Protokoll der Sitzung vom 31.01.2018

Aber die Frage wird doch dann sein – das ist doch das Ent scheidende –, wie sich die Fraktionen insgesamt dazu stellen. Da sind wir im Gespräch. Das ist ein ganz normales Mitein ander mit dem Koalitionspartner, dann aber auch über die Ko alitionspartner hinaus mit allen Fraktionen. Das Wahlrecht ge hört nicht zur Regierungspolitik – was üblicherweise in Koa litionsverträgen steht –, es ist Sache des Parlaments.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Aha!)

Und deshalb wird, wie ich gesagt habe, das Wahlrecht aus dem Koalitionsvertrag auf Bundesebene klugerweise ausgeklam mert.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Aha!)

Wir werden gern und jederzeit mit allen reden. Das findet üb rigens auch laufend statt, und das wissen Sie auch, Herr Kol lege.

Ich will Ihnen sagen: Wir sind alle gemeinsam betroffen von diesen Diskussionen, weil es um unser eigenes Wahlrecht geht, und jeder, der mich kennt – ich bin seit 25 Jahren in die sem Parlament –, weiß, dass man über alles reden kann, auch miteinander reden kann. Aber gleichzeitig gehört dazu, dass man – das ist wichtig und wahrhaftig – eine Haltung einbringt, die als Votum herbeigeführt wird, damit man weiß: Wo steht jede Fraktion in ihrer Haltung? Denn zum Schluss geht es um die Mehrheitsfähigkeit im Parlament, wo jeder Parlamentarier mitentscheiden und sagen will, was er will. Die Frage lautet: Welches Parlament wollen wir? Und das ist eine Frage, über die wir uns unterhalten müssen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Gögel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die AfD-Fraktion hat natürlich mit Sorge und mit In teresse, aber ohne Häme die Diskussion über die Wahlrechts reform der letzten Woche verfolgt. Es ist nicht so, dass sie völ lig unerwartet kam. Ich habe Sie schon in einer Debatte im

letzten Jahr darauf hingewiesen: Es gibt noch einige Fallstri cke in Ihrer Regierungskoalition. Ich habe u. a. auf dieses The ma hingewiesen – Sie werden sich erinnern, Herr Dr. Rein hart.

Aber ich möchte ausdrücklich die CDU-Fraktion und ihren Fraktionsvorsitzenden zu ihrer Entscheidung und zu ihrer Hal tung bei dieser Entscheidung in der letzten Woche beglück wünschen.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ul rich Rülke FDP/DVP)

Sie selbst, Herr Reinhart, mussten ja diesen Koalitionsvertrag nicht unterschreiben; das hat Herr Strobl, den die SüdwestCDU als Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2016 nicht wollte – was wir gut nachvollziehen können –,

(Heiterkeit bei der AfD)

großzügig für Sie erledigt. Aber wir fragen uns natürlich schon, liebe Abgeordnete der CDU: Haben Sie diesen Koali tionsvertrag, diesen Passus in diesem Vertrag, tatsächlich de mokratisch diskutiert, oder wurde er Ihnen lediglich diktiert? Denn die Diskussion in der letzten Woche legt diesen Schluss nahe. Letzte Woche spielten Sie Rebellion und haben wacker den einstimmigen Fraktionsbeschluss gefasst,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wacker!)

der standhaft das negierte, was andere CDU-Fraktionäre 2016 unterschrieben hatten. Wir wünschen und hoffen, dass Sie auch in den nächsten Tagen und Wochen in dieser Position standhaft bleiben.

Wir hören Ihre Worte wohl. Sie möchten natürlich die Regie rungskoalition fortsetzen, Sie wollen diesen Koalitionsvertrag einhalten. Nach dem, was man in der Presse liest und über den Flurfunk hört, ist eher zu befürchten, dass die CDU-Fraktion in dieser Position einknickt oder sogar umfällt. Dann kann man sich sicher noch an die Worte des Vaters aller Christde mokraten, unseres Altbundeskanzlers Konrad Adenauer, erin nern: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?

(Beifall bei der AfD)

Missverstehen Sie mich nicht, Herr Dr. Reinhart: Ihre Rolle hier ist tragisch,

(Lachen des Abg. Andreas Stoch SPD)

und eine zu erwartende Niederlage in dieser Position sehen wir natürlich mit einer gewissen Sorge für unser Land.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

In der Sache gibt die AfD Ihnen in dem von Ihnen noch letz te Woche vertretenen vernünftigen, ursprünglichen Stand punkt recht. Unser bestehendes Wahlrecht, meine Damen und Herren, ist demokratisch einwandfrei, subsidiär, unmittelbar repräsentativ, antizentralistisch und leistungsbezogen.

(Beifall bei der AfD)

Es stellt den Vertretungsanspruch der Bürger über die Inter essen der Parteiapparate, bringt die Kandidaten zu den Bür

gern und stärkt die Basisdemokratie innerhalb der Parteien selbst.

(Beifall bei der AfD)

Einen Grund für dessen Änderung sieht die AfD-Fraktion des halb in keiner Weise. Unser Wahlrecht in Baden-Württem berg, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist beispielgebend, ist ein Erfolgsmodell für Baden-Württemberg und für die Bun desrepublik.

(Beifall bei der AfD)

Was hat man Ihnen da in den Koalitionsvertrag geschrieben? Ich zitiere:

Damit der Landtag die baden-württembergische Gesell schaft künftig in ihrer ganzen Breite... abbildet...

(Abg. Anton Baron AfD: Jetzt wird es lustig!)

Ist unsere Gesellschaft hier in diesem Parlament schlecht ab gebildet? Das frage ich Sie. Das ließe sich vielleicht in man cher Hinsicht behaupten. Aber Ihnen liegt es ja beispielswei se auch fern, Quoten für lohnabhängig Beschäftigte oder für andere Interessengruppen einzufordern.

Wir sind territorial verfasst, und das ist gut so, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Ich weiß nicht, wie es Ihnen da heute geht; ich höre eine Men ge an einseitigem medialen Propagandagetöse zu einer Frage, die nicht durch den Landtag und seine eigeninteressierten Po litiker, sondern die basisdemokratisch durch das Volk abge stimmt gehört, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Wenn Sie hier schon angebliche Vertretungsdefizite anführen, dann fragen Sie doch endlich die Bürger selbst,

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

ob sie mit dem heutigen Landeswahlrecht zufrieden sind oder ob sie wirklich ein anderes wollen.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos] – Abg. Anton Baron AfD: Genau! – Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Denn was wird denn hier trotz Ihrer Beteuerungen und trotz Ihres Änderungsvorhabens tatsächlich abgebildet? Wird hier eine Stärkung von Frauenrechten abgebildet, wie jetzt aller orten getönt wird, und wird wieder einmal von einer Regie rung – angeblich – die Welt verbessert? Brauchen wir im Ver hältniswahlrecht einen – angeblich – zeitgemäßen Gratisbo nus für Frauenlistenplätze,

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja!)

ähnlich wie es mit den „angstfreien“ Parkplätzen vor dem Bahnhof ist?

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Nein, meine Damen und Herren, wir haben keine institutio nelle Repräsentationslücke. Es ist nun auch nicht so, dass ein im Rahmen des Verhältniswahlrechts erreichter Frauenanteil von 31 %, wie er im Bundestag besteht, uns gegenüber dem in unserem Landtag im Rahmen der Direktwahl erzielten An teil von 25 %

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

wirklich in eine andere Liga katapultieren würde. Unsere Stär ke ist die unmittelbare territoriale Repräsentation. Wir, die AfD-Fraktion, wollen Frauen ausdrücklich ermutigen, sich für Politik zu begeistern –

(Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Bitte nicht!)