Protokoll der Sitzung vom 31.01.2018

Frau Präsidentin Aras! Herr Abg. Lorek, vielen Dank für diese Frage. – Ich habe im Innenministerium mit Be ginn dieses Jahres bei Herrn Staatssekretär Martin Jäger den „Sonderstab gefährliche Ausländer“ eingerichtet. Ziel ist die Beendigung des Aufenthalts von sogenannten gefährlichen Ausländern.

Der Sonderstab soll Maßnahmen der Beendigung des Aufent halts von gefährlichen Ausländern im Sinne des Fallmanage ments initiieren und koordinieren. Der Sonderstab ist hierbei Ansprech- und Koordinierungsstelle für Ausländerbehörden, Polizei, Verfassungsschutz, Innenministerium, Justizministe rium, BMI, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und al le Sicherheitsbehörden auf der Bundesebene. Der Sonderstab besteht aus einem Team von Mitarbeitern mit ausländerrecht licher Erfahrung, einem Mitarbeiter der unteren Ausländerbe hörden, einem Mitarbeiter der Polizei, und es gibt einen ver einbarten Ansprechpartner im Justizministerium.

Dieses Konzept ist bundesweit bisher einmalig. Im Vorder grund stehen die Praxis und die Umsetzung. Es geht um eine – wenn ich das mal in Anführungszeichen formulieren darf, Herr Abg. Lorek – kreative und konsequente Rechtsanwen dung in ganz konkreten, praktischen Einzelfällen. In Fällen, in denen eine Aufenthaltsbeendigung nicht machbar ist, soll eine möglichst effektive Kontrolle des Ausländers Gefahren bannen. Behandelt werden sollen also ganz konkrete Einzel fälle, ganz praktische einzelne Fälle.

Vielen Dank.

(Minister Thomas Strobl begibt sich zur Regierungs bank.)

Moment! Vielleicht gibt es weitere Fragen.

Gibt es weitere Fragen? – Herr Abg. Hinderer, bitte.

Herr Innenminister, vielleicht könnten Sie hier im Plenum einfach mal erklären, nach wel chen Kriterien ein Ausländer aus der Sicht des Sonderstabs als kriminell oder besonders gefährlich eingestuft wird und eine Sonderbehandlung erhält. Also: Welche Straftaten, Ver urteilungen usw. müssen vorliegen? Welche Definition wird angewandt?

Diese Frage, Herr Abg. Hinderer, beantworte ich Ihnen sehr gern. – Der Sonderstab beschäftigt sich mit drei Kategorien von gefährlichen Ausländern: erstens Mehrfach- und Intensivstraftätern, zweitens sogenannten Gefährdern und relevanten Personen sowie drittens besonders auffälligen Aus ländern.

Ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass besonders gefährliche Straf taten aus dem Bereich der extremistischen politischen Krimi nalität und insbesondere Straftaten nach § 100 a der Strafpro zessordnung zu befürchten sind. Diese polizeiliche Klassifi zierung als Gefährder unterliegt einer ständigen Überprüfung, bei der auch die Länder und der Bund intensiv zusammenar beiten.

Die zweite Kategorie: Sogenannte relevante Personen sind Führungspersonen, Unterstützer und Akteure innerhalb des extremistischen und terroristischen Spektrums. Hierzu müs sen ebenfalls objektive Hinweise vorliegen, die die Prognose zulassen, dass politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung – also die klassischen Taten im Sinne des § 100 a der Strafprozessordnung – unterstützt oder begangen werden. Das Gleiche gilt für Kontakt- und Begleitpersonen von Ge fährdern oder Verdächtigen einer politisch motivierten Straf tat von erheblicher Bedeutung, insbesondere einer solchen im Sinne des § 100 a der Strafprozessordnung. Die Beendigung des Aufenthalts von Ausländern, die Mehrfach- oder Intensiv straftäter sind oder die Sicherheit des Landes gefährden, ge nießt also Priorität.

Dies gilt auch für die dritte Kategorie, nämlich für besonders auffällige Ausländer. Das sind ausreisepflichtige Ausländer, die bewusst oder gewollt nachhaltig gegen die Regeln eines geordneten Zusammenlebens verstoßen und sich hartnäckig oder auf Dauer als nicht integrierbar erweisen oder eben ein fach nicht integrationswillig sind.

Deshalb wird sich der Sonderstab in enger Abstimmung mit dem Zentrum zur Unterstützung der Rückkehr in Berlin und dem Bundesministerium des Innern der Beseitigung von Ab schiebungshindernissen in diesen konkreten Fällen annehmen.

Die Auswahl der Mehrfach- und Intensivstraftäter erfolgt über eine vom LKA erstellte Liste unter besonderer Berücksichti gung der Schwere der Straftat, der Vielzahl von Straftaten und der Strafzumessung. Die Einstufung von Ausländern als Ge fährder oder relevante Personen erfolgt ebenfalls durch das LKA nach einer bundeseinheitlich verabredeten Definition. Sofern eine Abschiebung solcher Ausländer zeitnah nicht möglich ist, werden die erforderlichen Maßnahmen bzw. Sanktionen vom Sonderstab initiiert und von den jeweiligen zuständigen Be hörden veranlasst.

Herr Abg. Hinderer hat noch eine Nachfrage.

Herr Innenminister, können Sie sagen, wie viele Personen aufgrund der genannten Klassifika tion schon jetzt vom System erfasst bzw. vom Sonderstab er mittelt und beobachtet werden und gegebenenfalls welche Na tionalitäten davon betroffen sind?

Auch diese Frage, Herr Abg. Hinderer, kann ich Ihnen beantworten. Wir haben im Jahr 2018 bereits abge schlossene Einzelfälle: Ein Libanese wurde vom OLG Stutt gart wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und vom Regierungspräsidium Stuttgart mit Verfügung vom 1. Au gust 2017 ausgewiesen. Der Betroffene ist nachgewiesener maßen am 9. Januar 2018 ausgereist.

Ein Tunesier, der behauptete, syrischer Staatsangehöriger zu sein, wurde vom Amtsgericht wegen Körperverletzung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Mona ten auf Bewährung verurteilt. Es lagen Erkenntnisse vor, dass er Sympathisant des IS ist. Er wurde aus der Abschiebungs haft heraus am 15. Januar 2018 nach Tunesien abgeschoben.

Ein Algerier wurde vom RP Stuttgart mit Verfügung vom 13. Februar 2017 ausgewiesen. Der Sonderstab hat sich auf

grund einer Bürgereingabe, die Person sei nicht integrations bereit und würde durch Straftaten und pädophile Neigungen auffallen, des Falles angenommen. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat sich nachdrücklich an das algerische Konsulat gewandt und erreicht, dass ein für die Abschiebung notwen diges Passersatzpapier ausgestellt wurde. Er wurde am 17. Ja nuar 2018 nach Algerien abgeschoben.

Ein Afghane wurde zunächst als unbegleiteter minderjähriger Ausländer geführt. Er ist laut dem von der afghanischen Ver tretung ausgestellten Passersatzpapier am 1. Januar 2000 ge boren und somit seit dem 1. Januar 2018 volljährig. Er wur de, da er drei Frauen mit dem Tod bedroht hatte, nachweislich mit dem weltweiten Dschihad sympathisiert und eine hohe Wahrscheinlichkeit bestand, dass er für einen islamistischen Anschlag angeworben wird, vom LKA als Gefährder einge stuft. In der Folge wurde er in Abschiebungshaft genommen und am 23. Januar 2018 nach Afghanistan abgeschoben.

Diese konkreten Fälle aus dem Jahr 2018, Herr Abg. Hinde rer, kann ich Ihnen hier berichten.

(Abg. Rainer Hinderer SPD: Danke!)

Vielen Dank. – Damit ist auch unsere Zeit für die Regierungsbefragung beendet.

Tagesordnungspunkt 4 ist damit erledigt. – Vielen Dank, Herr Minister.

Wir kommen zum nächsten Punkt.

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausfüh rung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und zur Aus führung der Aufgaben nach § 6 b des Bundeskindergeld gesetzes – Drucksache 16/2995

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – Drucksache 16/3279

Berichterstatter: Abg. Daniel Born

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜNE Herrn Abg. Poreski.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Dieser Tagesordnungspunkt ermög licht mir nicht nur, meine Stimme zu schonen, sondern gibt uns auch Gelegenheit, etwas Zeit zu sparen. Denn die Vorla ge, die wir heute abschließend beraten, hat in der Anhörung einhellige Zustimmung gefunden. Auch in der Beratung im federführenden Wirtschaftsausschuss gab es keine Gegenstim men.

Es geht um einen finanziellen Ausgleich für die Kommunen, denen durch die Zuwanderung von Flüchtlingen in den ver gangenen Jahren erhöhte Ausgaben für die Kosten der Unter kunft entstehen. Hierfür erhöht der Bund seinen prozentualen Anteil an diesen Kosten zugunsten der Kommunen. Dadurch erhalten die Kommunen eine Art Vorauszahlung zur Abde

ckung ihrer tatsächlichen Belastung. Diese Vorauszahlung wird nachträglich mit den tatsächlichen Kosten abgeglichen; eventuelle Mehrausgaben gegenüber der Vorauszahlung wer den also ausgeglichen. Das ist ein ebenso transparentes wie faires Verfahren, für das der vorliegende Gesetzentwurf die rechtlichen Voraussetzungen schafft.

Erstaunlich ist nur, dass die SPD im federführenden Wirtschafts ausschuss als einzige Fraktion dem Gesetzentwurf nicht zu gestimmt, sondern sich bei der Abstimmung der Stimme ent halten hat. Dabei hat sie die Voraussetzungen für diese Rege lungen doch in der schwarz-roten Koalition im Bund mit ge schaffen. Wir setzen das im Land nur technisch um. Vielleicht hat die SPD zum Zeitpunkt der Ausschussberatung noch auf die Oppositionsrolle in Berlin spekuliert. – Kleiner Scherz am Rande.

In der Sache spricht jedenfalls alles für eine Zustimmung und für eine möglichst zeitnahe Umsetzung. Machen wir also ei nen Knopf daran!

(Beifall bei den Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Gramling. – Ich sehe ihn gerade gar nicht. Wer redet denn für die CDU-Fraktion?

(Unruhe – Abg. Dr. Boris Weirauch SPD: Ich könn te das auch übernehmen! – Heiterkeit)

Wir sind nun etwas schneller vorangekommen. Ich würde jetzt vorschlagen – –

(Abg. Fabian Gramling CDU betritt den Plenarsaal. – Zurufe: Er kommt! – Er ist da!)

Ah, Sie kommen. Sehr schön. Sehr gut.

(Abg. Fabian Gramling CDU: Darf ich schon? – Hei terkeit)

Herr Abg. Poreski hat seine Redezeit nicht ausgeschöpft.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Ihn hat es auch nicht interes siert! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das war ein unfreundlicher Akt! – Abg. Nicole Razavi CDU: Technisches Foul!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Kommunen sind die Grundlage und bilden die Gliederung unseres demokratischen Staates. Sie übernehmen wichtige öffentliche Aufgaben und schaffen mit Bund und Land den Rahmen dafür, dass die Bür gerinnen und Bürger sich frei entfalten und ihren persönlichen Wünschen und Zielen nachgehen können. Funktionierende Kommunen sind der Nährboden, auf dem sich das Rückgrat unseres gesellschaftlichen Lebens herausbildet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Gerhard Aden FDP/DVP)

Für dieses Funktionieren sind Bund und Land in einer ganz besonderen Verantwortung. Unsere Entscheidungen wirken sich ganz erheblich auf die Situation der Kommunen aus. Ja, unsere Entscheidungen, egal, ob bei der Ganztagsbetreuung in der Kita oder bei der Flüchtlingsunterbringung – das kann

man durchaus so sagen –, verdammen unsere Kommunen zum Handeln.

(Beifall bei der CDU)