Damit liegt die Letzt- und Hauptverantwortung beim Gesetz geber. Wir wollen nicht, dass Mediziner deshalb Landärzte werden, weil sie sich irgendwann in jungen Jahren einmal da zu verpflichtet haben, sondern wir wollen, dass sie Landärz te werden, weil sie diese Arbeit gern tun. Wir wollen wieder eine flächendeckende Grundversorgung herstellen; das muss unser Mindestanspruch sein.
Die Ärzte und die Menschen in unserem Land haben eine Struktur verdient, in der Ärzte gern arbeiten und in der die Menschen gut versorgt werden.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Zunächst einmal ein herzliches Danke schön an die CDU, namentlich an den Kollegen Teufel, dass sie dieses wichtige Thema hier ins Plenum bringt. Ob es für eine Aktuelle Debatte taugt, weiß ich nicht.
Es ist ein daueraktuelles Thema, schon seit vielen Monaten – zumindest für uns –, weil die ärztliche Versorgung auf dem Land dauerhaft aktuell ist. Das einzig wirklich Aktuelle ist, dass vor Kurzem Ihr Fraktionsvorsitzender Reinhart mit der vermeintlich neuen Idee – auch diese ist nicht neu – der Land arztquote um die Ecke kam und auf Konfrontation zum Koa litionspartner ging. Das ist tatsächlich neu.
Wir haben gehört und entnehmen das auch der heutigen Pres se, dass die Wissenschaftsministerin nichts davon hält. Auch Kollegin Krebs hat sie gerade noch einmal darin bestärkt. Ich habe schon ein etwas giftiges Klima hier in der Debatte wahr genommen; da gibt es gewisse Differenzen in der Koalition.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Oh-Rufe von den Grünen und der CDU – Abg. Petra Krebs GRÜ NE: Ich habe mich ausdrücklich bei Herrn Teufel be dankt!)
Deshalb finde ich es durchaus mutig, Herr Kollege Teufel, dass Sie Ihren Streit hier offen austragen. Da sind Sie mittler weile – es gibt so viele Themen, bei denen Sie sich nicht ei nig sind – völlig schmerzfrei, ist mein Eindruck.
(Oh-Rufe von den Grünen – Abg. Nicole Razavi CDU: Konstruktive Diskussionen! – Abg. Jochen Hauß mann FDP/DVP: Es gibt keine Themen mehr, bei de nen sie sich einig sind!)
Jedenfalls bin ich gespannt, ob Sie die Wissenschaftsministe rin auf Ihrer Reise nach Nordrhein-Westfalen bekehren kön nen. Ich ermuntere die Wissenschaftsministerin: Bleiben Sie in dieser Frage skeptisch, Frau Bauer.
Ich habe gerade gesagt: Es ist ein daueraktuelles Thema. Wenn Sie – was ich vermute – immer dann, wenn Sie die Aufforde rung dazu bekommen, den Pressespiegel pünktlich löschen, dann konnten Sie nicht mehr recherchieren, dass unser Frak tionsvorsitzender, dass wir bereits im März letzten Jahres ei nen Zehnpunkteplan vorgestellt haben. Der Pressespiegel war am 31. März 2017 ziemlich gut bestückt mit dem Zehnpunk teplan der SPD-Fraktion.
Uns ist wichtig, dass wir bei der Frage, wie wir die ärztliche Versorgung auf dem Land sichern, keine isolierten Lösungen favorisieren. Wir müssen das Gesamtpaket in den Blick neh men.
Deshalb reicht es auch nicht aus, Herr Kollege Teufel, nur das Medizinstudium in den Blick zu nehmen, indem wir Stipen dien oder eine Landarztquote einführen. Das kann allerhöchs tens ein ganz kleiner Baustein bei der Bewältigung des Man gels sein.
Aus unserer Sicht ist es unumgänglich, dass verschiedene Maßnahmen gleichzeitig angegangen werden und dass alle an der Versorgung Beteiligten ein gemeinsames Ziel verfolgen.
In Bezug auf das Medizinstudium und die universitäre Wei terbildung fordern wir deshalb zunächst einmal, dass eine grö ßere Anzahl von Studienplätzen im Fach Medizin geschaffen wird. Darin sind wir uns mittlerweile einig. Da gab es auch Vorbehalte, aber dieser Forderung haben Sie sich angeschlos sen. Wichtig ist auch – ich glaube, darauf müssen wir an die ser Stelle schon hinweisen –, dass parallel auch in anderen Bundesländern die Zahl der Medizinstudienplätze erhöht wird.
Dabei reicht weder bei uns noch in anderen Ländern die Ver gabe von Stipendien oder die Einführung einer Landarztquo te als Einzelmaßnahme aus. Es bedarf aus unserer Sicht tat sächlich weiterer Überlegungen und Prüfungen. Was wären denn beispielsweise die Konsequenzen für Studierende, die sich nach mindestens elfjähriger Ausbildung doch nicht als Landarzt niederlassen, weil sich Interessen oder auch Kompe tenzen verändert haben?
Frau Bauer nennt die Antwort heute in der „Rhein-NeckarZeitung“: Wenn man genug Geld hat – man schaue sich ein mal die Einkommensunterschiede verschiedener Facharztdis ziplinen an –, kauft man sich frei.
Deshalb setzen wir uns dafür ein, die Allgemeinmedizin im Medizinstudium zu stärken, indem gezielte Reformen im „Mas terplan Medizinstudium 2020“ zeitnah umgesetzt werden. Um die Allgemeinmedizin mit den klassischen Fachgebieten der Medizin gleichzustellen, müssen Lehrstühle geschaffen wer den. Wir brauchen mehr Stellen für wissenschaftliches Perso
Hier muss aus unserer Sicht das Land Geld investieren. Es kann und darf nicht sein, dass der „Masterplan Medizinstudi um 2020“ deshalb nicht umgesetzt wird, weil er nach wie vor unter Finanzierungsvorbehalt steht.
Wir können auch bei der Aufnahme der Tätigkeit als Vertrags arzt steuern. Wir sind auch der Meinung, dass unterversorgte Regionen mit dem bestehenden Ärztemangel nicht alleinge lassen werden dürfen. Deshalb fordern wir monetäre Anreize und Niederlassungszuschüsse für Landärzte in abgelegenen oder unterversorgten Regionen.
Das Landärzteprogramm wurde genannt. Wenn der Topf leer ist – das scheint demnächst der Fall zu sein; oder vielleicht ist er schon leer –, muss hier auch noch einmal nachgelegt wer den. Dann müssen wir, gegebenenfalls über einen Nachtrags haushalt, neue Mittel in diesen Landarzttopf einstellen.
Denn mittlerweile werden, nachdem von der Amtsvorgängerin des Sozialministers nachjustiert wurde, die Mittel tatsächlich abgerufen. An dieser Stelle darf das Programm „Ziel und Zu kunft“ der Kassenärztlichen Vereinigung ebenfalls als sehr wirksam benannt werden.
Wir wollen aber auch, dass die Niederlassung nicht mehr – wie es zumindest in Teilen nach wie vor der Fall ist – von der Frage abhängt: Wo sind denn die Privatpatienten, und wo gibt es mehr Privatpatienten?
Deshalb ist aus unserer Sicht auch das Thema „Gemeinsame Gebührenordnung von gesetzlicher und privater Krankenver sicherung“ längst überfällig.
(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das ist doch völliger Unsinn, was Sie da sagen! Völliger Quatsch!)
Auch in Bezug auf die Ausübung der vertragsärztlichen Tä tigkeit – wenn es also so weit ist, dass sich jemand niederge lassen hat oder plant, sich niederzulassen – sind weitere Maß nahmen erforderlich. Aus unserer Sicht darf es nicht sein, dass ausgebildete Ärztinnen und Ärzte um der besseren Vereinbar keit von Familie, Privatleben und Beruf willen immer noch ins Ausland abwandern.
Wir wollen, dass Ärztinnen und Ärzte in Baden-Württemberg bleiben. Deshalb brauchen wir innovative Wege, alternative Praxisformen jenseits der klassischen Einzelpraxis, beispiels
weise auch durch die Förderung von Angestelltenverhältnis sen in Teilzeit, das Einrichten von Gemeinschaftspraxen und Zweitpraxen, die Förderung von medizinischen Versorgungs zentren.
Nein. Ich habe noch so viel Text, und die Zeit läuft mir davon. – Wir wollen, dass Hausärztin nen und Hausärzte mehr Kompetenzen bekommen und eine Lotsenfunktion im Gesundheitssystem einnehmen. Dazu ge hört auch, dass der Zugang zu Patientendaten, z. B. mit der elektronischen Gesundheitskarte, deutlich verbessert wird.
Wir wollen, dass die Stellung der hausärztlich tätigen Ärzte im Gesundheitssystem insgesamt verbessert wird. Deshalb müssen wir auch Möglichkeiten der Delegation und der Sub stitution von bisher rein ärztlicher Tätigkeit auf andere medi zinische Fachkräfte verbessern. Das Thema „Bachelor in Nur sing“ oder auch die Behandlung durch Telemedizin sind hier wichtige Schritte in die richtige Richtung.
Deshalb begrüßen wir ganz ausdrücklich auch das aktuelle Projekt „docdirekt“ der Kassenärztlichen Vereinigung und der Landesärztekammer. Hier gehen wir in Baden-Württemberg mit der telemedizinischen Behandlung den richtigen Weg.
Eine Anmerkung sei erlaubt: Das Projekt wurde ganz promi nent auch in der Pressemeldung der Landesregierung zum Di gitalisierungsbericht vorgestellt. Da würde ich etwas zurück haltender sein und mich lieber nicht mit fremden Federn schmü cken. Es gab Landesmittel, aber die Innovation und die Ent wicklung kamen von der Kassenärztlichen Vereinigung, und die Landesärztekammer ist hier einen ganz großen Schritt nach vorn gegangen.
Wenn wir die genannten Maßnahmen als Gesamtpaket wei terverfolgen, kann aus unserer Sicht langfristig die ärztliche Versorgung in der Fläche gelingen. Um diesen Weg effektiv zu gehen, muss die Landesregierung allerdings auch in den unterschiedlichen Koordinierungsforen, die wir haben, etwa in der Landesgesundheitskonferenz oder im Sektorenübergrei fenden Landesausschuss, noch aktiver werden und hier den Blick auf die Problematik und die möglichen Maßnahmen len ken.