Die Einheit Europas war ein Traum von wenigen. Sie wur de eine Hoffnung für viele. Sie ist eine Notwendigkeit für... alle.
Ich bin überzeugt davon, dass dieser Satz heute mehr denn je Gültigkeit hat. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, sage ich: Baden-Württemberg ist heute nicht mehr nur das Modell deutscher Möglichkeiten, auf das Theodor Heuss einst seine Hoffnungen gerichtet hat. Es ist längst zum Beweis dieser Möglichkeiten geworden. Wir werden diesen Beweis von Neuem antreten. Wir werden das Bild „Mission Zukunft Baden-Württemberg 2025“ ausmalen. Diese Koalition stellt die Weichen für Baden-Württemberg 2025. Wir wollen, das Baden-Württemberg im Glücksatlas der Republik wieder ganz oben steht.
Ich komme zum Schluss: „Attempto!“, habe ich am Anfang gesagt. Machen wir uns auf den Weg, auf einen Weg der Si
cherheit und des Zusammenhalts, auf einen Weg der Neugier und des Unternehmergeistes, auf einen Weg der Chancen für alle.
Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen! Im Rahmen der Aussprache über die Re gierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten stellt sich für die SPD-Landtagsfraktion die Frage: Wie gehen wir mit der Regierungserklärung um? Wie gehen wir mit dem Inhalt des Koalitionsvertrags um,
da wir doch fünf Jahre lang mit dem größeren Partner in der neuen Regierung dieses Land – so meine ich – erfolgreich und gut regiert haben?
Viele Journalisten haben natürlich gefragt: „Herr Stoch, was können Sie jetzt in der Aussprache über die Regierungserklä rung vorbringen?“ Denn wenn Sie genau in den Koalitions vertrag schauen, wenn Sie auch die Regierungserklärung an schauen, dann stellt sich doch an vielen Stellen die Frage: Wä re denn bei einer Fortsetzung der von Grünen und SPD ge führten Regierung so vieles anders gestaltet worden?
Wir werden, sehr geehrter Herr Ministerpräsident und liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, nicht an den Stellen die verbale Keule auspacken, an denen es darum geht, das Land in der Linie der letzten fünf Jahre weiterzuent wickeln. Ich werde nachher auch zu verschiedenen Themen bereichen kommen, bei denen ich meine, dass wichtige und richtige Entscheidungen getroffen wurden. Aber ich werde für die SPD-Landtagsfraktion natürlich auch an den Stellen deut liche Kritik üben, an denen wir das Gefühl haben, dass Ent scheidungen, die jetzt für die Zukunft dieses Landes wichtig sind, nicht getroffen werden, weil keine konkreten Aussagen in diesem Koalitionsvertrag zu finden sind.
Ich darf vorweg betonen und darf Ihnen, Herr Ministerpräsi dent, da die volle Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion zusagen: Sie reden einem Bild von Baden-Württemberg als einem weltoffenen und toleranten Land, einer offenen Gesell schaft das Wort. Ich glaube, es sollte unser aller Interesse sein, gerade im Hinblick auf die Herausforderungen dieser Zeit zu betonen, dass uns dieses Ziel verbindet, dass vier Fraktionen in diesem Landtag wissen, was sie an diesem weltoffenen und toleranten Baden-Württemberg haben – nicht nur aus gesell schaftlichen, auch aus wirtschaftlichen Gründen und weil es der Moral und der Ethik in unserem Land entspricht.
Ich möchte an dieser Stelle anfügen – Herr Kollege Reinhart, Sie haben mit dem Thema Europa geendet –: Für uns Sozial demokraten, für eine Partei, die seit über 150 Jahren für die Entwicklung dieser Gesellschaft Verantwortung übernimmt, ist Europa, ist der Frieden in Europa, ist vor allem auch die gesellschaftliche Entwicklung in Europa ein ganz wichtiges Bindeglied für eine gute Entwicklung in Baden-Württemberg und in Deutschland. Deswegen, Herr Ministerpräsident, wer den wir auch bei der Frage „Wie stellt sich Baden-Württem berg, wie stellt sich Deutschland im europäischen Kontext auf?“ an Ihrer Seite sein. Denn Europa muss für die Menschen ein Hoffnungszeichen sein, Europa muss ein Hort der Mensch lichkeit und der Menschenrechte sein. All dem, was in euro päischen Ländern gerade mit rechtspopulistischen Bewegun gen passiert, muss klar Einhalt geboten werden. Dafür steht die SPD in Baden-Württemberg, und dafür stehen wir alle.
Aber ich glaube, wir müssen auch ganz deutlich ansprechen, dass wir in diesem Koalitionsvertrag und in der Fortsetzung auch in der Regierungserklärung eines vermissen. Dieses ei ne, was wir vermissen, ist die gestalterische Idee. Wo ist vor allem die gemeinsame Idee von Grünen und CDU, wie die Herausforderungen unserer Zeit bewältigt werden sollen? Ge statten Sie mir den Hinweis: Wenn ich die Reaktionen der Ver treter der Regierungsfraktionen nicht nur im Rahmen der heu tigen Aussprache, sondern auch während der Regierungser klärung betrachte, sehe ich, ganz offen gesagt, noch wenig Verbindendes.
Dann müsste es, glaube ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Aufgabe sein, die nächsten Wochen und Mona te zu beobachten. Denn wenn eine Regierung, die noch gar nicht im Amt ist, damit startet, dass jemand, der offensicht lich vorhat, stellvertretender Ministerpräsident zu werden,
wütend eine Fraktionssitzung verlässt, weil in einer Probeab stimmung nicht das Ergebnis herauskam, das er sich ge wünscht hat, dann ist das kein gutes Zeichen für Baden-Würt temberg und kein gutes Zeichen für diese Regierungskoaliti on.
Natürlich werden alle Fraktionen im Landtag von BadenWürttemberg – auch die Regierungsfraktionen – Freiräume haben und Freiräume brauchen. Aber wenn man das Gefühl hat, dass Grüne und CDU nur Freiräume haben, aber keinen
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD – Zurufe der Abg. Dr. Wolfgang Reinhart und Nicole Razavi CDU)
Wenn wir nun zu den beiden Redebeiträgen der Vertreter der Regierungsfraktionen, der Kollegen Schwarz und Reinhart, kommen, dann stellen wir eines fest: Es wird versucht, ein rhetorisches Feuerwerk abzubrennen,
das aber letztlich in Überschriften verhaftet bleibt. Das ist auch ein Punkt, den ich bei der Lektüre des Koalitionsvertrags sehr kritisch sehe. Denn mit 140 Seiten ist der Koalitionsver trag von Grün und Schwarz der längste Koalitionsvertrag, den es bisher in Baden-Württemberg gab.
(Abg. Nicole Razavi CDU: Da ist ja auch inhaltlich viel drin! – Gegenruf des Abg. Reinhold Gall SPD: Viele schwarze Buchstaben sind da drin, aber keine Inhalte!)
Leider ist es so, dass dann, wenn man viel Platz braucht, meist ganz, ganz wenig Substanz und Inhalt drin sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diesen kurzen Rück blick – das sei der einzige – gestatten Sie mir doch sehr wohl: Wenn wir vielleicht in einigen Jahren einmal die Frage stel len: „Was ist denn von einer Regierung aus Grünen und CDU in diesem Land gestaltet und geschaffen worden?“, dann wird es natürlich – egal, ob für Journalisten oder für die Öffentlich keit – äußerst schwierig werden.
Wir hatten in der Vergangenheit – das war auch Teil des Ko alitionsvertrags der letzten Regierung – ein umfassendes Re formprogramm für dieses Land Baden-Württemberg begon nen, ein Reformprogramm, in dem wir z. B. im Bildungsbe reich dringend notwendige und längst überfällige Reformen angestoßen haben,
in dem wir einen Pakt für Familien geschlossen, eine Polizei reform durchgeführt, vier Mal die schwarze Null im Haushalt erzielt und die Mittel für die Krankenhausfinanzierung in Ba den-Württemberg um 47 % gesteigert haben.
Ich habe ein bisschen die Befürchtung, dass das Flüchten in diese rhetorisch geschickten Formulierungen – die aber letzt lich doch Phrasen und Worthülsen sind – eine Reaktion dar auf ist, dass man auf vielen Politikfeldern keine gemeinsame und vor allem keine verbindende Idee hat.