Protokoll der Sitzung vom 13.06.2018

Im Januar verkündeten Sie noch vollmundig, wie sehr Sie an geblich bereits 2017 reagiert hätten, und sagten, die AfD kom me viel zu spät mit ihrem Antrag.

(Abg. Anton Baron AfD: Genau!)

Wie falsch Sie mit dieser Aussage lagen, wissen Sie heute und wussten es vermutlich damals auch schon.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass das von der AfDFraktion vorgeschlagene Mittel der standardmäßigen medizi nischen Altersfeststellung es erheblich erleichtern würde, zwi schen tatsächlich minderjährigen Flüchtlingen oder Auslän dern und nicht minderjährigen zu unterscheiden. Wir sehen ja: In 30 % der Fälle sind die Zahlen falsch.

Es würde auch eine langfristige Schutzwirkung entfalten, so wohl für die tatsächlich unbegleiteten Minderjährigen als auch für alle Personen, die mit ihnen zu tun haben – z. B. die Fa milien, bei denen sie untergebracht sind, und auch für die jun gen Mädchen in den Familien, bei denen sie untergebracht sind.

Ein weiterer Skandal bei dem Ganzen: Den Jugendämtern dro hen bei noch so offensichtlichen Fehl- oder Nichtentscheidun gen keinerlei Sanktionen, keinerlei finanzielle Sanktionen, und dies, obwohl nach dem Gesetz den Ämtern die Fallkosten nur dann erstattet werden dürfen, wenn die Leistungen rechtmä ßig erbracht werden.

Da möchte ich folgende Frage stellen: Wurden die Leistun gen rechtmäßig erbracht, wenn Jugendämter beide Augen zu drücken und offensichtlich nicht Minderjährige als Minder jährige durchwinken und hinterher die Fallkosten kassieren? Ich meine, nein. Aber Herr Lucha wird sich dazu sicherlich noch äußern.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Wir sprechen immerhin von 159 Millionen €, die den Jugendäm tern allein 2017 für unbegleitete minderjährige Ausländer zuge flossen sind. Davon entfallen durchschnittlich über 20 000 € – der Kollege Lasotta hat es gesagt – auf jeden einzelnen Fall. Bei den Betrugsfällen ist das Geld nun futsch, und beim Ab schiebungsverhinderungskartell ist das Geld versenkt.

(Beifall bei der AfD)

Ob das zum Schaden des Steuerzahlers geschieht, scheint den Ministerien relativ egal zu sein. Jedenfalls ist das meine Sicht weise. Sie dürfen es gern korrigieren. Da müssen halt ein paar Rentner in Baden-Württemberg mehr Flaschen sammeln, um auf ihre Kosten zu kommen, wenn das Geld an anderen Stel len ausgegeben wird.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Herr Innenminister, Sie haben viel zu lange gezögert. Man muss kein Rechengenie sein, um zu wissen, dass auch außer halb Deutschlands mit diesen Geldern viel mehr Hilfe vor Ort geleistet werden könnte und manche Menschen gar nicht erst nach Deutschland kommen müssten, um hier eine bessere Per spektive zu suchen.

(Vereinzelt Beifall bei der AfD)

Das setzt allerdings voraus, dass man von Ihrer Seite aus wirk lich helfen möchte und dies nicht nur vorschiebt, weil man vor dem grünen Regierungspartner kuscht oder nach dem Motto handelt: „Wo ein Wille ist, ist ein Weg; wo kein Wille ist, ist eine Ausrede“ – also einfach in Untätigkeit verharrt oder einfach so tut, als würde man handeln.

Aus den Anfragen in den letzten Wochen ergibt sich, dass Sie nun vorhaben, eine einheitliche Altersfeststellung zu etablie ren, die für die weisungsgebundenen Behörden gelten soll. Sie wissen sehr genau, dass Sie schon in den letzten zwei Jahren die Möglichkeit hatten, über Nacht auf Landesebene die Ver waltungsvorschrift zu § 49 des Aufenthaltsgesetzes anzupas sen und zu reagieren. Sie haben im Januar behauptet, Sie hät ten das getan. Letzten Endes stimmt das nicht. Sie haben le diglich den Behörden mitgeteilt – beide Ministerien –, dass im Zweifel über das Lebensalter alle erforderlichen Maßnah men zur Feststellung des Lebensalters zu treffen seien.

Vorhin meinte ein Kollege der FDP/DVP: Wenn es so einfach ist und Sie nur verfügen müssten usw. – –

(Unruhe)

Ja, aber Sie haben nur mitgeteilt, Sie haben nichts verfügt, Sie haben nichts durchgesetzt. Ich sage: nur heiße Luft aus dem Innenministerium.

(Beifall bei der AfD)

Herr Innenminister, brauchen Sie wirklich erst die Anfragen Ihrer Parteifreunde, um zu merken, dass Sie Ihren Laden nicht im Griff haben? Ich sage es Ihnen: Drucksache 16/3891, Klei ne Anfrage des Kollegen Lorek. Wie lange wollen Sie dieses Parlament für dumm verkaufen?

Herr Strobl, sorgen Sie dafür, dass die Sachen umgesetzt wer den. Ansonsten kann ich nur sagen: Treten Sie zurück, lassen Sie Ihren neuen Staatssekretär ran. Der kann es besser als Sie; davon bin ich überzeugt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Hinderer das Wort.

Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Der Schutz junger Menschen hat für uns hohe Priorität. Die Umsetzung der UN-Kinderrechtskon vention ist uns gleichermaßen wichtig wie die Zuständigkeit der Jugendhilfe für minderjährige Menschen.

Wir erwarten aber auch, dass Menschen, die bei uns Schutz suchen, bei der Feststellung ihrer Identität vollumfassend mit wirken. Das gilt auch für unbegleitete minderjährige Auslän der. Denn wir haben das Recht, zu wissen, wer in unserem Land leben will.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie der Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch)

Deshalb müssen Name, Herkunft, Alter, Fingerabdruck usw. geklärt werden. CDU und SPD haben auf Bundesebene ver einbart, behördliche Möglichkeiten zur Identitätsfeststellung

bei ungeklärter Identität zu erweitern und so Täuschungen wirksamer zu begegnen.

Das unterstützen wir, wenn klar geregelt wird, welche Maß nahmen unter welchen Voraussetzungen ergriffen werden müssen. Sollten da medizinische Untersuchungen – dazu ge hört auch das Röntgen – erforderlich sein, müssen diese auch umgesetzt werden.

(Abg. Anton Baron AfD: Ihre Bundesregierung ver hindert das!)

Wir gehen davon aus, dass auch Landesregierungen mit grü ner Beteiligung diesen Neuregelungen zustimmen werden.

(Abg. Anton Baron AfD: Ihre SPD auf Bundesebene verhindert das! Das wissen Sie ganz genau!)

Herr Sozialminister Lucha, Sie haben bereits im April voll mundig ein neues Konzept zur Altersfeststellung bei unbeglei teten minderjährigen Asylbewerbern angekündigt und zuge sagt, dieses noch vor Pfingsten vorzustellen. Laut einer dpaMeldung vom 18. April führten Sie dazu täglich Gespräche mit dem Innenministerium. Diese haben sich ja nun etwas hin gezogen. Pfingsten ist längst vorbei. Nach Änderung der Ta gesordnung haben uns gestern Abend/heute Morgen tatsäch lich über die Presse Eckpunkte eines Konzepts erreicht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: So ein Zu fall!)

Wir sind ja zufrieden, dass auch die Regierungsfraktionen sie aus der Presse erfahren haben und auch die Regierungsfrak tionen die Eckpunkte offensichtlich nicht gekannt haben. Vor her war ein Thema, wie schnell das Gutachten „ella“ den Weg in die Presse gefunden hat; ich glaube, bei den Eckpunkten ging es jetzt noch schneller. Es musste offensichtlich schnel ler gehen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Herr Innenminister Strobl, Herr Lucha, jetzt kommen Sie mit Eckpunkten um die Ecke. Uns scheint das schon aus der Hüf te geschossen zu sein: Die Altersfeststellung soll jetzt zentral im Ankunftszentrum in Heidelberg durchgeführt werden, und zwar innerhalb eines Tages. Weiß das Ankunftszentrum schon davon? Gibt es dort genügend und spezifisch ausgebildetes Personal? Weiß die Stadt Heidelberg von diesem Vorhaben? Wie geht es überhaupt weiter mit dem Ankunftszentrum in Heidelberg – oder doch in Mannheim? Wurden die Eckpunk te mit den kommunalen Landesverbänden besprochen?

(Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Alles gestern er ledigt!)

Der Presse entnehmen wir auch: Wann das neue Konzept um gesetzt wird, ist noch unklar.

Herr Lucha, Herr Strobl, die eigentliche Frage – wie sehen denn nun die sicheren Instrumente aus, um ein möglichst ge naues Ergebnis zum Alter von Flüchtlingen zu bekommen? – bleibt nach wie vor offen. Wir haben den Eindruck, dass die Landesregierung und die Regierungsfraktionen bei diesem Thema wirklich keinen Plan haben. Wie sonst kommt es, dass jeden Tag eine andere Forderung auf den Tisch kommt?

Kollege Rülke hat es angesprochen: Der Fraktionsvorsitzen de Reinhart fordert, dass den Ausländerbehörden komplett die Verantwortung übertragen wird. Herr Innenminister Strobl sagt: „auch“ den Ausländerbehörden. Der Sozialminister prüft den Sachverhalt zunächst einmal intensiv und kommt dann doch mit einer Ankündigung einer irgendwie gearteten Be weislastumkehr um die Ecke – ziemlich überraschend. Oder wie können wir Ihre Aussage in der „Badischen Zeitung“ in terpretieren? Ich zitiere Sie:

In den Fällen, in denen wir uns über die Minderjährig keit eines Geflüchteten unsicher sind, erwarten wir des sen Mitwirkung. Und wenn diese Mitwirkung nicht geleis tet wird, sollten wir ganz pragmatisch annehmen: Der Be troffene erklärt sich als volljährig.

Das ist schon einmal in der Ankündigung so etwas wie die Be weislastumkehr.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Jetzt warten Sie doch ab, bis er nachher redet!)

Aber selbstständig tätig werden, Herr Lucha, wollen Sie nicht. Sie warten, bis die Regelung von der EU vorliegt. Dass das vermutlich dauern kann,

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Was macht denn die Bundesregierung?)

kann sich jeder leicht ausmalen. Insofern wollen wir heute wissen: Wie sieht Ihr Konzept aus? Wann wird es umgesetzt? Und wenn Sie so ganz pragmatisch von einer Beweislastum kehr ausgehen: Welche Regelungen müssen dafür geändert werden? Und wie ist es nun mit dem Beschluss der EU dafür?

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Was habt ihr denn jetzt im Koalitionsvertrag in Berlin verein bart?)