Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Ich bin dann auch ein Stück weit überrascht, dass Sie, Frau Lisbach – Sie und auch der Kollege Nemeth sprechen zu Recht den Atomausstieg von 2011 an –, kein Wort darüber verlieren, dass wir schon 2001 einen Ausstieg aus der Atom energie hatten. 2001 hat ja die rot-grüne Bundesregierung ei nen rechtssicheren Ausstieg aus der Atomenergie durchge setzt, und 2009 nutzten dann CDU und FDP ihren Wahlsieg, um aus dem vertraglich geregelten Ausstieg aus der Atomkraft wieder auszusteigen. Es ist die Frage, ob dieser Wiederein stieg so glücklich war.

Ebenso war ich überrascht, wie viele andere auch, dass sich dann die eben zitierte Frau Merkel an die Spitze der Ausstiegs bewegung gestellt hat. Vielleicht war das nicht nur Fukushi ma, sondern auch schlechten Umfrageergebnissen gerade vor der Landtagswahl hier in Baden-Württemberg geschuldet.

(Abg. Andreas Stoch SPD: So ist es! Das Fähnchen war entscheidend! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Die schlechten Umfrageergebnisse kamen hinterher!)

Nichtsdestotrotz erkenne ich durchaus an, dass der Kollege Nemeth formuliert hat: Es gehört manchmal mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr

(Abg. Paul Nemeth CDU: Treu zu bleiben!)

in Nibelungentreue treu zu bleiben. Das verdient Respekt. Das erinnert ein Stück weit an Bert Brecht. Bert Brecht hat einmal gesagt: „Wer A sagt, muss nicht unbedingt B sagen.“ Insofern: Respekt. Aber nehmen Sie vielleicht auch ein bisschen eine selbstkritische Haltung ein, was den, sagen wir einmal, über fallartigen Wechsel von Frau Merkel an dieser Stelle angeht. Ich hätte mir auch gewünscht, dass die Grünen das herausge arbeitet und vielleicht auch einmal gegenüber Frau Merkel, für die Herr Kretschmann ja jeden Tag betet, ein kritisches Wort verloren hätten

(Beifall bei der SPD)

und ein Bekenntnis zu den Erfolgen abgegeben hätten, die die rot-grüne Bundesregierung nicht nur beim Ausstieg aus der Atomenergie, sondern auch beim Einstieg in den Ausbau der regenerativen Energien erzielt hat.

In diesem Sinn zurück zum Thema „Rückbau der Atomkraft werke“. Es ist angesprochen worden: Auch in den Nachbar ländern gibt es gefährliche Atomkraftwerke, etwa Fessenheim. Da möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei der SPDKollegin Gabi Rolland aus Freiburg bedanken. Sie wird die SPD-Landtagsfraktion am Freitag beim Protest in Breisach gegen das Wiederanlaufen von Fessenheim – bei der entspre chenden Mahnwache – vertreten. Vielleicht gibt es auch noch andere Kolleginnen und Kollegen, die Gabi Rolland unterstüt zen und die die Solidarität des Landtags von Baden-Württem berg für den Ausstieg und das Nichtwiederanfahren von Fes senheim zeigen.

Ein Thema ist auch noch der Rückbau. Frau Lisbach, Sie ha ben es angesprochen. Der Minister wird dazu sicherlich Stel lung nehmen. Auch wir haben den Eindruck, dass die Regie rung beim Rückbau der Atomkraftwerke seriös arbeitet.

Wir hatten ein bisschen die Sorge, ob es genügend qualifizier tes Personal gibt, um das technisch gut hinzubekommen. Zu sammen mit den Kollegen Gabi Rolland und Daniel Born konnte ich mich in Philippsburg davon überzeugen, dass zum Glück noch genügend qualifizierte Techniker und Ingenieure bereit sind, die Aufgaben zu übernehmen – auch deshalb, weil das wirtschaftlich erfolgreich ist, weil das auch notwendig ist, nicht nur bei uns in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern in Europa, auch in den Ländern, die, beispielsweise aus Klimaschutzgründen, weiterhin an der Atomkraft festhal ten.

Vielleicht noch einen Punkt, damit der Minister noch einen kleinen Auftrag von mir mit auf den Weg bekommt. Er wird ja nachher zu dem Thema Stellung beziehen. Wir trauen ihm als verantwortlichem Minister durchaus zu, dass er hier eine gute und seriöse Arbeit leistet. Ich fände es interessant, wenn er auch noch Stellung dazu beziehen könnte, ob die EnBW genügend Geld hat, um den Rückbau seriös finanzieren zu können. Für den Rückbau sind 7,5 Milliarden € eingestellt. Uns ist ein Stück weit unklar, ob das durch Vermögenswerte gedeckt ist bzw. inwieweit das Land als Eigentümer nachher geradestehen müsste.

Ansonsten kann ich mich den ersten beiden Rednern anschlie ßen: Die Energiewende ist die Aufgabe, die wir in Richtung Energiesparen, in Richtung Steigerung der Energieeffizienz und in Richtung Ausbau der regenerativen Energien voran treiben müssen, um den Ausstieg aus der Atomenergie ent sprechend bewältigen zu können.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Glück das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kol leginnen und Kollegen! Es ist mit Sicherheit ein wichtiges Thema, über das wir heute sprechen. Allerdings habe ich mir schon die Frage gestellt, ob eine Aktuelle Debatte dazu der richtige Rahmen ist. Eine Aktuelle Debatte ist immer auch ein bisschen mit Zerferei verbunden und polarisiert manches Mal. Ich hätte dieses Thema eigentlich viel lieber in geordneten Strukturen im Ausschuss oder eben vielleicht über die Abar beitung einer Großen Anfrage besprochen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Aber gut, klar, Sie können natürlich Aktuelle Debatten bean tragen, wie Sie das möchten. Ich kann es mir eigentlich nur so vorstellen, dass die Grünen an diesem Tag, an dem eine Landtagsvizepräsidentin gewählt werden soll, ein Thema brin gen wollten, bei dem man nebenbei vielleicht noch auf ein bisschen Lob schielt.

(Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU)

Aber schauen wir uns das Ganze doch einfach einmal an: die Grünen und der Rückbau von Kernkraftwerken. Wir haben neben zwei noch am Netz befindlichen Reaktoren, nämlich Philippsburg 2 und Neckarwestheim II, tatsächlich mehrere Anlagen im Rückbau: Philippsburg 1, Neckarwestheim I, Ob righeim. Zusätzlich müssen noch vier Anlagen der kerntech nischen Grundlagenforschung am KIT rückgebaut werden. Zwei Anlagen sind dort offensichtlich schon bis zur grünen Wiese rückgebaut.

Klar ist, dass der Rückbau von Kernkraftwerken ein Projekt ist, das uns auf Jahrzehnte beschäftigen wird. Besonders das Thema Logistik ist hier natürlich absolut entscheidend. Wo kommen z. B. hoch radioaktive Abfälle hin? Deutschland hat bisher kein Endlager. Schwach und mittel radioaktive Mate rialien sollen wohl irgendwann einmal in den Schacht Kon rad kommen. Erst hieß es, bis zum Jahr 2022 sei dieser fertig; jetzt wird es wohl doch eher 2027. Der größte Anteil sind die freigemessenen Materialien, für die es mit Blick auf einige KKW-Standorte noch gar keine Deponiekapazitäten im Land gibt bzw. die Deponiekapazitäten sehr stark umstritten sind.

Wenn ich mir jetzt die grün geführte Atompolitik seit 2011 an schaue, dann muss ich sagen: Da werden immer wieder Zu ständigkeiten von Bund, Land, Kommunen und Unternehmen durcheinandergebracht. Beispiel: das Thema Endlagersuche. Kaum waren die Grünen hier im Jahr 2011 an der Regierung, kam von Stuttgart aus das Ergebnis: „Gorleben soll eingestellt werden; wir wollen Gorleben nicht als Endlager, sondern wei ße Landkarte.“ Es war völlig wurst, dass damals bereits 1,6 Milliarden € für Gorleben ausgegeben worden waren und kei neswegs der Beweis erbracht war, dass Gorleben als Endla gerstandort ungeeignet gewesen wäre. Stattdessen hat man ge sagt: „Weiße Landkarte, selbstverständlich auch Baden-Würt temberg mit dabei“ – und das, obwohl das Landesamt für Geo logie schon damals ganz deutlich gesagt hat, dass BadenWürttemberg zum großen Teil gar nicht dazu geeignet ist, weil die größten Teile der Schwäbischen Alb und Oberschwabens – wo man sich ein solches Endlager dann offensichtlich hät te vorstellen können – völlig ungeeignet sind, weil das Erd bebengebiet ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau! So ist es!)

Der damalige Koalitionspartner SPD kam dann 2011 mit ei ner hervorragenden Idee. Es war der damalige Fraktionsvor sitzende, der hier eine europäische Kooperation vorgeschla gen hat. Das erinnert natürlich stark an die Vorgehensweise, ein Problem, das wir in Deutschland haben, zu exportieren und unsere Endlagerkapazitäten in anderen europäischen Län dern zu suchen.

(Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD)

So viel zum Thema „Verantwortliche Atompolitik“ in der ver gangenen Legislaturperiode, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Aber es geht noch weiter, beispielsweise wenn wir uns die Zwischenlagerung fremder Castoren in Philippsburg anschau en. Grün-Rot ist im Frühjahr 2013 völlig ungefragt vorge prescht und hat dem Bund eine Zwischenlagerung von Cas torbehältern aus der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague angeboten. Das kann man ja machen, aber die Tatsache, dass

dies vorher nicht mit dem Kraftwerksbetreiber, nämlich der EnBW – die ja immerhin einen Antrag dazu stellen muss –, abgestimmt worden war, zeigt doch, dass Sie die EnBW of fensichtlich als Ihr persönliches Spielwieschen betrachten

(Zuruf von der FDP/DVP: Genau so ist es!)

und dass Sie keineswegs akzeptieren, dass dieses Unterneh men im operativen Geschäft frei sein muss, meine sehr geehr ten Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Was ich aber noch viel schlimmer finde, ist, dass Ihr Angebot damals nicht einmal mit der Stadt Philippsburg abgesprochen war. Sie haben allen Ernstes angeboten: „Wir nehmen Casto ren aus La Hague“, ohne dies mit der Rathausspitze in Phi lippsburg zu besprechen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, so stößt man Menschen vor den Kopf. Ich hoffe, Sie haben damals Ihre Lektion gelernt, Herr Minister.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Übrigens wurde damals das Angebot mit den Castoren ausge sprochen, ohne dass man das angekündigte Gesamtkonzept des Bundes hatte abwarten wollen, das dann ja tatsächlich an gekündigt wurde. Erst im Jahr 2015 räumte dann die Landes regierung ein, dass zum damaligen Zeitpunkt die HAW-Cas toren aus La Hague technisch überhaupt nicht hätten nach Phi lippsburg gebracht werden können; hierfür müssten zunächst einmal große Umbaumaßnahmen durchgeführt werden.

Jetzt kommen wir zu einem dritten Beispiel, das meiner Mei nung nach zeigt, dass die Grünen bei dem Thema „Rückbau von Kernkraftwerken“ nicht glänzen. Ich will nun nicht dar auf hinaus, wie mit Bürgerinitiativen im Land in Bezug auf freigemessene Abfälle umgegangen wird. Ich will auch nicht darauf hinaus, dass ein Antrag von mir auf eine Anhörung von einer Mehrheit im Ausschuss abgelehnt wurde. Dass es aber Probleme bei den Deponiekapazitäten gibt und dass man so lange nicht auf dem Schirm gehabt hat, dass z. B. der Land kreis Karlsruhe gar nicht über ausreichende Deponiekapazi täten verfügt, sodass nun freigemessene Abfälle in den Enz kreis transportiert werden sollen – quasi über die Kreisgren ze hinweg –, der Enzkreis diese 38 000 t freigemessener Ab fälle aber überhaupt nicht will, das hätte doch irgendwann ein mal jemandem auffallen müssen.

Ich sage ganz ehrlich: Die Frage ist doch: Warum ist der De poniemangel für Philippsburg in den vergangenen Jahren der maßen unter dem Tisch geblieben, niemandem aufgefallen? Und warum hat die sonst so rührige Landesregierung hier nicht früher moderiert, meine sehr geehrten Damen und Her ren?

Also, falls Sie dieses Thema beantragt haben, um ein Lob von uns zu bekommen: Nein, das können wir nicht aussprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Schade!)

Frau Lisbach, noch etwas anderes. Sie haben vorhin gesagt: „Jetzt steigen wir doch aus der Kernenergie aus“ – so weit völ lig d’accord –, „und dafür müssen wir jetzt Windenergie ma

chen.“ Sie irren sich, wenn Sie denken, dass Sie grundlastfä hige Kraftwerke durch ein paar Schwachwindanlagen erset zen können.

(Zuruf des Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE)

Wieder einmal rufe ich an dieser Stelle deshalb auf zu einer Energiewende der Stärken. Baden-Württemberg ist nun ein mal das Land mit der geringsten Windhöffigkeit im gesamten Bundesgebiet. Wir sollten uns daher auf unsere Stärken beru fen. Das ist das Thema Effizienz, gerade im Wärme- und Strombereich.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das machen wir doch! – Abg. Dr. Bernd Murschel GRÜNE: Das können wir doch machen!)

Es ist egal, ob es dabei um Private – das Land der Häuslebau er – geht oder um die KMUs. Hier haben wir Stärken.

Dann haben wir noch eine weitere Stärke. Es blutet mir gera dezu das Herz, wenn manche Institute hier im Land ihre Pi lotanlagen nicht finanziert bekommen können und auf der an deren Seite Geld für irgendwelche Schwachwindanlagen aus gegeben wird, die dann die meiste Zeit im Jahr stillstehen. Da setzen wir die falschen Prioritäten, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Lassen Sie uns eine Energiewende der Stärken angehen, bei der die erneuerbaren Energien auch untereinander in Wettbe werb treten können. Dann sieht die Energiewende in Schles wig-Holstein vielleicht ganz anders aus als in Baden-Würt temberg.

(Beifall des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Lassen Sie uns bitte auch das Thema Speicher angehen. Wenn man volatile Formen der Energieerzeugung hat und manch mal stark, manchmal aber auch nicht produziert wird, dann braucht man zumindest irgendwelche kurzzeitigen Speicher. Unser Erneuerbare-Energien-Gesetz, wie wir es derzeit ha ben, ist leider diesbezüglich eine Investitionsbremse statt ei ner Investitionshilfe. Es ist völliger Blödsinn, dass bei Leu ten, die Strom auf ihrem Dach erzeugen und diesen Strom in ihrer Garage speichern möchten, um ihn möglicherweise in ihrer Werkstatt nutzen zu können, eine EEG-Umlage erhoben wird. Das verursacht einen absoluten Investitionsstau.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD)