Protokoll der Sitzung vom 09.05.2018

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften werden jetzt Anregungen aus der kommunalen Praxis aufgenommen, Anpassungen an die Regelungen von Bund und anderen Län dern vorgenommen und die Organisation und Durchführung der Kommunalwahlen vereinfacht.

Zu den Änderungen im Einzelnen hat der Herr Innenminister schon ausreichend Stellung genommen oder diese erklärt. Das will ich jetzt nicht alles wiederholen. Auch wir, die Fraktion GRÜNE, halten die Änderungen allesamt für sinnvoll. Das entspricht ja auch den Ergebnissen der Anhörung. Wir haben die Zustimmung der kommunalen Landesverbände.

Es gab noch einige zusätzliche Anregungen für Änderungen. Zu einigen Anregungen hat sich der Innenminister schon ge äußert. Das will ich jetzt auch nicht wiederholen.

Auf zwei Themen will ich noch eingehen. Zum einen wurden von verschiedener Seite Wünsche zur Änderung des Sitzzu teilungsverfahrens an uns herangetragen. Auch der Koaliti onsvertrag enthält ja den Hinweis, dass wir eine Weiterent wicklung des Verfahrens nach Sainte-Laguë/Schepers anstre ben.

Ich möchte in diesem Zusammenhang zunächst betonen, dass sich die Auszählung nach Sainte-Laguë/Schepers aus unserer Sicht bewährt hat. Aber um jeder Stimme einer Wählerin bzw. eines Wählers gleiches Gewicht zu geben, hätten auch wir sehr gern eine kleine Modifizierung vorgenommen, nämlich eine Erhöhung des kleinsten Teilers. Dagegen gab es aber verfas sungsrechtliche Bedenken. Deswegen haben wir uns gemein sam mit unserem Koalitionspartner darauf verständigt, hier zunächst keine Änderung vorzunehmen, aber die Entwicklung und die Arbeitsfähigkeit der Gremien im Blick zu behalten, gerade auch im Hinblick auf die Ergebnisse der nächsten Kommunalwahlen.

Außerdem wurden – das wurde von der Kollegin Wölfle schon angesprochen – Änderungswünsche seitens des Landes-Be hindertenbeirats an uns herangetragen. Soweit ich weiß, ent spricht das auch der Anregung der Landes-Behindertenbeauf tragten, Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Vollbetreu ung abzuschaffen. Auch uns ist dies ein ganz wichtiges An liegen. Wir sehen hier aber auch noch in einigen Punkten Klä rungs- und Prüfungsbedarf. Für uns, die Fraktion GRÜNE, geht es dabei aber um das Wie, nicht um das Ob. Wir werden das in der weiteren Beratung des Innenausschusses zu diesem Thema sehr konstruktiv aufgreifen und weiterverfolgen. Das ist ja heute erst die Erste Beratung.

Meine Damen und Herren, die in dem vorliegenden Gesetz entwurf enthaltenen Änderungen halten wir alle für hilfreich und sinnvoll. Über alles Weitere werden wir dann im Innen ausschuss beraten. Wir stimmen der Überweisung, um die es ja heute geht, auch gern zu.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank. – Nun darf ich das Wort Herrn Abg. Hockenberger von der CDU-Frakti on erteilen. – Bitte.

(Abg. Norbert Beck CDU: Guter Mann! – Abg. Tho mas Blenke CDU: Sehr guter Mann!)

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, für Sie und für mich ist heute ein besonderer Tag: Sie leiten zum ers ten Mal eine Plenarsitzung, und mir wurde das Privileg zuteil, heute zwei Mal für die CDU-Landtagsfraktion sprechen zu dürfen. Beide werden wir diesen Tag nicht vergessen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Rainer Stickelberger SPD: Sie schaffen das!)

So viel Zeit muss sein.

Wir haben gehört, dass die vorgelegten Gesetzesänderungen auf umfangreiche Erhebungen in der Vergangenheit zurück gehen. Deswegen möchte ich mich auch auf die wesentlichen Inhalte konzentrieren.

Auch die CDU-Fraktion begrüßt die Möglichkeit, dass in klei neren Gemeinden mit bis zu 3 000 Einwohnern ohne unech te Teilortswahl die Möglichkeit geschaffen werden kann, dass der Wahlvorschlag nicht bei der gesetzlichen Zahl der Mit glieder endet, sondern doppelt so viele Kandidatinnen und Kandidaten enthalten kann, wie Gemeinderäte zu wählen sind. Das verbreitert die Möglichkeit der Auswahl und steigert auch die Bereitschaft, sich für eine solche Liste zur Verfügung zu stellen. Nachdem alle drei kommunalen Landesverbände die sen Vorschlag unterstützen, schließen wir uns dem natürlich an.

Wir schließen uns auch einer Fortentwicklung gegenüber der ersten Einbringung an. Damals war noch vorgesehen, dass die Kommunen die angesprochene Möglichkeit durch Hauptsat zungsregelung ausüben sollten. Jetzt gibt der Gesetzgeber dies vor. Er folgt damit im Wesentlichen einer Empfehlung des Ge meindetags und des Landkreistags. Daher begrüßen wir die se Regelung.

Es gibt auch einige technische Änderungen in diesem Verfah ren. So wird z. B. der Zugang bei Bürgermeisterwahlen für den Fall erleichtert, dass jemand erst bei der zweiten Wahl, bei der Neuwahl wahlberechtigt ist. Bislang musste man da für einen Wahlschein beantragen; das machen nur wenige Leu te. Deswegen ist für die Zukunft vorgesehen, solche Bürge rinnen und Bürger, die erst bei der Neuwahl wahlberechtigt sind, schon gleich ins Wählerverzeichnis einzutragen und bei der ersten Wahl mit einem Sperrvermerk zu versehen. Das er leichtert die Organisation, spart Verwaltungsaufwand und er höht vielleicht auch die Bereitschaft, zur Wahl zu gehen.

Die wichtigste inhaltliche Änderung sehen wir in der Tat in der Aufnahme einer Regelung hinsichtlich der Frage, was pas siert, wenn in Gremien Mitglieder sitzen, die einer verfas sungswidrigen Partei angehören. Wir haben vom Innenminis ter gehört, dass es dazu in Baden-Württemberg im Moment noch keine Regelung gibt. Da steuern wir nach.

Wir erinnern uns an das NPD-Urteil des Bundesverfassungs gerichts. Die NPD ist nicht wegen ihrer Ziele, sondern wegen ihrer gegenwärtigen Bedeutungslosigkeit nicht verboten wor den. Wir wollen vorbereitet sein. Wir wissen nicht, was noch kommt. Deswegen treffen wir mit dieser gesetzlichen Rege lung Vorsorge. Das gilt selbstverständlich auch für Wahlvor schläge von Wählervereinigungen.

Wir begrüßen eine klare Festlegung der Einwohnerzahl, die für die Anzahl der Gemeinde- oder Ortschaftsräte wichtig ist. Wir begrüßen auch eine Vereinheitlichung des Wahlrechts mit den Regelungen bei Parlamentswahlen. Der Minister hat es gesagt: Eine Gesichtsverhüllung bei den Mitgliedern der Wahlorgane muss nicht sein.

Es ist auch angesprochen worden, was nicht im Gesetzent wurf steht, aber in der Gesetzesbegründung bzw. im Anhö rungsverfahren vorgetragen wurde. Diese beiden Punkte möchte ich zum Schluss noch aufgreifen.

Da geht es zum einen in der Tat um das Auszählverfahren bei der Kommunalwahl. Der Landesverband der Freien Wähler hat im Anhörungsverfahren angeregt, das seit 2014 geltende Sitzberechnungsverfahren wieder zu ändern und zum Aus zählverfahren nach d’Hondt zurückzukehren. Was diese Än derung seinerzeit bewirkt hat, entnehmen wir der Stellung nahme zu einem Antrag unseres ehemaligen Kollegen Klaus Herrmann.

(Der Redner hält eine Drucksache hoch.)

Auf 318 Seiten – Drucksache 15/6750 – hat die Landesregie rung umfangreich Stellung genommen, was das bedeutet. Frau Kollegin Lisbach hat auch angedeutet, dass wir da in einem engagierten Dialog innerhalb der Koalition stehen. Alle Wün sche gehen nicht auf einmal in Erfüllung. Daher enthält der Gesetzentwurf in diesem Fall keine Regelung dazu.

Ich bin überzeugt davon, dass sich weitere Gespräche lohnen und dass sich vielleicht im Lichte des Kommunalwahlergeb nisses beim nächsten Mal ein Erkenntnisgewinn ergeben wird, der denjenigen hilft, die sich im Moment noch damit schwer tun, zu der Regelung zurückzukehren. – Ich finde, das habe ich sehr schön formuliert.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja, bravo! Sehr schön! Das kann man bestätigen! – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Im Lichte des Ergebnisses!)

Das Gesetz – das haben wir allerdings auch gehört – enthält keine Regelung zu einem misslichen Umstand, den wir zur zeit beobachten: die Mehrfachkandidatur bei Bürgermeister wahlen. Jetzt muss eine Demokratie das aushalten. Sie müs sen einmal mit Bürgermeistern reden, wenn sie wiedergewählt worden sind. Dann sagen sie: „Das muss eine Demokratie aus halten.“

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja!)

Was sie vorher sagen, das sage ich Ihnen nicht.

(Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Aber das müssen wir beobachten, damit dieses Amt, das doch das schönste kommunale Amt ist, nicht für Spaßkandidaten preisgegeben wird.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Sehr gut!)

Ich habe keine Probleme mit solchen Bewerbern. Ich habe aber ein Problem damit, wenn an einem Sonntag in fünf Ge meinden eine Bewerberin antritt. Das finde ich einfach – – Das kann ich gar nicht sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei fall bei den Grünen)

Das passt dann nicht mehr. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Offenheit des Innenministers in dieser Frage, die Ent wicklung zu beobachten und gegebenenfalls nachzusteuern.

Dann bin ich sehr froh, dass ich im Koalitionsvertrag auf Bun desebene das gelesen habe, was Kollegin Wölfle vorhin mit ihrer Frage zum inklusiven Wahlrecht angesprochen hat. Sie hat auch darauf abgehoben, dass die Landes-Behindertenbe

auftragte, Frau Aeffner, dies im letzten Jahr schon einmal the matisiert hat. Dieser Punkt findet sich hier nicht wieder. Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene beinhaltet eine Regelung, wonach man sich auf Bundesebene mit der Frage des Wahl rechtsausschlusses befassen will. Das ist nicht ganz trivial. Das wissen Sie.

Ich glaube, über das Ziel sind wir uns einig – das haben auch Sie, Frau Lisbach, gesagt –; es geht um die Frage des Wie. Da finden Sie uns an Ihrer Seite. Wir sollten bei dieser Frage aber mit Sorgfalt und Bedacht vorgehen. Da danke ich für die An regungen.

Herr Kollege!

Diese Frage verweisen wir in den Ausschuss. Dort befassen wir uns intensiv damit.

Vielen Dank, dass Sie so geduldig zugehört haben.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Das Wort für die AfDFraktion hat Herr Kollege Rottmann. – Bitte schön, Sie haben das Wort.

(Abg. Anton Baron AfD: Guter Mann!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin Kurtz, sehr geehrte Kollegen, sehr geehrte Damen und Her ren! Ein Jahr vor den nächsten Kommunalwahlen sollen eini ge Änderungen an den rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Wahlen vorgenommen werden. Die meisten Punkte stel len Verbesserungen oder zumindest Vereinfachungen dar, de nen wir zustimmen können.

Ich möchte mich heute allerdings auf den kritischsten Punkt des Ganzen konzentrieren und zwei Argumente zu bedenken geben, über die wir reden sollten. Wir werden im Ausschuss weiter darüber beraten. Sicherlich wird es dann auch zu einer guten Entscheidung kommen. Es geht um den sofortigen Ver lust von Mandaten auf kommunaler Ebene, falls eine Partei oder eine Wählervereinigung verboten wird.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Haben Sie Angst? – Ge genruf des Abg. Rüdiger Klos AfD: Hören Sie doch erst mal zu!)

Ich nicht. Sie?

Was auf den ersten Blick absolut logisch und schlussendlich nur richtig erscheint, hat, bei Licht betrachtet, mehrere Ha ken. Wie wir vorhin schon unter Tagesordnungspunkt 3 ge hört haben, sind Kommunalwahlen immer auch Persönlich keitswahlen. Das heißt, bei ganz vielen Listen werden Leute auf verschiedenen Listen gewählt. Nehmen wir ein Beispiel: Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Gemeinderat von Ulm hat 29 % seiner Stimmen über Wahlzettel bekommen, die nicht CDU-Wahlzettel waren – dies nur als kleine Anmerkung.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Das heißt, kumulieren, panaschieren – die Stimmen werden weit gestreut.