Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Nach Fukushima beschloss der Deutsche Bundestag dann end lich fraktionsübergreifend den Atomausstieg – ein längst über fälliger Schritt, und auch ein historischer Erfolg für uns Grü ne.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Dennoch: Mit den Folgen der jahrzehntelang verfehlten Atom politik kämpfen wir natürlich weiter. Wie soll denn auch Si cherheit für Hundertausende von Jahren gewährleistet wer den, wenn schon die Fässer in der Asse nach 30 Jahren rosten und undicht sind?

Auch wenn wir Grünen immer gegen die Atomkraft eingetre ten sind und auch weiter dagegen eintreten, gehört für uns zum Ausstieg jetzt auch ganz klar, Verantwortung zu übernehmen für einen transparenten und auch möglichst sicheren Umgang mit den atomaren Abfällen, für die Suche nach dem bestmög lichen Standort für ein Endlager in Deutschland. Gerade des halb haben wir uns sehr maßgeblich am Zustandekommen des deutschen Endlagergesetzes beteiligt. Deshalb setzen wir den Atomausstieg in Baden-Württemberg auch konsequent und verantwortungsvoll um, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für das Kernkraftwerk Obrigheim wurde vor wenigen Tagen die letzte Abbaugenehmigung erteilt. Damit ist jetzt ein wei terer Meilenstein für den Atomausstieg im Land erreicht. Jetzt wird der komplette Abbau von Anlagenteilen und auch der Kontrollsysteme möglich, auch deshalb, weil 2017 die abge brannten Brennelemente von Obrigheim nach Neckarwest heim transportiert worden sind, sodass zukünftig kein Zwi schenlager in Obrigheim mehr erforderlich ist. Auch das ist auf jeden Fall der richtige Weg.

2019 und 2022 werden dann auch die Atomkraftwerke in Phi lippsburg und Neckarwestheim endgültig stillgelegt. Das ist eine große Erleichterung für uns alle, auch für die Bevölke rung in unserem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Natürlich sind mit dem Rückbau auch Probleme verbunden. So stellt die Deponierung der freigemessenen Abfälle die Landkreise vor große Herausforderungen. Wir setzen auch hier auf größtmögliche Sicherheit und Transparenz. Dabei leisten die Infokommissionen, die das Land in Philippsburg und in Neckarwestheim eingerichtet hat, eine ganz wesentli che Arbeit, meine Damen und Herren.

Der Atomausstieg kann aber nur funktionieren, wenn auch un sere Nachbarn mitziehen. In Baden-Württemberg sind das be kanntlich Frankreich und die Schweiz. Hier ist, auch dank der Anstrengungen der grün geführten Landesregierung, einiges vorangekommen. Die Abschaltung von Fessenheim ist end lich in erreichbare Nähe gerückt. Erst vor zwei Wochen hat

der baden-württembergische Ministerpräsident mit dem zu ständigen französischen Staatssekretär Lecornu Gespräche da zu geführt und auf ein schnelles Abschalten des Reaktors in Fessenheim gepocht.

Für uns ist wichtig, dass es jetzt endlich zu einem verbindli chen Abschalttermin kommt – Ende des Jahres, spätestens An fang nächsten Jahres –; denn die gravierenden Sicherheits mängel in Fessenheim sind für uns einfach nicht hinnehmbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Martin Rivoir SPD)

Die Atomkraft ist aber nicht nur mit nicht zu verantworten den Sicherheitsrisiken verbunden, sie ist auch wirtschaftlich ein Desaster. Wenn man die Gesamtkosten betrachtet, ist sie teurer als jede andere Form der Energieerzeugung. Damit bei spielsweise das Atomkraftwerk Hinkley Point überhaupt ge baut werden kann, garantiert Großbritannien – mit Steuergel dern natürlich – den Betreibern 35 Jahre lang einen Abnah mepreis von 10,5 Cent pro Kilowattstunde Strom. Das ist mehr als doppelt so viel wie das, was Strom aus Wind und Sonne heute bei uns kostet. Die Gebote der letzten Ausschrei bung lagen in Deutschland im Schnitt bei unter 5 Cent. Hier haben die erneuerbaren Energien wirklich einen ganz großen Vorteil, auch preislich gesehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Deswegen ist eben der Ausstieg aus der Atomkraft für uns im mer auch ein Einstieg in den konsequenten Ausbau der erneu erbaren Energien. Hier haben wir ein wirtschaftliches, saube res und sicheres Konzept für die Energiewelt von morgen. Wir tun in Baden-Württemberg alles, um dies auch umzusetzen.

2017 war mit der Inbetriebnahme von 123 neuen Anlagen ein neues Rekordjahr für die Windkraft in Baden-Württemberg. Damit hat auch die Stromerzeugung aus erneuerbaren Ener gien bei uns nochmals einen Höchstwert erreicht. Wir haben jetzt im Land einen Anteil von über 27 % erneuerbarer Ener gien an der Bruttostromerzeugung. Ich meine, das ist ein Er folg, der sich wirklich sehen lassen kann, und auch ein Erfolg, den bis vor wenigen Jahren hier noch niemand für möglich gehalten hätte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Aber darauf dürfen wir uns jetzt natürlich nicht ausruhen. Es muss weitergehen. Mit der Solaroffensive, die die Landesre gierung gestartet hat, werden wir den Ausbau der Fotovoltaik im Land weiter voranbringen. Hier wollen wir, das Land, mit gutem Beispiel vorangehen und den Ausbau der Fotovoltaik auf den Dächern der landeseigenen Gebäude noch einmal deutlich beschleunigen. Ein Konzept dafür ist bereits in Ar beit.

Aber bei allen Anstrengungen im Land gibt es leider auch viel Gegenwind auf Bundesebene. Die letzte Reform des Erneu erbare-Energien-Gesetzes hatte für die Windkraft und die Fo tovoltaik eine ganz fatale Bremswirkung, gerade bei uns im Land. Zum einen sind die Kontingente insgesamt viel zu nied rig angesetzt, zum anderen fehlt aber auch eine Regionalisie rungsquote, die bundesweit für eine gute Verteilung der er

neuerbaren Energien sorgt, und zwar getrennt für Solarstrom und für Windenergie. Denn es kommt ganz entscheidend da rauf an, dass der richtige Strommix – gut über das Land ver teilt – bei den erneuerbaren Energien realisiert wird, meine Damen und Herren. Nur dann kann die Energiewende gelin gen.

(Beifall bei den Grünen und der Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch)

Auch das ist wichtig: Der Atomausstieg darf auf keinen Fall zulasten des Klimaschutzes gehen. Das heißt, wir müssen die erneuerbaren Energien auf der einen Seite fördern, gleichzei tig aber auch den Kohleausstieg schaffen.

(Lachen des Abg. Anton Baron AfD)

Deswegen ist die Bundesregierung nochmals stark gefordert, das Erneuerbare-Energien-Gesetz zukunftsfähig aufzustellen,

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

aber auch eine CO2-Abgabe einzuführen. Andere Länder wie beispielsweise Schweden machen uns vor, dass das funktio niert und der Kohleausstieg damit erfolgreich vorankommen kann.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wir sind mit dem Atomausstieg auf dem richtigen Weg. Jetzt geht es darum, diesen Weg ernsthaft und sicher zu vollenden. Es bleibt dabei: Atomkraft? Nein danke. Die Zukunft ist erneuerbar.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Nemeth das Wort.

Guten Morgen, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gehört oft mehr Mut dazu, sei ne Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben.

(Zuruf: Das ist richtig!)

Das ist etwas, was für viele Parteien eher ungewöhnlich ist. Ich rate allen Parteien, diese Aussage häufiger umzusetzen. Die CDU hat es getan, nämlich 2011. Wir, die CDU, haben uns damals, nach Fukushima, bewegt. Die CDU hat auch nach den Wahlen dann Wort gehalten und war führend mit dabei, in der damaligen CDU/FDP-Koalition diesen historischen, großen Kompromiss zustande zu bringen, dass die Bundesre publik Deutschland aus der Kernenergienutzung aussteigt. Das war eine historische Entscheidung.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Natürlich wird immer wieder auch kritisch angemerkt, dass wir in Europa ja eine gemeinsame Verantwortung haben und es relativ wenig hilfreich für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sowie für unsere Natur ist, wenn ein Land einsei tig aussteigt, während die anderen weitermachen.

Umgekehrt wird aber auch ein Schuh daraus: In Europa ist vor vielen Jahren entschieden worden, dass die europäische Energieproduktion und auch die Energieversorgung, die Ver sorgungssicherheit, in nationalstaatlicher Verantwortung lie gen. Insofern müssen wir auch die anderen Länder und deren Wege respektieren.

Trotzdem rufen wir von hier aus – wir von der CDU aus, aber ich glaube, auch vom ganzen Landtag aus – unseren franzö sischen Freunden zu: Macht Fessenheim zu! Schaltet Fessen heim ab!

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Das war bereits 2016 von keinem Geringeren als dem Präsi denten der Französischen Republik, Herrn Hollande, zugesagt worden.

Wenn man durch Frankreich reist und Frankreich kennt, muss man ja sagen: Dieses reiche, große und starke Land hat auch andere Möglichkeiten. Wir begrüßen es sehr, dass gerade in Fessenheim ein großer Solarpark mit 300 MW eingerichtet werden soll. Auch bei der Windkraft im Offshorebereich, in der Küstenlage, hat Frankreich viele Möglichkeiten. Insofern glauben wir, dass Frankreich dem Weg, den Deutschland seit 2011 beschritten hat, folgen wird. Das ist auch sinnvoll.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Bettina Lisbach GRÜNE)

In Deutschland sind wir, was den Kernenergieausstieg anbe langt, im Plan. Bereits im Jahr 2005 haben wir das älteste Kernkraftwerk Deutschlands – Obrigheim – abgeschaltet, und im Jahr 2022 wird Neckarwestheim als letztes deutsches Kern kraftwerk vom Netz gehen. Damit hat Baden-Württemberg – und damit die EnBW – den Anfang des Ausstiegs und das En de des Ausstiegs zu verantworten.

Meine Damen und Herren, wir haben in der vergangenen Le gislaturperiode viel über die EnBW geredet – in der laufen den Legislaturperiode Gott sei Dank nicht so viel –, aber hier möchte ich die EnBW auch einmal öffentlich loben: Das ist ein neues Geschäftsmodell für die EnBW: der Rückbau von Kernkraftwerken weltweit. Damit kann die EnBW erstens wieder gutes Geld verdienen, und zweitens tut sie etwas Gu tes für das Land, für Europa und die Welt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Unsere Meinung war und ist – auch seit Fukushima –: Wer aussteigt, muss auch einsteigen. Dabei müssen wir immer die Versorgungssicherheit und die Kosten im Auge behalten. Die Energiewende, meine Damen und Herren, ist eine Operation am offenen Herzen unserer Industriegesellschaft. Wir wollen, dass die Energiewende gelingt, aber es gilt nicht nur, auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zu schauen, sondern wir müssen natürlich die Versorgungssicherheit und die Kosten im Auge behalten. Dafür brauchen wir bessere Speicher und bessere Netze.

Das ist noch ein ungelöstes Problem der Energiewende, aber wir haben das Ziel – und das ist durchaus anspruchsvoll –,

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

aus der Kernenergie sowie aus der Kohleenergie – das sind 60 % unserer Energieversorgung – in einem stetigen Prozess auszusteigen. Das ist machbar; das sagt uns auch die Bundes netzagentur, die für die Systemstabilität zuständig ist. Aber wir wollen auch weiterhin mit Augenmaß vorgehen. Die neue Koalition in Berlin – Schwarz-Rot – hat entschieden, bis 2030 auf einen Anteil erneuerbarer Energien von 65 % zu kommen. Dabei ist es wichtig, dass bei den Ausschreibungen und Auk tionierungen der günstigste Standort entscheidend ist. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist entscheidend, und die günstigste erneuerbare Energie weltweit und auch am Standort Deutsch land – wer auf den Globus schaut, weiß, dass Deutschland, selbst Baden-Württemberg, eigentlich gar nicht im Süden liegt, sondern eher im Norden – ist die Sonnenenergie.