Protokoll der Sitzung vom 14.06.2018

Frau Abg. Krebs, lassen Sie eine – –

Nein.

Sie lässt keine Zwischenfra gen zu. Okay.

Wir sind gleichzeitig davon über zeugt, dass eine Quote für Studierende, die sich für eine Tä tigkeit als Landarzt verpflichten, nicht zielführend ist. Ich be zweifle wirklich, dass sich ein junger Mensch mit 18 Jahren schon darauf festlegen kann und auch festlegen mag, wo er in ca. zehn Jahren – so lange dauert es mindestens – leben will und wo er seine Lebensräume gestalten will.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Warten Sie doch mal ab! Vielleicht sieht er bessere Chancen! Schauen Sie doch mal nach NRW!)

Ich glaube tatsächlich – das habe ich am eigenen Leib erlebt; ich habe zwei Töchter, die studieren –, dass vor allem in ei ner gewissen Lebensphase die Menschen von Liebe geleitet werden.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Hoffentlich in jeder Lebensphase!)

Da haben Sie recht, Herr Rülke. – Sie lassen sich dort nie der, wo ihre Liebe hinfällt.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE zu Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Die Liebe, Wolfgang!)

Ich zitiere da gern meinen Kollegen Jürgen Filius:

Wir wollen junge Menschen mit Begeisterung und Bega bung fördern und nicht durch Vorfestlegung auf Einsatz gebiete bevormunden.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Mehr Freiheit!)

Also: Talentquote statt Landarztquote.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Stefan Teufel hat es erwähnt: Ein nahender Generationen wechsel bei den Hausärzten im ganzen Land und geänderte Lebensentwürfe und Arbeitszeitmodelle bei den Niedergelas senen machen eine Erhöhung der Zahl der Studienplätze nö tig. Das befürworten wir. Wir befürworten auch die Erhöhung um 10 %. Das kostet richtig Geld, aber das muss uns die Ge sundheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wert sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

In diesem Zug noch ein Gedanke: Ich höre immer wieder – ich habe es heute auch schon gehört –, dass wir mehr Ärzte brauchen, weil inzwischen mehr als die Hälfte der Studieren den Frauen sind. Frauen wollen anscheinend nicht in Vollzeit arbeiten, sondern sich auch um ihre Kinder kümmern. Das ist gut so. Aber das grüne Credo lautet: Männliche Ärzte müssen sich genauso um ihre Familie kümmern und kümmern kön nen. Dieses Recht haben zu wollen ist weder weiblich noch verwerflich, sondern selbstverständlich.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU – Lachen des Abg. Bernd Gögel AfD)

Deshalb setzt grüne Familienpolitik auf eine moderne Verein barkeit von Familie und Beruf.

Bleiben Sie gesund!

(Beifall bei den Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Frau Abg. Dr. Baum.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Noch im letzten Jahr beschwichtigte Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Reinhart, unseren gemeinsamen Wahlkreis betreffend, dass von einer etwaigen Unterversor gung im medizinischen Bereich in der Region keine Rede sein könne. Das mag für den Moment gestimmt haben, Herr Dr. Reinhart. Leider haben Sie damals aber vergessen, auch in die Zukunft zu schauen. Das holt die CDU mit der Aktuellen De batte anscheinend heute nach. Man ist daher geneigt, zu den ken, dass die Union nun endlich Einsicht zeigt und auch be reit ist, längerfristig, wenigstens länger als bis zur nächsten Landtagswahl zu denken.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Aber neu ist das Problem der absehbaren Unterversorgung im medizinischen Bereich für alle schon länger in diesem Parla

ment anwesenden Parteien absolut nicht. Während die Bevöl kerung einen schleichenden Rückgang der Versorgung mit längeren Wartezeiten, längeren Anfahrtswegen und der grund sätzlich schon schwierigen Arztsuche spürt, sind Ihnen allen die Zahlen schon seit Jahren bekannt.

Nur als Beispiel sei eine Anfrage des ehemaligen FDP/DVPLandtagsabgeordneten Dr. Wetzel aus dem Jahr 2008 genannt. Das Ministerium für Arbeit und Soziales zeigte in der Beant wortung deutlich, wohin die Reise geht. Der Anteil der über 60-jährigen Ärzte im Land lag im Jahr 1996 bei etwa 11 %, 2006 bei 17 % und liegt heute bei etwa einem Drittel. Wir ha ben also eine Verdreifachung dieser Altersgruppe in 22 Jah ren. Wir sprechen somit über eine Entwicklung, die schon lan ge bekannt ist und die man ausnahmsweise einmal nicht GrünRot in die Schuhe schieben kann, denn die meiste Zeit davon war eine schwarz-gelbe Regierung dafür verantwortlich.

Mehr als 200 Gemeinden sind inzwischen auf der Liste des Förderprogramms „Landärzte“ als akute Fördergebiete aus gewiesen. Dass das Land so viele Gemeinden unterstützen will, ist gut; schlecht ist, dass es so viele Gemeinden unter stützen muss.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wir befürworten ausdrücklich strukturelle Förderungen, müs sen aber auch feststellen, dass sie in dieser Form offensicht lich bisher nicht in ausreichendem Maß zum Erfolg geführt haben.

Als Lösung steht nun der planwirtschaftliche Ansatz einer Quote im Raum, einer Quote, die junge Menschen animieren soll, sich schon vor Beginn ihres Studiums zu verpflichten, sich auf ihren späteren Lebensweg festzulegen, ohne über haupt einen Einblick in die verschiedenen Fachbereiche er halten zu haben. Sicher werden viele davon diesen Weg gern und motiviert beschreiten. Es wird aber auch diejenigen ge ben, die sich gern für einen anderen Weg entschieden hätten. Bei Letzteren kommt es nun darauf an, wer es sich leisten kann, bei Umentscheidung die Sanktionen zu tragen, die ihm der Staat auferlegt, oder wer sich der Vorgabe beugt und dann völlig unmotiviert einen Beruf ausübt, der ihm keine Freude bereitet. Möchten Sie zu einem solchen Arzt gehen? Ich nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU)

Schon allein um keine wertvollen Talente und Passionen zu verschenken, die sich auch erst im Verlauf des Studiums er geben können, und um junge Medizinstudenten in ihrer Frei heit der Berufswahl nicht einzuschränken, ist eine so frühe Festlegung abzulehnen.

Dabei ist eine Förderung von Medizinstudenten, die sich da zu bereit erklären, in einem Mangelgebiet tätig zu werden, ab solut sinnvoll und begrüßenswert – aber erst dann, wenn die se Entscheidung wohlüberlegt in einem späteren Studienab schnitt erfolgt. So sieht es auch das Stipendienprogramm zur Gewinnung von Medizinstudenten für den unterversorgten ländlichen Raum vor. Minister Lucha sagte hierzu – ich zitie re –:

Medizinstudierende entscheiden sich in der Regel erst im späteren Verlauf des klinischen Abschnitts für eine ärzt

liche Spezialisierung und nicht bereits zu Beginn des Stu diums...

Ich wollte mir die Gelegenheit nicht nehmen lassen, Herrn Lucha heute ausnahmsweise einmal zustimmend zu zitieren.

(Lachen bei der AfD – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das wird ihn aber freuen! – Unruhe)

Aber stellen Sie sich bitte auch die Frage, warum sich immer weniger Absolventen dafür entscheiden, als Landarzt tätig zu werden. Diesbezüglich zitiere ich aus einer Antwort der ehe maligen baden-württembergischen Arbeits- und Sozialminis terin Dr. Monika Stolz aus dem Jahr 2008:

Auf längere Sicht wird entscheidend sein, ob eine ver tragsärztliche Niederlassung eine – auch ökonomisch – interessante berufliche Perspektive für junge Ärzte bieten kann.

Schon damals – auch darauf weist die ehemalige Ministerin hin – gab es in ausreichender Zahl Medizinstudenten, aber zu wenige, die sich für eine Tätigkeit als Landarzt entschieden.

Wir haben nun einmal die Situation, dass sich die Prioritäten auch bei Ärzten hin zu mehr persönlicher Freiheit und Frei zeit verschoben haben. Das ist eine Tatsache, und darauf muss man reagieren. Eine Quote, mit der junge Absolventen in be stehende Strukturen gezwängt werden, soll nun offenbar rich ten, was jahrelang versäumt wurde. Wir hingegen wollen neue Strukturen anbieten, die den veränderten Bedürfnissen gerecht werden. Das ist der ganz grundsätzliche Unterschied zu Ihren Lösungsansätzen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Einerseits gibt es Ihren planwirtschaftlichen Ansatz einer Quo te, andererseits unser freiheitliches Modell, das den Bedürf nissen der Ärzte wie der Patienten entgegenkommt.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass den Ärzten die Ent scheidung für eine Niederlassung nicht leicht gemacht wird. Schon allein der Erwerb einer Praxis stellt im Vergleich zu früher ein unkalkulierbares Risiko dar. Anders als noch vor einigen Jahren ist die Übergabe einer Praxis an einen Nach folger inzwischen sehr häufig nicht mehr möglich. Ich spre che als selbstständige Zahnärztin aus eigener Erfahrung. Wir versuchen seit Jahren, einen Nachfolger zu finden; es ist uns bis heute nicht gelungen.

Übrigens war früher der Erlös aus einer Praxis ein zusätzli ches Standbein für die Altersversorgung. Auch das fällt jetzt in vielen Fällen weg.

Deshalb kann ich jeden jungen Menschen verstehen, der nicht gleich zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeit ein solch mas sives finanzielles Risiko eingehen möchte – oder überhaupt eingehen kann. Auch hier hilft uns eine Quote übrigens nicht weiter; denn man kann zwar jemandem die Verpflichtung ab ringen, in einem vorgegebenen Gebiet tätig zu werden, man kann aber niemanden dazu zwingen, sich zu verschulden.

Es geht also darum, die Niederlassung zu erleichtern und die Schwellen für den Einstieg in die Selbstständigkeit zu senken. Denkbar ist etwa die Bereitstellung und Vermietung von Inf

rastruktureinrichtungen an niederlassungswillige Ärzte, seien es einzelne Praxen oder gemeinsame Ärztehäuser. Hier müs sen die Gemeinden Konzepte erarbeiten, die den Ansprüchen vor Ort gerecht werden.

Das Land und der Bund haben dafür zu sorgen, dass eine fi nanzielle Absicherung hergestellt wird. Denn selbstverständ lich gehört die Gesundheitsversorgung zur Daseinsvorsorge, wie ja auch Sie schon gesagt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)