Protokoll der Sitzung vom 07.03.2018

Wenn wir es ernst meinen, dass wir mehr Frauen im Landtag wollen, dann brauchen wir keine Liste. Nein, wir müssen statt dessen alle miteinander in den Parteien dafür sorgen, dass mehr Frauen in den Wahlkreisen kandidieren, dass sie den Weg ins Mandat genauso selbstverständlich anstreben, wie es die Männer tun.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Bei den Grünen – die Kollegin Walker hat es gesagt – klappt es schon ganz gut, bei uns klappt es zumindest immer besser.

Wir wollen – da spreche ich für meine Fraktion – mehr Frau en in den Parlamenten, weil die Parlamente ein Querschnitt der Gesellschaft sein müssen

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

und weil – das sage ich ganz selbstbewusst – wir Frauen der Politik auch guttun

(Beifall bei der CDU, Abgeordneten der FDP/DVP sowie der Abg. Anton Baron und Udo Stein AfD)

da könnten die Männer ruhig ein bisschen mehr klatschen –, weil wir anders ticken, weil wir anders an die Dinge heran gehen und weil wir mindestens so zielorientiert sind wie un sere männlichen Kollegen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der AfD)

Ja, wir brauchen mehr Frauen in der Politik. Aber das Wahl recht ist dafür nicht das richtige Instrument. Es führt nicht zum Ziel, im Zweifel lenkt der Zufall.

(Vereinzelt Beifall – Zuruf: Sehr gut!)

Wenn wir es ernst meinen, dann müssen wir uns schon mehr einfallen lassen. Da ist es mit Lippenbekenntnissen und Pla cebos, meine Herren, nicht getan. Dann müssen wir uns ernst haft und glaubhaft damit auseinandersetzen, wie wir Frauen für die Politik und für die Kandidatur auf allen Ebenen gewin nen können, wie wir Frauen Mut machen, an sich und ihre Fä higkeiten zu glauben. Da liegt es auch an uns Frauen selbst, die heute hier in den Parlamenten sitzen, mit gutem Vorbild, selbstbewusst voranzugehen, so wie es Marianne Weber vor hundert Jahren getan hat. Wir Frauen sind tatsächlich für die Aufgaben im Parlament sehr gut vorbereitet und auch für an dere Führungspositionen in unserer Gesellschaft.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Wolle.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Morgen, am 8. März, ist Weltfrauentag. An diesem Tag geht es darum, auf Miss stände in der ganzen Welt aufmerksam zu machen, wie z. B. Kinderarbeit, weibliche Genitalverstümmelung und Ehren morde, die dank Merkels Migrationspolitik längst in Deutsch land angekommen sind.

(Beifall bei der AfD – Oh-Rufe – Abg. Rüdiger Klos AfD: Ja, das ist die Wahrheit! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das ging jetzt aber schnell!)

Ja, es ist nicht zu leugnen: Kandel ist überall.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Das einzige Problem, das die Grünen an solch einem wichti gen Tag bewegt, ist, wie man den Frauenanteil in den Auf sichtsräten, in den Parlamenten und in den Verwaltungsspit zen erhöhen kann – wie man hört, durch die Einführung der Frauenquote.

Zu diesem Thema stellen sich uns, der AfD-Fraktion, folgen de Fragen: Wie wollen Sie verhindern, dass dies nicht, wie be reits 2003 in Norwegen, zum sogenannten Goldröckchenphä nomen führt? Weil sich nämlich dort nicht ausreichend kom petente und – wie Sie auch besprochen haben – führungswil lige Frauen fanden, besetzen dort rund 70 Frauen etwa 300 Aufsichtsratspositionen und verdienen sich eine goldene Na se.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Zweitens: Führt die politische Konzentration auf das weibli che Geschlecht nicht automatisch zu einer Diskriminierung der anderen Geschlechter Ihrer Gender-Pseudowissenschaf ten wie Transmann, Transfrau und Transgender?

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Abg. Nicole Razavi CDU: War das alles? – Zuruf von der SPD: Das war’s schon? Reicht auch!)

Wir fahren in der Aussprache fort.

(Unruhe)

Man muss die Redezeit nicht ausschöpfen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Ach so! – Abg. Andreas Stoch SPD: Sehr richtig! – Unruhe)

Die zehn Minuten sind ein Maximum.

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Wölfle.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Erst einmal Dank an die Grünen, dass sie die heutige Aktuelle Debatte zu diesem Thema beantragt ha

ben. Es war hier eigentlich jedes Jahr immer Konsens, dass wir am Rande des Internationalen Frauentags ein frauenpoli tisches Thema diskutieren. Also vielen Dank, dass Sie das heute aufgegriffen haben.

Eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt und mit gleichen Chancen ihre Lebens- und Berufsplanung ohne Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts erleben können, muss selbstverständlich sein. Dies ist unabdingbar, wenn wir uns in unserer Gesellschaft weiterentwickeln wol len.

Leider sind wir in der Realität noch nicht so weit. Das Welt wirtschaftsforum hat aktuell 144 Länder im Hinblick auf Ge schlechterlücken geprüft, und zwar unter vier Themengebie ten: wirtschaftliche Teilhabe, Zugang zu Bildung, Zugang zu Gesundheit und politische Partizipation. Hierbei landete Deutschland unter 144 Ländern auf Platz 12. Das ist aber kein Grund zur Freude, denn bei der letzten Erhebung im Jahr 2006 waren wir noch auf Platz 5.

Woran liegt das? Neben den skandinavischen Ländern über holen uns Schwellenländer wie Ruanda, die Philippinen und Nicaragua. Für unser hoch entwickeltes Industrieland, für die ses reiche und wirtschaftlich starke Land ist das wirklich kaum zu akzeptieren.

Staaten wie Burundi, Barbados und Bahamas haben im Be reich „Wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit“ bes sere Arbeitsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt als Deutsch land. Diesbezüglich liegen wir auf Platz 43 hinter Australien.

Wir hinken also bereits Jahrzehnte hinterher. Schweden hat schon vor 40 Jahren die entsprechenden Weichen gestellt; heu te sieht man die Erfolge. So lange will ich nicht warten, bis wir eine geschlechtergerechte Gesellschaft haben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Noch nie waren Frauen besser ausgebildet als heute. Die heu te eher späte Mutterschaft ist auch ein klares Indiz dafür, dass sich Frauen zunächst einmal ein Fundament schaffen wollen, auf dem sie später, nach der Elternpause, aufbauen können.

Im Jahr 2018 haben die baden-württembergischen Frauen die höchste Geburtenrate seit 1973. Das hat seine Ursache nicht darin, dass sich Frauen am liebsten mit Kindern, Küche und Kirche beschäftigen, sondern sie wollen sich natürlich auch beruflich weiterentwickeln.

Die Rahmenbedingungen für die Frauen haben sich seit 1973 verbessert. Daran haben wir, die SPD in Bund und Land, ei nen erheblichen Anteil.

(Beifall bei der SPD – Abg. Anton Baron AfD: Selbst lob stinkt!)

Der Ausbau der Elternzeit, der Rechtsanspruch auf Rückkehr in den Job und der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem zweiten Lebensjahr helfen beiden Elternteilen, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.

(Abg. Anton Baron AfD: Nur kann sich das keiner leisten!)

Dazu haben wir, die SPD, gemeinsam mit unserem Koaliti onspartner – liebe Kollegin Walker, das haben wir gemeinsam getan; es war nicht allein ein grüner Erfolg; wir haben das ge meinsam gemacht – in der letzten Legislaturperiode den Pakt für Familien auf den Weg gebracht und haben damit einen ent scheidenden Sprung nach vorn tun können.

Wir haben jetzt also hervorragend ausgebildete Frauen, die sich nach dem ersten Kind nicht in die berufliche Versenkung zurückziehen müssen. Sie arbeiten als Altenpflegerinnen, als Polizistinnen, im Handwerk, in den Verwaltungen oder in der Industrie. Sie sind heute – das war vor hundert Jahren noch sehr viel anders – auch als Ärztinnen und als Richterinnen auf dem Vormarsch. So weit, so gut.

Wir haben aber immer noch ein großes Delta, wenn wir uns die Leitungsebenen anschauen. Sogar in Bereichen, in denen mehrheitlich Frauen tätig sind, finden sich in der Leitungsebe ne überwiegend Männer. Das können wir am Beispiel Pflege und Gesundheit sehr gut beobachten. So sind heute von den Studienabsolventen im Bereich Medizin fast zwei Drittel Frauen. Der Anteil der Frauen unter den leitenden Ärztinnen und Ärzten in unseren baden-württembergischen Krankenhäu sern liegt aber bei 9 %.

(Abg. Anton Baron AfD: Auf der Baustelle sieht es auch ganz mau aus!)