Protokoll der Sitzung vom 09.05.2018

Die Argumentation der AfD ist durch den zweiten Beitrag von Herrn Berg jetzt auch nicht besser geworden. Ich weiß nicht, ob das jetzt eine gewisse Anbiederung an die FDP/DVP ist, dass man ihr Honig ums Maul schmiert und sagt: „Das ist eu er Gesetzentwurf. Ihr müsstet eigentlich zustimmen.“ Das ist mir etwas unverständlich. Das wird auch nicht aufgehen, weil die FDP/DVP auf so etwas nicht hereinfällt.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD)

Die Kreistagswahlen sind Persönlichkeitswahlen und sollen das auch bleiben. Wenn ich Persönlichkeiten aufstellen kann, ist das gut. Wenn ich keine habe, die ich aufstellen kann, dann ist das nun einmal so.

Ich kann nachvollziehen, dass sich nicht alle Ihrer Wähler oder Anhänger für diese Politik in die Öffentlichkeit stellen wol len. Ich würde mich da auch ein bisschen schämen.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Die Grünen schämen sich nie! – Abg. Anton Baron AfD: Ich schäme mich je den Tag für die Grünen im Landtag!)

Ein Gegenbeispiel zum Argument hinsichtlich der kleinen Par teien: Wir haben im Rems-Murr-Kreis die AfD, die Linke und die ÖDP im Kreistag – auch bei diesem Wahlrecht. Das funk tioniert also bestens. Dass die AfD mit drei Abgeordneten in drei Fraktionen zerstritten ist, ist natürlich ein spezielles AfDProblem. Das würde sich auch nicht ändern, wenn da zehn Abgeordnete sitzen würden. Das wären nicht weniger Frakti onen.

Insofern sollten wir bei dem jetzigen Wahlrecht bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Hockenberger.

Nur 30 Sekunden. Deswegen der Hinweis: Beim Landtagswahlrecht macht der Minister präsident von geltendem Recht Gebrauch. Das geltende Recht sieht Doppelkandidaturen bei der Kreistagswahl nicht vor. – „Habe fertig.“

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Abg. Rüdiger Klos AfD: Was ist denn das für eine Logik? Das ist ja absurd! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, es liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache beendet.

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/3686 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres, Digitalisie rung und Migration zu überweisen. – Es erhebt sich kein Wi derspruch. Dann ist es so beschlossen. Vielen Dank.

Punkt 3 der Tagesordnung ist damit erledigt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu ropa und Internationales zu der Mitteilung des Ministeri ums der Justiz und für Europa vom 18. April 2018 – Be richt über aktuelle europapolitische Themen – Drucksa chen 16/3921, 16/3924

Berichterstatterin: Abg. Sylvia Felder

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich das Wort Frau Abg. Sae bel.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor 68 Jahren hielt Robert Schuman seine visionäre Rede zur Montanunion. Er sagte:

Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst ei ne Solidarität der Tat schaffen.

Schuman war offensichtlich nicht nur Visionär, sondern auch Realist.

Heute haben wir es mit dem realistischen Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU von 2021 bis 2027 zu tun. Wir Grünen begrüßen die Fokussierung auf Aufgaben, die die Gemeinschaft besser als der Nationalstaat bewältigen kann. Der Vorschlag sieht eine Aufstockung auf 1,11 % des Bruttoinlandseinkommens der EU-Staaten vor.

Dieser Ansatz ist gut, wenn auch noch nicht ehrgeizig genug. Die EU braucht, wenn sie Aufgaben wahrnehmen soll, die bis her nationalstaatlich bewältigt werden, wie z. B. Sicherheits- oder Verteidigungspolitik, Asylpolitik oder Klimaschutz, deut lich mehr Geld als bisher.

Das sind alles Investitionen in unsere gemeinsame Zukunft. Unsere Kinder z. B. lernen und studieren selbstverständlich in Europa. Die Mittel für ERASMUS und für das europäische Solidaritätskorps sollen deshalb verdoppelt werden. For schungsförderung, Innovation und Digitalisierung sind ge meinsame europäische Projekte in einem gemeinsamen Markt. Jeder Euro, den wir hier investieren, kommt auch zu uns nach Baden-Württemberg zurück. Die Unternehmen in unserem Land profitieren davon.

Die benötigten zusätzlichen Gelder sollen u. a. durch mehr Ei genmittel der EU generiert werden, etwa über eine gemeinsa me Körperschaftsteuer, eine Plastiksteuer und den Handel mit

Emissionszertifikaten. Dies bringt nicht nur frisches Geld, sondern kann zusätzlich eine ökologische Lenkungswirkung entfalten, die wir Grünen begrüßen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Europa soll Souveränität erhalten in Bereichen, in denen je der Mitgliedsstaat für sich allein nicht agieren kann, z. B. bei der Besteuerung international agierender Konzerne, in der Energiepolitik, der Klimapolitik oder der Terrorismusbekämp fung. Hier brauchen wir mehr Europa, mehr Souveränität für Europa.

Aber es geht auch darum, die durch den Brexit fehlenden Mil liarden durch Einsparung und Umschichtung aufzufangen. So sollen die Finanzmittel für die Gemeinsame Agrarpolitik und die Kohäsionspolitik um jeweils ca. 5 % gekürzt werden. Das löst selbstverständlich nicht nur Freude aus. Hier wird noch hart gerungen werden.

Wir Grünen wollen vor allem die Existenzsicherung kleiner und mittlerer Betriebe und nachhaltiger Bewirtschaftungsfor men. Dies ist für uns in Baden-Württemberg mit unserer klein gliedrigen Landwirtschaft unerlässlich.

Der demografische Wandel zwingt uns, künftig verstärkt Ar beitskräfte auch außerhalb der EU anzuwerben, und zwar nicht nur IT-Fachkräfte und Ingenieure, sondern gerade Men schen, die in den Bereichen Pflege oder auch Landwirtschaft tätig sein wollen.

Um Migration zu kanalisieren, brauchen wir vor allem eine faire Handelspolitik, und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in den Ländern des globalen Südens. Es braucht legale Wege für Flucht und Migration in die EU. Aber auch eine so lidarischere Verteilung von Geflüchteten unter den Mitglieds staaten der EU ist nötig. EU-Zuschüsse daran zu knüpfen hal ten wir für völlig legitim.

Genauso legitim ist es, Förderkriterien und Konsequenzen an Werte zu koppeln. Wenn eine nationale Regierung die Gewal tenteilung aufhebt, Pressefreiheit und Pluralität beschränkt oder Minderheiten systematisch diskriminiert, dann sollen eu ropäische Gelder künftig nur noch direkt an Kommunen und Regionen vergeben werden, die sich weiterhin auf dem Bo den von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bewegen.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Dann wird es aber eng in Deutschland!)

Denn alle Mitgliedsstaaten haben sich im Vertrag von Lissa bon diesen gemeinsamen Werten verpflichtet.

Wir Grünen wollen am Europa der Regionen mit Begegnun gen der Menschen in ihrer Vielfalt der Kulturen, mit fairem Handel und gemeinsamer Kooperation weiterbauen.

Der Europaausschuss konnte in Mailand und Lyon letzte Wo che hautnah erfahren, wie weit unsere wirtschaftlichen und kulturellen Verflechtungen bereits gediehen sind, wie viel ge genseitiges Vertrauen hier bereits besteht. Die baden-württem bergische Präsidentschaft bei den „Vier Motoren“ wollen wir zur Vertiefung der Zusammenarbeit nutzen. Mit der Frank reich-Konzeption unseres Ministerpräsidenten und unserer Staatsrätin Gisela Erler

(Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

soll die Zusammenarbeit mit Grand Est sowie Auvergne-RhôneAlpes auch im Bereich der Städtepartnerschaften sowie auf der Ebene der Bürgerinnen und Bürger unterstützt werden. Europa wächst zusammen.

Vergleichen wir den Aufbau Europas mit dem Bau des Mai länder Doms: ein Langzeitprojekt über viele Generationen,...

Kommen Sie bitte zum Schluss.

... Rückschläge, Kostenstei gerungen, gelegentliche Zweifel am Erfolg, Stillstand, Wech sel der Baustile – am Ende nicht perfekt, aber im Ergebnis ein zigartig und großartig. Bauen wir weiter an unserem gemein samen Haus Europa!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Gramling.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein historischer Tag, denn heute vor 73 Jahren war der erste Tag nach dem En de des Zweiten Weltkriegs. Es war der Beginn des Wiederauf baus und der Beginn der längsten Friedens- und Freiheitspha se in Europa.

Heute vor 68 Jahren schlug der französische Außenminister Robert Schuman die Gründung der Europäischen Gemein schaft für Kohle und Stahl vor. Dank der Weitsichtigkeit der damals handelnden Akteure wie Robert Schuman und Kon rad Adenauer liegen wir uns heute nicht mehr bewaffnet in den Schützengräben gegenüber, sondern sitzen gemeinsam am Verhandlungstisch mit unseren Nachbarn und Freunden in Europa.

(Abg. Stefan Räpple AfD: Außer Russland!)

Das ist ein ganz wichtiger Mehrwert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD)