Protokoll der Sitzung vom 07.03.2018

Bekämpfen Sie diesen Antisemitismus, indem Sie kriminelle Ausländer abschieben, meine Damen und Herren. Das ist das Entscheidende in dieser Debatte.

(Beifall bei der AfD – Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Was für ein Auftritt!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen, liebe Kollegen!

(Abg. Anton Baron AfD: Von der Vergangenheit spricht man nicht!)

Ich denke, wir sind gerade eben Zeugen eines ganz grotesken Schauspiels geworden,

(Zuruf: Allerdings!)

nämlich des Schauspiels, wie ein Fraktionsvorsitzender der AfD so tun möchte, als habe seine Partei mit diesem Thema nichts zu tun. Herr Gögel, Ihre Partei – ich sage es noch ein mal – ist wegen dieser fehlenden Distanzierung zum Antise mitismus eine Schande für dieses Land Baden-Württemberg.

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin dem Minis terpräsidenten sehr dankbar, der in seiner Rede ja insbeson dere auch auf das historische Erbe hingewiesen hat. Das his torische Erbe, ob es uns gefällt oder nicht, ist für uns, in un serer Generation, auch das Unrecht während des Nationalso zialismus. Das ist Geschichte, die nicht bereits Jahrtausende zurückliegt, sondern – wenn Sie es genau nehmen – Geschich te, die gerade einmal knapp 80 Jahre zurückliegt. Das heißt, es gibt noch Menschen, die diese Zeit selbst erlebt haben.

Für diese Generation, die heute auch in diesem Parlament sitzt, geht es nicht um den Begriff der Schuld, sondern um den Begriff der Verantwortung. Die Verantwortung liegt bei uns allen hier im Parlament und in unserer Gesellschaft: dass wir nämlich aus den Gräueln der Vergangenheit die richtigen Leh ren für die Gegenwart und die Zukunft ziehen.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU – Vereinzelt Beifall bei der AfD und der FDP/DVP)

Die richtigen Lehren müssen doch sein: Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der Menschen, die aufgrund ihrer Reli gion, ihrer Hautfarbe, ihres Andersartigseins Angst haben müssen, an den Rand der Gesellschaft gedrängt zu werden, Angst haben müssen, Opfer von Kriminalität, von Gewalt zu werden, oder gar um ihr Leben fürchten müssen? Dann müs sen wir doch heute, im Jahr 2018, ganz klar sagen: Die Leh ren des Nationalsozialismus, die Lehren des Antisemitismus müssen sein: Wir wollen in einer freien, in einer offenen, in einer gerechten, vor allem aber in einer friedlichen Gesell schaft leben, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP sowie Abgeordneten der AfD)

Herr Abg. Stoch, lassen Sie ei ne Zwischenfrage des Herrn Abg. Räpple zu?

Frau Aras, ganz sicher nicht. Je mand, der in diesem Parlament den Begriff „Schuldkult“ ge braucht, der hat sich für ein Dasein hier im Parlament von Ba den-Württemberg disqualifiziert, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP)

Ich bin dem Herrn Ministerpräsidenten auch dankbar für den Hinweis auf die Gedenkstätte Yad Vashem. Ich selbst hatte Gelegenheit, diese Gedenkstätte zu besuchen, und muss Ih nen sagen: Es war für mich ein äußerst bewegendes Erlebnis, diesen Teil unserer Geschichte dort in Verbindung mit der Existenz so vieler ganz konkreter Menschenschicksale erle ben zu dürfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer diese Gedenk stätte besucht und daraus nicht tief erschüttert hervorgeht, wer dort nicht auch mit dem Auftrag hinausgeht, dass so etwas in diesem Land nie wieder passieren darf, den verstehe ich nicht.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wer – wie die AfD-Fraktion – versucht, dieses Verbrechen des An tisemitismus zu relativieren, indem andere historische Fehler, Versäumnisse und auch Verbrechen dagegen ins Feld geführt werden und indem versucht wird, dies gegeneinander aufzu wiegen,

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Sie wissen, dass Sie mit dieser Aussage lügen! – Gegenruf von der SPD: „Lü ge“!)

der relativiert den Antisemitismus. Ich sagen Ihnen eines, Herr Gögel: Rassismus und Antisemitismus sind nicht Ausdruck

von Meinungsfreiheit, sondern Verbrechen, meine sehr geehr ten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und den Grünen sowie Abgeord neten der CDU und der FDP/DVP – Glocke der Prä sidentin)

Herr Abg. Stoch, lassen Sie ei ne Zwischenfrage der Frau Abg. Dr. Baum zu?

Da gilt das zuvor Gesagte, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Zuruf der Abg. Dr. Christina Baum AfD)

Ich möchte noch eines sagen, denn ich glaube, dass dies ganz wichtig ist, weil auch die Vertreter der christlichen Kirchen, der evangelischen und der katholischen Kirche, heute hier sind. Wenn sich Herr Gögel darauf beruft, dass er hier angeb lich das christliche Weltbild vertrete, dann kann ich Ihnen ei nes sagen: Mit dem, was Sie heute in Ihrer Rede wieder ge tan haben, indem Sie nämlich über Angehörige anderer Reli gionen – in diesem Fall über Muslime – in einer pauschalen Art und Weise urteilen, die keinem Menschen gerecht wird, handeln Sie ganz und gar nicht im Sinne der christlichen Kir chen.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Sie reden ja auch pauschal gegen die AfD! – Zu- und Gegenrufe von der SPD und der AfD – Unruhe)

Ich glaube, ich kann im Sinne aller Christinnen und Christen hier in diesem Parlament sehr deutlich sagen: Wer glaubt, mit christlichen Werten die Ausgrenzung anderer Menschen und anderer Religionen begründen zu dürfen, der hat das Chris tentum in seinem Kern nicht verstanden, Herr Gögel.

(Anhaltender Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion ist zunächst einmal dankbar dafür, dass Sie, Herr Ministerpräsident, ange kündigt haben, dass sich Ihre Landesregierung hinter diese Resolution, die wir am heutigen Tag mit der großen Mehrheit der demokratischen Fraktionen hier in diesem Parlament be schließen werden, stellt. Wir sind dankbar, dass Ihre Regie rung ankündigt, dies umzusetzen.

Ich denke, es wird notwendig sein, in den nächsten Jahren bei de Formen des Antisemitismus, die wir in Deutschland leider wieder vorfinden, zu bekämpfen, nämlich einen gesellschaft lichen Antisemitismus, der überwiegend von außen hereinge tragen wurde, aber neuerdings eben auch Antisemitismus in den Parlamenten. Es ist bedauerlich, dass wir einen Antisemi tismusbeauftragten brauchen.

(Abg. Emil Sänze AfD: In der Tat, in der Tat!)

Vor einigen Jahren war mein Eindruck, dass es in diesem Land eigentlich keine große Rolle mehr spiele, welche Religions zugehörigkeit ein Mensch hat,

(Abg. Emil Sänze AfD: Habe ich auch gedacht!)

welche Herkunft oder welche Rasse. Ich glaubte, man betrach te den Menschen an sich und beurteile ihn als Individuum. Leider ist es mittlerweile so, dass wieder über die Religions zugehörigkeit und über die Rasse von Menschen gesprochen wird und Menschen nicht primär als Individuum, sondern auf grund ihrer Religionszugehörigkeit beurteilt werden.

Wenn sich die AfD gegen den Vorwurf wehrt, antisemitisch zu sein, ist es interessant, dass Sie dabei immer den Versuch unternehmen, das Ganze umzudrehen und zu sagen: Wir kön nen ja gar nicht Antisemiten sein, denn wir sind ja gegen die Muslime.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Die eine Form der pauschalen Verunglimpfung wird von Ih nen durch eine andere Form der pauschalen Verunglimpfung ersetzt. Das ist das moralische Defizit, das Sie auszeichnet.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Wir sehen die Realitäten!)

Ja, ja, Sie sehen die Realitäten, Herr Gögel. Ihre vollständi ge moralische und intellektuelle Zuverlässigkeit haben Sie ja nun in diesem Prozess zur Schau gestellt. In der vergangenen Woche gab es eine Präsidiumssitzung des Landtags von Ba den-Württemberg – ich nehme an, Sie erinnern sich. Zu Be ginn hatten Sie angekündigt: „Wir würden ja gern mitmachen bei diesem Antrag, bei dieser Resolution“ – eine Resolution, die schon vorgelegen hat. Sie haben angekündigt, mitmachen zu wollen. Am liebsten wären Sie auch noch weiterer Antrag steller geworden. Offensichtlich war das ein Aufnahmeantrag in die Kartellparteien, Herr Gögel,

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Dr. Christina Baum AfD: Keine Sorge! Machen Sie sich da keine Sorgen! – Vereinzelt Beifall)

den Sie da in der Präsidiumssitzung stellen wollten. Dann ha ben wir aber gesagt: Nein, solange Leute wie Herr Gedeon bei Ihnen geduldet werden, solange Leute wie Sie, Frau Baum, in diesen Reihen sitzen und ihre antisemitischen und rassisti schen Ausfälle zu Protokoll geben, so lange können Sie eben nicht Mitantragsteller werden. Sie können nun zustimmen oder auch nicht. Das ist scheinheilig.

Heute stellen Sie sich nun hier hin und sagen: „Wir enthalten uns, denn wir durften ja nicht mitmachen; wir enthalten uns, weil wir wahrscheinlich das Ganze auch inhaltlich nicht tra gen können.“

(Zuruf von der AfD: Stimmt nicht! – Gegenruf des Abg. Sascha Binder SPD: Dann stimmen Sie doch zu!)

Sie können das ja dann anschließend noch einmal klarstel len.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE zur AfD: Hören Sie Ihre eigenen Reden noch mal an!)

Zu den Inhalten wurde ja nichts gesagt.

(Zuruf von der AfD: Von Ihnen auch nicht!)