Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Wenn sich alle beruhigt haben, hat der Minister wieder das Wort. – Fahren Sie bitte fort.

Ich will versuchen, anhand von ein paar Zahlen und Fakten deutlich zu machen, um was es geht.

(Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

Das renommierte Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut hat vor Weihnachten Zahlen, den sogenannten Rohstoffindex, ver öffentlicht, die deutlich machen, dass im letzten Jahr eine gan ze Reihe von Rohstoffen, die insbesondere für unser Bundes land von enormer Bedeutung sind, deutlich teurer geworden sind.

Ich will Beispiele nennen. Vor allem Rohstoffe wie Kupfer, Zinn oder Nickel, die die baden-württembergische Industrie in der Fertigung benötigt, haben sich innerhalb der letzten zwölf Monate um 22 % verteuert. Hinzu kommt, dass sich der globale Ressourcenverbrauch in den letzten 30 Jahren auf mittlerweile 80 Milliarden t pro Jahr verdoppelt hat. Progno sen verschiedener Forschungsinstitute zeigen, dass er sich in nerhalb der nächsten 30 Jahre von den heute 80 Milliarden t auf eine Größenordnung von 180 Milliarden t pro Jahr noch einmal mehr als verdoppeln wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Gleichzeitig steigen auch die Kosten dafür, diese Rohstoffe zu gewinnen. Es muss immer tiefer gebohrt werden. Es muss immer mehr Energie aufgewendet werden, um an diese Roh stoffe heranzukommen. Das heißt letztendlich auch, dass, um an diese Rohstoffe heranzukommen, die Eingriffe in die Um welt immer größer werden.

Dann ist es doch die vornehmste Aufgabe einer Hightechre gion wie Baden-Württemberg, sich Gedanken darüber zu ma chen, wie wir zukünftig die Rohstoffe, die heute schon in Um lauf sind und die in unseren Produkten verbaut sind, im Kreis lauf führen können, wie wir effizienter mit Rohstoffen, die eingesetzt werden, umgehen können, wie wir uns unabhängi ger machen können von dem einen oder anderen Rohstoff und wie wir uns auch unabhängiger machen können von dem ei nen oder anderen Rohstoff, der aus Krisenregionen kommt.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: China!)

Ich verstehe nicht, was daran falsch sein soll. Gerade an ei nem Standort wie Baden-Württemberg ist es doch die vor nehmste Aufgabe von Politik und Wirtschaft, so etwas ge meinsam voranzubringen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Alles deutet darauf hin, dass die Preise für die Rohstoffe, die die Industrie in unserem Land verarbeitet, auch in den kom menden Jahren weiter steigen. Wie gesagt, viele dieser Roh stoffe kommen nun einmal aus Krisenregionen. Gleichzeitig benötigen jedoch neue Hochtechnologien auch für die Um setzung der Energiewende immer mehr sogenannte – das ist nun einmal der Fachbegriff – kritische Rohstoffe wie etwa die eine oder andere Seltene Erde wie Indium, Gallium, Lithium und Kobalt. Bei diesen sogenannten kritischen Rohstoffen wächst die wirtschaftliche Bedeutung, aber gleichzeitig eben auch das Versorgungsrisiko.

Die Liste kritischer Rohstoffe wird immer länger. Ich will ver suchen, es an Zahlen deutlich zu machen. Die Europäische

Union hat im Jahr 2011 eine Liste herausgegeben, in der da mals 14 Rohstoffe als kritische Rohstoffe eingestuft waren. Im Jahr 2014 waren es bereits 20 Rohstoffe, im letzten Jahr waren es 27 Rohstoffe. Dann ist es doch logisch, dass man sich in so einer Hightechregion, wie Baden-Württemberg es ist, darüber Gedanken machen muss, wie wir die Versorgung der Industrie mit diesen Rohstoffen zukünftig sichern bzw. wie wir dafür sorgen können, dass wir den einen oder ande ren kritischen Rohstoff durch andere Materialien ersetzen. Da geht es um Forschungsprojekte, um Forschungsarbeit.

Auch das ist ein Thema, Herr Kollege Gruber, dieses Think tanks, den wir dort einrichten. Was soll daran falsch sein? Was soll falsch daran sein, dass wir die Rohstoffe, die in solchen Elektronikgeräten verbaut sind, zukünftig verstärkt zurückge winnen?

Derzeit wird Elektronikschrott – um einmal ein Beispiel zu nehmen – zunehmend in Containerschiffen wieder nach Asi en zurückgebracht und dort auf Halde gelegt bis zu dem Zeit punkt, an dem es sich rechnet, diese Rohstoffe wiederzuge winnen, um sie uns dann ein zweites Mal zu verkaufen.

Jetzt frage ich: Ist es schwäbisch, dass wir die gleichen Roh stoffe zweimal kaufen? Oder wäre es nicht eine schwäbische Tugend – – So viel habe ich als geborener Saarländer mittler weile in den 40 Jahren gelernt, in denen ich hier im Land le be:

(Abg. Anton Baron AfD: Wenn die Rückgewinnung teurer ist als hier!)

Es ist eine schwäbische Tugend, dass man mit diesen Rohstof fen effizient und möglichst sparsam umgeht. Dies voranzu treiben, das haben wir uns mit diesem Thinktank auf die Fah ne geschrieben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Glocke der Präsidentin)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Abg. Reich-Gutjahr zu?

Ja, bitte.

Bitte, Frau Abg. Reich-Gut jahr.

Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Frage zulassen, gerade vor dem, was Sie gerade ausführten. Wir sehen an Ihren Ausführungen die ses Spannungsfeld zwischen Umweltinteressen einerseits – E-Auto, elektrischer Antrieb – und dem begrenzt verfügbaren Material andererseits, um Elektromobilität mit Batterietech nik etc. darzustellen.

Inwiefern ist es vor diesem Hintergrund wirklich vertretbar, dass wir eine solch starke Politik zugunsten dieser Technolo gie machen? Wir brauchen doch in Baden-Württemberg viel mehr eine Technologieoffenheit, um auch mit anderen Lösun gen zu versuchen, nicht noch mehr Belastungen in diese oh nehin knappen Ressourcen hineinzutragen. Wie sehen Sie das?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der AfD)

Frau Kollegin Reich-Gutjahr, ich denke, es wur de erkannt, dass es von Anfang an als eine Strategie im Auto mobilsektor beispielsweise in Richtung Elektromobilität geht. Es wird in diese Richtung gehen. Schauen Sie nach China.

Wir waren vorletzte Woche in Norwegen. 50 % der Neufahr zeuge in Norwegen waren im letzten Jahr Elektrofahrzeuge.

(Abg. Anton Baron AfD: Wenn es die Regierung vor gibt!)

Schauen Sie in die USA.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Zwangsweise! Diktatur!)

Das heißt, es wird auch in diese Richtung gehen – was nicht heißt, dass es nicht auch andere Technologien gibt. Dann heißt es aus meiner Sicht, dass wir von Anfang an die Frage der Rückgewinnung der Rohstoffe, die darin verbaut sind, mit denken müssen.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Das regelt der Markt!)

Das machen wir heute zu wenig. Es wurde erkannt, auch in der Industrie, dass wir dieses Thema vorantreiben müssen. Das ist der Grund, warum die Industrie gemeinsam mit uns den Thinktank in Karlsruhe auf den Weg bringt. Die müssten das doch nicht machen.

Es ist nicht so – wie Sie sagen –, dass die großen Unterneh men sagen: „Nein, wir machen das selbst.“ Daimler ist am Projekt beteiligt, Bosch ist am Projekt beteiligt, Audi ist am Projekt beteiligt. Der VCI, ein großer Verband, der Verband der Chemischen Industrie, hat sich finanziell daran beteiligt. Dazu kommen eine ganze Reihe von Mittelständlern. Dann kann man doch nicht davon reden, dass die Industrie kein In teresse an diesem Projekt habe, das wir auf den Weg gebracht haben. Entschuldigung!

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich will noch deutlich machen, warum das für uns in BadenWürttemberg von enormer Bedeutung ist. Ich habe eben ge sagt, die Zahl der kritischen Rohstoffe, die wir alle importie ren, nimmt zu. Wir haben hier im Land so gut wie keine eige nen Rohstoffe. Kies, Sand, Holz und Salz sind die Rohstoffe, die in diesem Land vorkommen. Alle anderen Rohstoffe im portieren wir.

Aber zugleich sind wir wie kaum eine andere Region welt weit ein Anbieter von Zukunftstechnologien. Das heißt, wir sind von der Verfügbarkeit dieser kritischen Rohstoffe abhän gig. Daher wundert mich die kritische Haltung, die ich von Ihnen zum Teil höre.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Ich meine, man muss doch ein Interesse daran haben, dass Po litik und Wirtschaft hier gemeinsam an einem Strang ziehen, um dieses Thema voranzubringen. Dass das in der Wirtschaft mittlerweile gesehen wird, erkennen Sie auch am Ressour ceneffizienzkongress, den wir jedes Jahr hier in Baden-Würt temberg – abwechselnd in Stuttgart und Karlsruhe – veran stalten. Im letzten Jahr gab es über 1 000 Teilnehmerinnen und

Teilnehmer. Der überwiegende Teil davon kommt aus der In dustrie, und zwar von der Managementebene. Dieser Kon gress ist mittlerweile mit die größte Veranstaltung dieser Art in Deutschland.

Das heißt, auch die Industrie hat erkannt, dass es notwendig ist, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Warum hat sie es erkannt? Im produzierenden Gewerbe beläuft sich der Materialkostenanteil auf 45 %. Die Energiekosten in unseren Kernbranchen machen übrigens 3 bis 5 % aus. Mit diesen 45 % sollte man sich auseinandersetzen, um Kosten gegebe nenfalls auch zu drücken, indem man von dem einen oder an deren teurer werdenden Rohstoff wegkommt, etwas anderes entwickelt und andere Möglichkeiten findet. Ich meine, das ist doch etwas, was unsere Industrie voranbringt, was sie wett bewerbsfähiger macht.

Gleichzeitig trägt das auch dazu bei – jetzt rede ich als Um weltpolitiker –, dass man nicht mehr in den letzten Winkeln dieser Erde nach Rohstoffen buddeln muss, was in einem wachsenden Maß erforderlich wäre, weil auch Schwellenlän der und andere Länder einen wachsenden Bedarf an Rohstof fen haben. Dann ist es doch von Vorteil, wenn sich eine High techregion wie Baden-Württemberg mit der Entwicklung von ressourceneffizienten Technologien befasst. Das steht mit im Zentrum des Thinktanks, den wir in Karlsruhe einrichten.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abg. Dr. Bullinger zu?

Bitte.

Herr Minister, ich möchte Sie einfach um eine Beurteilung bitten. Zum Teil gibt es die Tendenz, dass man, wenn im Fahrzeugbau neue Tech nologien aufkommen, selbst noch hervorragend funktionie rende und erst wenige Jahre alte Fahrzeuge verschrottet und durch Fahrzeuge mit neuen Technologien ersetzt.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Genau so ist es!)

Als wir beide noch Berater waren – 1988 bis 1996 –, war Öko bilanz das Thema. Warum wird eigentlich das Kriterium Öko bilanz – es ist sehr schwierig, dies zu definieren – in der Um weltpolitik, in der Wirtschaft und in den öffentlichen Forde rungen nicht stärker in Augenschein genommen? Mit Blick auf die Ökobilanz ist es doch oft sinnvoller, wenn ein Fahr zeug noch sechs, acht Jahre fährt, als mit einem hohen Ener gieeinsatz und viel Abwasser und, und, und ein neues Fahr zeug zu produzieren. Es würde mich interessieren, warum der Maßstab Ökobilanz nicht stärker in die gesamte Denkweise in der Umweltpolitik eingeht.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Ich habe nicht den Eindruck, dass ökobilanziel le Betrachtungen in der Industrie und in der Umweltpolitik heute keine große Rolle spielten. Ganz im Gegenteil spielt das selbstverständlich eine große Rolle. Das erkennen Sie bei spielsweise daran, wie das Thema „CO2-Rucksack von Pro