas zurückzugeben. Was anderes ist es denn, wenn wir in die Gebührenfreiheit bei der frühkindlichen Bildung einsteigen, als den Menschen Entlastung zu verschaffen, die dafür sorgen, dass dieses Land zukünftig auch durch ihre Kin der und Enkel auf sicheren Beinen steht?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir dürfen Gebüh renfreiheit für frühkindliche Bildung nicht gegen Qualität aus spielen. Sonst hätten Sie auch ein Argument in der Hand, das Schulgeld wieder einzuführen. Das wollen Sie ja wohl alle nicht.

(Zuruf von der SPD: Wer weiß?)

Wir brauchen einen Einstieg in die Gebührenfreiheit in Ba den-Württemberg, damit junge Familien bessere Chancen ha ben und sich mehr Menschen für Kinder entscheiden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Zum Abschluss noch einen Satz, den Sie, Herr Ministerpräsi dent, vorhin sinngemäß ebenfalls gesagt haben: „Wir müssen weg von einer Fehlervermeidungskultur.“ In dem Kontext, in dem Sie ihn verwendet haben, mag das richtig sein. Sie dür fen nur nicht glauben, dass wir dieser Landesregierung des wegen jeden Fehler durchgehen lassen.

Wir halten diesen Landeshaushalt für einen Haushalt der ver passten Chancen. Es wäre in vielen Bereichen sehr viel mehr Aufbruch in die Zukunft möglich gewesen.

Herr Ministerpräsident, in Ihrer Partei und in der Öffentlich keit drängt gerade eine Nachfolgedebatte an die Oberfläche. Man hat schon ein bisschen den Eindruck, dass die Abend dämmerung eingesetzt hat.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Freuen Sie sich nicht zu früh, Herr Stoch!)

Ich habe gehört, dass der Herr Fraktionsvorsitzende Schwarz bereits über die „Stuttgarter Zeitung“ mit winselndem Unter ton darum bat, dass er weitermacht.

(Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Herr Schwarz winselt nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schatten des Mi nisterpräsidenten – auch der Schatten eines jeden Grünen – ist schwarz, und der Schatten dieses Ministerpräsidenten wird immer größer.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Schwarz? Was meinen Sie denn damit?)

Ich glaube, dass wir in diesem Land mehr Innovation, mehr Zuversicht und mehr Zukunft brauchen, als diese Regierung aus Grünen und Schwarzen zustande bringt.

Herzlichen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE)

Das Wort erhält Herr Frak tionsvorsitzender Dr. Rülke für die FDP/DVP-Fraktion.

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die entsetzten Reaktionen des Kollegen Schwarz auf den schwarzen Schatten legen fast den Verdacht nahe, dass der Kollege Stoch sozusagen in das Grü ne getroffen hat.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das Schwarze im Grünen getroffen! – Minister Winfried Hermann: Der Gelbe wirft auch einen schwarzen Schatten!)

Zu dem Redebeitrag des Ministerpräsidenten: Herr Minister präsident Kretschmann, das war ein durchaus beachtliches Fleißsammelsurium der Spiegelreferate des Staatsministeri ums. Alles, wofür in Baden-Württemberg in diesem Haushalt Geld ausgegeben wird, hat irgendwo Beachtung gefunden. Aber es steht ja der Vorwurf im Raum, es fehle so etwas wie ein übergreifender Gedanke dieser grün-schwarzen Koalition. Wo will sie hin? Dem begegnen Sie dann mit recht hübschen Zitaten, beispielsweise von Roosevelt:

Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst...

Das ist ein bemerkenswerter Ausspruch. Allerdings stellt sich schon die Frage: Was heißt das jetzt für die baden-württem bergische Landespolitik?

Oder: „Meine Landesregierung hat einen klaren Kurs.“ Es fragt sich nur, Herr Ministerpräsident, wohin dieser klare Kurs führt.

Wenn dann gar nichts mehr hilft, dann entdecken Sie nach et wa zwei- bis dreijähriger Pause den alten Ladenhüter „Poli tik des Gehörtwerdens“ neu und sagen: „Das ist es jetzt, die Politik auf Augenhöhe.“ Sie haben ja diese Politik des Gehört werdens schon selbst ad absurdum geführt, und zwar mit Ih rem Satz, Politik des Gehörtwerdens heiße ja nicht, dass man auch erhört wird. Dies heißt mit anderen Worten: „Die Bevöl kerung darf zwar ihre Meinung sagen, aber entscheiden tun wir.“ Da stellt sich dann natürlich die Frage: Was ist dann an ders geworden? Denn Meinungsfreiheit, Herr Ministerpräsi dent, gab es schon vor dem Jahr 2011.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Ja, stimmt! Nachbar schaftsgespräche auch!)

Nachbarschaftsgespräche gab es auch schon. Nachbar schaftsgespräche gab es, glaube ich, schon im Mittelalter. Aber man kann natürlich jeglichen alten Wein in neue Schläu che gießen.

Sie reden dann von Augenhöhe, Herr Ministerpräsident. Kol lege Stoch hat es zu Recht angesprochen: Augenhöhe hat ei ne Regierung zunächst mal gegenüber dem Parlament aufzu bringen.

(Beifall des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

Wenn man sich anschaut, wie Ihre Regierung in letzter Zeit beispielsweise Parlamentsanfragen beantwortet oder wie die Präsenz der Mitglieder Ihrer Landesregierung bei Plenarde batten aussieht, kann ich Ihnen nur sagen: Augenhöhe sieht anders aus. Es handelt sich um eine abgehobene Landesregie rung, die wir da vor uns haben.