Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Der Preis für aus Sonnenenergie erzeugten Strom liegt bei 3,9 Cent pro Kilowattstunde. Wer hätte das gedacht? Die güns tigste erneuerbare Energie ist nicht die Windenergie, Herr Mi nister Untersteller, wie Sie es hier jahrelang gesagt haben. Das ist eine Überraschung für uns alle: Es ist die Sonnenenergie. Strom aus Sonnenenergie ist in Deutschland schon jetzt mit 3,9 Cent pro Kilowattstunde auktioniert worden; das ist eine tolle Entwicklung, die sich, meine Damen und Herren, übri gens auch weltweit zeigt. Die PV – die Fotovoltaik – hat sich weltweit durchgesetzt. 2014 betrug der weltweite Zubau 40 GW, das entspricht 40 Kernkraftwerken, 2015 waren es 50 GW, 2016 waren es 76 GW, 2017 waren es 90 GW – und das, ob wohl es in vielen Ländern kein EEG und keine Subventionen gibt. Das ist ein riesiger Erfolg, der ein Stück weit auch von Deutschland ausgegangen ist.

Es kommt hinzu, dass auch die Offshorewindkraft ihren Durch bruch im Markt erreicht hat. Offshorewindparks werden mitt lerweile ohne Subventionen vergeben. Auch hier ist die EnBW Vorreiter, und auch das ist gut für Baden-Württemberg, Deutsch land und die Welt.

Sie sehen also: Wir sind auf der Marschstrecke dieser Ener giewende, die ja bereits im Jahr 2010 von einem CDU-Um weltminister, nämlich Norbert Röttgen, in Angriff genommen worden war, auf einem guten Weg. Wir brauchen noch mehr Initiativen bei den Speichern, bei den Netzen, bei der Ener gieeffizienz, aber insgesamt glaube ich, dass wir auf dem rich tigen Weg sind.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Voigtmann das Wort.

Frau Präsidentin, mei ne Damen und Herren! „Baden-Württemberg steigt aus“, heißt das schöne Thema, wobei das natürlich ein klein bisschen ge mogelt ist. Denn nicht Baden-Württemberg steigt aus, weil die Verantwortung für Energieerzeugung und Energievertei lung natürlich beim Bund liegt. Insofern ist es der Bund, der in den 2010er-Jahren beschlossen hat, aus der Kernenergie nutzung auszusteigen. Wir alle erinnern uns an das Hin und Her damals.

Zunächst ging es ja darum, eine Laufzeitverlängerung vorzu nehmen, um die Atomkraftwerke noch bis in die 2030er-Jah re laufen zu lassen und sie dann – je nachdem, wann sie ihr wirtschaftliches Ende erreicht haben würden – nach und nach stillzulegen. Durch die politischen Verhältnisse in den Jahren 2010/2011 kam es unter Schwarz-Gelb zunächst einmal wie der zu einer Verlängerung der Laufzeiten, was dann durch die Ereignisse von Fukushima überrollt wurde. Aus politischen Gründen plädierte die Kanzlerin – der wesentliche Gesichts punkt war, wie sie gesagt hat, dieses Thema abzuräumen, be vor die nächste Bundestagswahl und auch die nächste Wahl in Baden-Württemberg verloren geht – plötzlich für den Aus stieg aus der Kernenergie und wählte einen relativ kurzfristi gen Ausstieg.

(Beifall bei der AfD)

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass wir jetzt in Baden-Würt temberg mit Obrigheim, Neckarwestheim I und Philippsburg 1 die ersten drei Kernkraftwerke stillgelegt und in der Phase der Demontage haben, während wir die Kernkraftwerke Philipps burg 2 und Neckarwestheim II noch bis Ende 2019 bzw. En de 2022 betreiben können.

Die Kostenverteilung ist so geregelt worden, dass für die Still legung der Kernkraftwerke die Betreiber selbst zuständig sind, während für die gesamte Entsorgung des atomaren Restbe stands, also sozusagen die Atommüllentsorgung, inzwischen der Bund die Verantwortung übernommen hat, indem die Kon zerne ihm eine entsprechende Abstandszahlung überwiesen haben und damit die Aufgabe an den Bund übergegangen ist.

In der ursprünglichen Planung der Kernkraft war eigentlich vorgesehen, die Brennelemente – die sogenannten abgebrann ten Brennelemente – nach ihrer Nutzung in einer Wiederauf bereitungsanlage – ich erinnere an das Stichwort Wackersdorf – aufzubereiten und dann einer eventuellen weiteren Nutzung zuzuführen. Das war aus technischer Sicht besonders vernünf tig, weil die Brennelemente in ihrer Gesamtheit zunächst ein mal durch eine entsprechende technische Behandlung ange reichertes Uran darstellen, das in den Brennelementen nur zu 2 bis 3 % ausgenutzt worden ist, sodass die Brennelemente aus technischer Sicht kein Schrott oder Müll sind, sondern möglicherweise in anderen Reaktortypen durchaus noch zu weiterer Energiegewinnung genutzt werden könnten.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

Aufgrund von massivem politischen Druck wurde allerdings dieses Konzept aufgegeben, was in der Folge natürlich dazu geführt hat, dass wir es nun mit erheblichen atomaren Folge problemen zu tun haben. Die gesamte Entsorgung des hoch radioaktiven Mülls ist bis heute nicht endgültig geklärt, da die Endlagersuche bzw. der Bau eines Endlagers und dessen Be trieb auf die Jahre 2030, 2040 und 2050 verschoben wurden, weil man sich zunächst wieder auf eine Endlagersuche bege ben hat, obwohl eigentlich mit dem Endlager Gorleben ein durchaus funktionsfähiges Endlager eingerichtet wurde.

Aus kommerzieller Sicht ist festzuhalten, dass die gesamte Energiewende – sprich der Ausstieg aus der Kernenergie – na türlich eine wirtschaftliche Katastrophe ist. Denn damit wer den volkswirtschaftliche Investitionen in Milliardenhöhe zu

nichtegemacht. Auch der Wert der Brennelemente ist nicht mehr zu beziffern, weil diese keiner weiteren Verwendung mehr zugeführt werden können. Alles, was beschlossen wur de, ist also aus heutiger Sicht nicht unbedingt vernünftig, aber es dient dazu, die Kernenergie aus dem Spektrum der Ener gieformen in Deutschland herauszuhalten.

Sinnvoll wäre es in dieser Zeit natürlich gewesen, eine Eini gung auf europäischer Ebene herbeizuführen. Dies würde im Ganzen sicherlich mehr Sinn machen, als wenn jede europä ische Nation ihre Energieversorgung selbst organisiert. Jedes Land hat natürlich eine eigene Problematik. Norwegen bei spielsweise hat mit seinen erheblichen Wasserkraftvorräten ein deutlich geringeres Problem als Deutschland mit seinen großen Flächen und seinem erheblichen Bedarf an Energie, der im Moment durch einen Mix aus Kohle, erneuerbaren Energien und zu einem kleinen Teil – vielleicht 15 % – Kern kraft abgedeckt werden muss.

Dabei stellt sich die Frage, was eigentlich nach dem Abschal ten des letzten Kernkraftwerks passiert. Damit werden die restlichen 15 % der Energieversorgung – in diesem Fall die letzten 15 % einer tatsächlich durchgehend verlässlichen Ener gieversorgung – aus dem Energiemix genommen. Dann sind wir ganz und gar auf die erneuerbaren Energien angewiesen, die aber im Wesentlichen fluktuierende Energien sind. Das heißt, Wind und Sonne sind, solange sie da sind, sehr schön und auch sehr schön auszunutzen – und dies, wie wir gehört haben, durchaus auch zu akzeptablen Kosten –, aber es wird dabei vergessen, dass dann, wenn man diese erneuerbaren Energien kontinuierlich nutzen will, das Problem der Speiche rung zum Tragen kommt, da es in Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und auch kein Wind weht, durchaus zu erhebli chen Problemen kommen kann.

Der Preis für eine Kilowattstunde liegt dann nicht mehr bei 3 bis 5 Cent, die hier kolportiert wurden, sondern die Kosten wachsen sehr schnell – wenn ich nur an Power-to-Gas oder ähnliche Verfahren denke – auf höhere Beträge, als wir heute schon bezahlen müssen. Wir müssen dabei sehen, dass wir heute bereits Energiepreise bezahlen, die bis zu 100 % über dem Niveau liegen, das wir in den Jahren 2000 bis 2005 ge wohnt waren. Das liegt zum einen an der Tatsache, dass wir die Industrie aus der Übernahme von Kosten, die die erneu erbaren Energien am Anfang durchaus verursacht haben, he rausgenommen haben, indem wir sagten: Die Kosten im Rah men des EEG bezahlen nur die kleinen Verbraucher, die Groß industrie wird von der Umlage für die erneuerbaren Energien ausgenommen. Dadurch hat die Industrie heute ein Viertel des Preises einer Kilowattstunde eingespart.

Dazu kommen noch die erheblichen Kosten, die für den Aus bau der Stromnetze anfielen. Auch da haben wir das Problem, dass die Stromnetze den Anforderungen noch nicht genügen. Vor 30 Jahren sagte man, man produziert den Strom da, wo er gebraucht wird. Das kann man sich aus heutiger Sicht ab schminken, denn im Wesentlichen kommt der Strom von der Sonne – dabei kommt es darauf an, ob die Sonne scheint oder nicht – oder vom Wind, und dieser weht im Wesentlichen im Norden. Das bedeutet, der Strom muss, ob man will oder nicht, in die Zentren im Süden geschickt werden.

Schauen wir einmal nach Baden-Württemberg: Baden-Würt temberg hatte schon immer ein Problem mit der Energiever

sorgung, da es schon in früheren Zeiten maximal 80 bis 90 % seines Bruttostrombedarfs selbst decken konnte und auf Stromimporte angewiesen war. Diese Schere geht natürlich deutlich auseinander. Nach Abschaltung der letzten Kernkraft werke wird die Eigenstromdeckung in Baden-Württemberg wahrscheinlich nur noch bei 50 % liegen, und damit sind wir dringend auf entsprechende Lieferungen aus dem Ausland an gewiesen.

(Beifall bei der AfD)

Ab 2022 werden in ganz Deutschland in problematischen Zei ten mindestens 8 GW Strom fehlen, und die Frage wird sein: Liefern dann zwangsläufig die von uns doch eigentlich be kämpften, um Deutschland herum stehenden Atomkraftwer ke den Strom, oder wie wollen wir unsere Industrie mit der entsprechende Menge an Strom versorgen?

Die AfD ist der Meinung, dass das Konzept nicht zu Ende ge dacht ist und dringend einer Revision bedarf und es nötig ist, zumindest für eine Übergangszeit von vielleicht fünf bis zehn Jahren mit einem Moratorium die Ertüchtigung des deutschen Stromnetzes abzuwarten und dann zu entscheiden, ob die er neuerbaren Energien den Ansprüchen, die an sie gestellt wer den, tatsächlich genügen können oder ob in der Zwischenzeit nicht die gesamte deutsche Industrie, die sehr stark von Strom lieferungen von außerhalb abhängig ist, mit diesem Zustand leben kann bzw. ob sie langsam zum Ende kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Kommen Sie bitte selbst zum Ende.

Richtig. – Wir plä dieren, wie gesagt, für ein Moratorium und hoffen, dass in die sem Sinn die Vernunft auch in die entsprechenden Gremien einziehen wird.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort – jetzt muss ich gerade nachschauen – Herrn Abg. Gruber.

(Beifall des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP – Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD)

Danke, Frau Rolland.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Die Grünen haben eine Aktuelle De batte zum Thema „Baden-Württemberg steigt aus: Rückbau der Atomkraftwerke in unserem Land“ beantragt. Ich bin Frau Lisbach und dem Kollegen Nemeth dankbar, dass sie den Rückbau der Atomkraftwerke und den Ausstieg aus der Atom kraft auch mit dem Bekenntnis zur Energiewende, zur Förde rung der regenerativen Energien in unserem Land verbunden haben.

Ich war aber dann doch ein bisschen verblüfft, dass der Kol lege Nemeth den Start der Energiewende gewissermaßen auf 2010 gelegt und zum Vater der Energiewende Norbert Rött gen geadelt hat.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Paul Ne meth CDU: Viele Väter!)

Da möchte ich doch ein paar Jahre weiter zurückblicken und als Vater des EEG den leider verstorbenen Dr. Hermann Scheer, der sehr viel und sehr engagiert für die Energiewende ge kämpft hat, in den Vordergrund stellen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Paul Nemeth CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Erwischt!)

Ich war ein bisschen überrascht, dass Sie, Frau Lisbach, nur davon gesprochen haben, die Energiewende sei ausgebremst worden. Wenn man die Pressemitteilungen von Umweltmi nister Untersteller, die alle zwei, drei, vier Wochen kommen, liest, stößt man dauernd auf Erfolgsmeldungen: Die Windkraft ist ausgebaut worden, wir haben mehr Fotovoltaikanlagen – eine Erfolgsmeldung nach der anderen. Die Erfolgsmeldun gen scheinen alle auf das Konto von Grün oder von GrünSchwarz zu gehen, während die Misserfolgsmeldungen alle auf das Konto der schwarz-roten Bundesregierung gehen. Das scheint mir eine nicht ganz faire Arbeitsteilung zu sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das gilt vor allem auch vor dem Hintergrund der Zahlen. Zwi schen 2013 und 2017 hatten wir, seit die regenerativen Ener gien in der Bundesrepublik Deutschland ernsthaft ausgebaut werden, den größten Zuwachs an regenerativen Energien zu verzeichnen. Ihr Anteil stieg von 25 auf 35 %. Das ist ein Wort, und der Kollege Nemeth hat es dankenswerterweise schon angesprochen: Auch die neue Große Koalition hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt und das Ziel für 2030 von 50 auf 65 % erhöht, was vielleicht auch einmal ein Lob von der grünen Seite verdient hätte.

Aber zurück zu Ihrem Thema „Atomkraft, Ausstieg aus der Atomenergie“: Ich möchte zunächst einmal gut zehn Jahre zu rückblicken und ein Zitat in die Debatte einführen. Ich werde nachher auch noch verraten, von wem das Zitat stammt. Es lautet:

Ich werde es immer für unsinnig halten, technisch siche re Kraftwerke... abzuschalten. Sie werden sehen: Eines Tages werden auch die Sozialdemokraten das einsehen. Es dauert halt immer etwas länger.

Dieses Zitat stammt von Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Jahr 2006. Ich würde sagen: Das ist eine etwas überheb liche Aussage.

(Zuruf von der AfD)

Damals war der Beschluss der Bundes-SPD, aus der Atom kraft auszusteigen, immerhin schon 20 Jahre alt. Ich möchte gar nicht – ich denke, das ist auch ein Hauptgrund, wieso Sie das Thema Atomkraft eingeführt haben – die Verdienste der Grünen – in gewisser Weise der Arm der Anti-AKW-Bewe gung in den Parlamenten – kleinreden. Ich möchte aber schon sagen: Sie können nicht beanspruchen, ein Monopol darauf zu haben, sich für den Atomausstieg engagiert zu haben.

(Beifall bei der SPD)

Insbesondere die SPD hier in Baden-Württemberg hat mit ih rem Landesvorsitzenden Erhard Eppler an der Spitze bereits Ende der Siebzigerjahre Beschlüsse zum Ausstieg aus der Atomenergie gefasst, also noch vor dem Einzug der Grünen in den baden-württembergischen Landtag. Das gehört auch zur Geschichtserzählung hinzu.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin dann auch ein Stück weit überrascht, dass Sie, Frau Lisbach – Sie und auch der Kollege Nemeth sprechen zu Recht den Atomausstieg von 2011 an –, kein Wort darüber verlieren, dass wir schon 2001 einen Ausstieg aus der Atom energie hatten. 2001 hat ja die rot-grüne Bundesregierung ei nen rechtssicheren Ausstieg aus der Atomenergie durchge setzt, und 2009 nutzten dann CDU und FDP ihren Wahlsieg, um aus dem vertraglich geregelten Ausstieg aus der Atomkraft wieder auszusteigen. Es ist die Frage, ob dieser Wiederein stieg so glücklich war.