Protokoll der Sitzung vom 12.04.2018

Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: Der Landwirt schaftsminister und der Minister für den ländlichen Raum und für den Tierschutz schaut jetzt nicht weg nach dem Motto: „Machen wir bei den Schlachthofauflagen einen maßvollen Vollzug, damit wir die Betriebe halten.“ Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass auch die Schlachthofbetreiber durch Inves titionen immer wieder auf dem Stand der Tierschutzanforde rungen bleiben. Und das haben wir getan.

Missständen gehen wir unverzüglich nach. Ich habe bisher noch keine PETA-Anzeige erlebt; ich hatte noch überhaupt keine SOKO-Tierschutz-Anzeige bei mir auf dem Tisch. Ich habe bisher immer nur Pressemitteilungen gelesen oder Fern sehsendungen angeschaut. Ich frage mich natürlich schon: Was sind das für Tierschützer, die Tiere wochenlang leiden lassen,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

wenn sie um Zustände wissen, die nicht in Ordnung sind, dies aber den zuständigen Behörden nicht melden?

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der FDP/DVP)

Das hat doch mit Tierschutz nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Wir und die Behörden gehen jedem Hinweis nach. Ich sage Ihnen ganz klar: Beim Tierschutz gibt es keine Rabatte – nir gendwo in diesem Land. Da wird unverzüglich gehandelt. Da rauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der FDP/DVP)

Das haben wir auch in Tauberbischofsheim so gemacht. Als die Missstände durch eine Fernsehsendung bekannt geworden sind, sind wir dem unverzüglich nachgegangen. Der Schlacht hof wurde unverzüglich geschlossen. Ich bin froh und dank bar, dass sich der Betreiber des Schlachthofs, ein internatio nal agierendes Unternehmen, bei der Auflagenerfüllung sehr kooperativ gezeigt hat – trotzdem hat es acht Wochen gedau ert –, sodass der Schlachthof nächste Woche seinen Schlacht betrieb unter strengen Auflagen, deren Einhaltung in den nächsten Wochen noch einmal streng kontrolliert wird, wie der aufnehmen kann.

Weil Sie, Herr Kollege Gall, gefragt haben – – Also, Sie ha ben nicht gefragt. Sie wollten es ja schon in der Ausschusssit zung nicht wissen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, Kollege Gall hat eine Zwischenfrage.

Ja.

Bitte schön, Kollege Gall.

Herr Minister, gehen Sie davon aus: Ich will das wissen; ich will es aber ordentlich diskutiert haben mit einer ordentlichen Vorbereitung.

Zu Ihrer Aussage, dass sich der Betreiber sehr kooperativ ge zeigt habe: Stimmt es, dass er erst mal Widerspruch gegen die Schließung eingelegt hat?

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Er wird Ju risten im Haus haben und das auch probieren!)

Das ist mir nicht bekannt.

Ich wollte nur wissen, ob meine Information stimmt.

Das ist mir nicht bekannt. Der Betrieb war ja ge schlossen.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Eben! Dagegen hat er Wi derspruch eingelegt!)

Ich weiß zwischenzeitlich, dass er Widerspruch gegen Aufla gen aus früherer Zeit eingelegt hat und dieser Widerspruch dann bearbeitet wurde. Das weiß ich. Mir ist aber nicht be kannt, dass er gegen die Schließung Widerspruch eingelegt hätte. Der Betrieb war ja auch geschlossen. Insofern ist da kein Problem entstanden.

Der Betrieb war geschlossen, und der Betreiber hat in Koope ration mit den Veterinärbehörden die Auflagen angenommen. Ich habe die Auflagen der heutigen Pressemitteilung beige fügt. Das ist ein ganzer Katalog. Er besteht nicht nur aus bau lichen Maßnahmen, sondern auch aus Organisationsmaßnah men, aus Schulungsmaßnahmen, aus Dokumentationsaufla gen. Die Dokumentationsauflagen kann er erst erfüllen, wenn er den Betrieb wieder am Laufen hat.

Er hat sich kooperativ gezeigt. Das kann ich nur feststellen. Das ist jetzt keine Wertung. Jetzt wird sich herausstellen, wie er sich in den nächsten Wochen bewährt. Wir werden ihn na türlich auch weiterhin streng beaufsichtigen.

Was das Thema Schlachthofkontrollen angeht – die Kollegin Braun hat das vorhin dargestellt –: Schlachthöfe werden stän dig kontrolliert. Denn bei den Schlachtungen ist immer ein amtlicher Veterinär dabei,

(Abg. Gabi Rolland SPD: Warum ist das niemandem aufgefallen?)

der beim Tierschutz z. B. nicht nur die veterinärhygienischen Fragen – also den sogenannten reinen Teil, wenn das Tier tot ist – begutachtet, sondern der von der Anlieferung bis hin zum Tod der Tiere alles begutachtet. Da gibt es klare Vorschriften. Deshalb haben wir auch Veterinäre vor Ort, die sich darum kümmern.

Ich habe veranlasst, dass wir in diesem Halbjahr das Schlacht hofmonitoring, das eine umfassende Überprüfung der Abläu fe und der Dokumentationen betrifft, nach dem Vorfall von Tauberbischofsheim für alle Schlachthofbetriebe in BadenWürttemberg ausnahmsweise noch einmal durchführen. Das kann man aber nicht von heute auf morgen machen. Man muss für jeden Schlachthof mindestens ein bis zwei Wochen Be triebs- und Untersuchungsdauer rechnen. Das heißt, es wird im Prinzip ein halbes Jahr in Anspruch nehmen, bis wir mit einem Intensivmonitoring in allen Schlachthöfen durch sind. Letztlich sind in dieser Zeit trotzdem ständig amtliche Vete rinäre vor Ort. Es muss klar sein, dass Schlachtungen immer unter der Aufsicht von amtlichen Veterinären laufen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben auf der Tagesordnung der Agrarministerkonferenz das Thema Tier transporte angehängt. Ich will dort das Ergebnis des runden Tisches im Hinblick auf die Verbesserungen auf EU-Ebene zum Themenvorschlag „Tierschutz beim Transport in Dritt länder“ noch einmal zur Sprache bringen.

Wir setzen uns dabei für eine verbindliche Kennzeichnung der Tierhaltungsformen bei frischem Fleisch auf der Fleischpa ckung in Anlehnung an die existierende Kennzeichnung der Haltungsformen bei Eiern ein. Das ist ein Thema des Koali tionsvertrags, das wir aufgreifen. Wir wollen auch bei den ver packten fleischlichen Lebensmitteln, die industriell hergestellt werden, Rückverfolgbarkeiten haben, die Aufschluss über die

Tierhaltungsform geben. Damit erreichen wir letztlich eine höhere Transparenz bei den Verbrauchern – zumindest bei de nen, die Interesse daran haben.

Ich glaube, das ist heutzutage machbar und möglich. Deshalb wollen wir das haben. Es macht aber keinen Sinn, das allein in Baden-Württemberg einzuführen. Das muss man, glaube ich, mindestens bundesweit tun. Ich halte es aber für einen wesentlichen Fortschritt, wenn dies entsprechend geschieht.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Wir haben in Baden-Württemberg auch hohe Standards zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, weil wir die Lebensmittel als Endprodukt genau überwachen. Um die Le bensmittel aber überhaupt erst zu erzeugen, brauchen wir ei ne leistungsfähige Landwirtschaft – konventionell wie biolo gisch.

In beiden Fällen braucht es dazu auch Pflanzenschutz und Düngung. Klar ist aber auch: Wenn bei der Erzeugung auf Hilfsmittel wie Dünger oder Pflanzenschutzmittel verzichtet werden kann, versuchen wir, das beratend zu vermitteln und den Landwirten nahezubringen.

Deswegen haben wir im Bundesrat auch gerade die Forderung unterstützt, so schnell wie möglich aus der Anwendung von Glyphosat auszusteigen und dort, wo das noch nicht möglich ist, Alternativen zu entwickeln. Wir haben gefordert, gemein sam mit der Landwirtschaft eine Ackerbaustrategie umzuset zen und die nationale Biodiversitätsstrategie, insbesondere den Insektenschutz, adäquat mit Fördermitteln zu untermau ern.

Jetzt sagen Sie mir, Herr Kollege Gall, wo ich beim Insekten schutz verharmlost hätte.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das haben Sie wiederholt gemacht!)

Ich habe nur beschrieben, dass es bisher ein paar unerklärte Phänomene gibt.

Ich habe nie bezweifelt, dass es weniger Insekten gibt. Ich sa ge nur: Ob die Landbewirtschaftung daran Schuld trägt, das muss erst bewiesen werden. Das ist nämlich bisher nur eine schiere Behauptung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich bezweifle zumindest, dass es allein die Landwirtschaft ist.

Deshalb machen wir seitens der Landesregierung im Rahmen unserer Biodiversitätsstrategie ein umfassendes Monitoring, um den Ursachen des Insektenschwunds auf die Spur zu kom men. Das ist doch absolut legitim, und das spricht doch für mehr Seriosität, als wenn man einfach sagt: „Die sind schuld, und jetzt müsst ihr etwas dagegen machen.“ Und wir wissen gar nicht, was wir dagegen machen sollen. Man kann auch nicht sagen: „Mengenreduktion ist das Mittel, um das Heil der Welt zu erzielen“, sondern wir müssen doch versuchen,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Mengenzuwachs aber auf gar keinen Fall!)

eine risikoorientierte Pflanzenschutzmittel-Reduktionsstrate gie zu betreiben. Das ist doch das ganz Entscheidende.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie Kupfer ausbringen, dann ist das genauso ein Schwermetall, genauso ein Pflanzenschutzmittel – natürlich im biologischen Landbau. Aber es ist nicht minder schädlich für die Böden, weil es sich anreichert. Deshalb muss man das risikoorientiert betrachten.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr rich tig!)

Ich werbe dafür, dass wir eine risikoorientierte Strategie be treiben. Ich kann Ihnen sagen: Wir sind dabei nicht allein. Wenn Deutschland und damit auch Baden-Württemberg, weil wir genau nach dem Nationalen Aktionsplan in der Pflanzen schutzmittel-Minderungsstrategie verfahren, von der Europä ischen Union ausdrücklich gelobt werden, dass wir letztend lich nicht eine schiere Mengen-, sondern eine Wirkstoff- und Risikoindikatorenreduktion zu betreiben versuchen, dann füh le ich mich wissenschaftlich zumindest bestätigt – auch von denen, die fachlich durchaus ein Stück weit eine Ahnung ha ben.

Man muss auch einmal festhalten, wo die Erfolge liegen. Wir konnten mittlerweile beispielsweise im Bereich des Weinbaus – dort, wo es um die Frage des Nützlingseinsatzes geht – vie le Pflanzenschutzmittel ersetzen, weil wir in Deutschland beim Nützlingseinsatz führend sind. Ich will mich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern die Forschung dahin gehend weiterhin intensivieren. Das, was im Weinbau und im Unter glasanbau bei den Sonderkulturen möglich ist, kann man auch auf andere ackerbauliche Kulturen ausweiten. Ich glaube, es ist auch notwendig, dass wir das tun.

Aber dass wir heute schon zwei Drittel der Weinbaufläche im Land, rund 17 000 ha, quasi insektizidfrei bewirtschaften, wird immer ein Stück weit vernachlässigt. Das heißt nicht, dass sie herbizidfrei bewirtschaftet werden – aber insektizid frei auf alle Fälle. Dass sie fungizidfrei bewirtschaftet wer den, heißt es auch nicht. Aber immerhin müssen nicht ständig Einsätze gegen Insekten erfolgen.