Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

Bei aller Freude über Ihre späte Einsicht: Den Tieren ist mit dem Tierwohllabel nicht geholfen. Ja, wir haben in Deutsch land Defizite in der Massentierhaltung. Diese gilt es zu be kämpfen, ganz klar. Dafür setzt sich die AfD ebenfalls ein. Braucht es dafür ein Label, für das man 70 Millionen € in den Sand setzen will? Die Antwort ist ein deutliches Nein,

(Beifall bei der AfD)

zumindest nicht in dieser Reihenfolge. Geltendes Recht um zusetzen wäre ein erster Schritt, Gesetze für die Tierhaltung zu verbessern ein weiterer. Denn wenn sich nun ein paar mu tige Landwirte dazu entschließen, die Kriterien des freiwilli gen – ich wiederhole: freiwilligen – Labels zu erfüllen, riskie ren sie womöglich ihre Existenz.

Zwar behaupten angeblich 80 % der Deutschen, sie würden für Fleisch aus einer besseren Haltung deutlich mehr zahlen, aber der sogenannte Citizen-Consumer-Gap – das ist die gän gige wissenschaftliche Bezeichnung – zeigt den großen Un terschied, der zwischen den Antworten in Umfragen und dem tatsächlichen Kaufverhalten bei Bioprodukten oder eben Fleisch aus artgerechter Tierhaltung klafft. Es ist also Stand der Wissenschaft, dass sich Verbraucher beim Einkauf anders verhalten, als sie das nach eigenem Bekunden tun.

Man rechnet mit um 20 % höheren Preisen für Fleisch- und Wurstwaren durch das Label. 20 %! Der einfache Bürger kann aber sein Gehalt nicht einfach mal so selbst erhöhen. Denken Sie daran.

Unsere Kritik an der Freiwilligkeit teilt auch der Einkaufschef von Lidl. In SPIEGEL ONLINE vom 5. Juni dieses Jahres ist zu lesen:

Die Moral endet oft am Geldbeutel,...

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Denken Sie auch an die weiteren Folgen. Ausgerechnet die Landesregierung, die immer von europäischen Lösungen träumt, ignoriert die Synergien in der EU bei genau diesem Thema.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wer sich teures Fleisch nicht leisten kann – das werden leider immer mehr Bürger sein –, muss auf billiges Fleisch zurück greifen. Dieses kommt aber meist aus dem Ausland – auch aus dem EU-Ausland. Dort gelten aber ganz andere Gesetze,

(Abg. Georg Nelius SPD: Keine Ahnung!)

nationale Gesetze. Wir wissen, dass sie größtenteils unter den deutschen Standards im Tierschutz liegen.

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

Einen weiteren wichtigen Punkt haben Sie ebenfalls nicht be rücksichtigt. Wenn Sie sich das nächste Mal in der Mittags pause ein Fleischgericht bestellen, werden Sie wissen, was ich meine. Denn Ihr Label soll ja nur für den Einzelhandel gel ten, nicht aber für die Gastronomie. Das bedeutet, dass Sie auch weiterhin nie erfahren werden, unter welchen Umstän den das Tier aufgezogen wurde, das Ihr Essen einmal gewe sen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Ich schaue mir die Tiere schon auf der Weide an! Lebendbeschaffung! – Zuruf des Abg. Martin Hahn GRÜNE – Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch meldet sich.)

Ganz zu schweigen vom privaten Label der Initiative Tier wohl von der Fleischwirtschaft und dem Einzelhandel. Hier bezahlt der Konsument zwar mehr, aber er bekommt nicht ein mal das Fleisch aus besserer Tierhaltung.

Herr Abg. Herre, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Der Mehrpreis geht zwar an die Bauern, die ihren Tieren etwas Gutes tun, aber der Käufer bekommt nicht das entsprechende Fleisch.

Abschließend ist zu sagen: Als Gesetzgeber sind Sie, die Lan desregierung, eigentlich aufgefordert, Gesetze zu machen und nicht durchzuwinken. Sie dokumentieren damit nur einmal mehr Ihre eigene Macht- und Tatenlosigkeit.

(Beifall bei der AfD)

Wir, das Parlament, sollen beschließen, dass der Landtag oder besser die Landesregierung begrüßt, dass die neue Große Ko alition im Bund im Bereich des Tierschutzes einen Schritt in die richtige Richtung unternimmt.

(Abg. Martin Hahn GRÜNE: Sollen sie das nicht?)

Sie dürfen das beschließen, wir werden Sie nicht davon ab halten. Wir, die AfD-Fraktion, werden den Antrag aus inhalt lichen Gründen ablehnen. Es ist ein Drama der Landesregie rung, nur noch Grußformeln nach Berlin beschließen zu kön nen – schade eigentlich. Das Thema „Tierschutz in der Mas sentierhaltung“ hätte man auf Landesebene wesentlich besser aufarbeiten können und müssen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD – Abg. Martin Hahn GRÜNE: Gute Opposition bringt auch einmal ein paar Vor schläge! – Gegenruf: Hat er nicht!)

Ich rufe Herrn Abg. Gall für die SPD-Fraktion auf.

Werte Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Dieser Antrag der Regierungsfraktionen betrifft, wie ich meine, eine wirklich schöne Schnittstelle zwi schen der Landwirtschaft und den Verbraucherinnen und Ver brauchern, nämlich das Tierwohl.

Wir haben hier im Plenum gerade in den letzten Monaten wie derholt über Zertifizierungen, über Verbraucherschutz gere det. Wer sich erinnert, weiß, dass wir seitens der SPD dieses Thema Tierwohl in den letzten Monaten immer wieder auch in den Mittelpunkt der politischen Diskussion gestellt haben, weil es aktuelle Anlässe dafür gab, aber auch weil wir skep tisch waren und es immer noch sind, wie viel von dem, was versprochen wird oder was in Gesetzen steht, real tatsächlich auch eingehalten wird. Denn man muss beispielsweise immer noch zur Kenntnis nehmen, dass tierhaltende Betriebe im Schnitt nur alle zwölf Jahre kontrolliert werden, weil Sie, mei ne Damen und Herren, die entsprechenden Haushaltsmittel für mehr Kontrollen verweigern.

Ich erinnere außerdem an die Tierschutzkontrollen in Schlacht höfen, bei Tiertransporten ins Ausland. Da mahnen wir immer wieder Verlässlichkeit an, um Täuschungen und Betrug zu ver hindern. Wir erwarten, dass Sie seitens der Landesregierung sicherstellen, dass gesetzliche Standards auch eingehalten werden.

Aber heute – das will ich ausdrücklich sagen – geht es um et was mehr. Es geht darum, ob wir dem Wunsch – das will ich schon einmal in Richtung AfD sagen – der Verbraucherinnen und Verbraucher entsprechen. Denn die möchten eine klare Kennzeichnung, damit sie wissen, welche Produkte sie kau fen, und dieses Tierschutzlabel erfüllt einen Wunsch der Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher nach einem solchen Label. Deshalb ist die Politik gut beraten, diesem Wunsch auch zu entsprechen,

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

zumal die Verbraucherinnen und Verbraucher bereit sind, für gute Produkte auch mehr zu zahlen.

(Abg. Anton Baron AfD: Sie kennen doch gar nicht die Ausgestaltung des Labels! – Zuruf des Abg. Ste fan Herre AfD)

Was Sie heute hier ausgeführt haben, ist nichts anderes

(Abg. Anton Baron AfD: Das ist doch völliger Quatsch!)

als das Infragestellen dessen, was die Verbraucher selbst sa gen, nämlich: Wir sind bereit, mehr zu bezahlen. Man kann es doch in der Tat in den Märkten heute sehen: an der Viel zahl der Produkte, die aus Biolandwirtschaft kommen, die aus guter Erzeugung kommen. Die nehmen doch schlicht und er greifend zu, und die Regale wären nicht größer und nicht um fangreicher und voller, wenn der Verbraucher diese Produkte nicht kaufen würde.

(Abg. Anton Baron AfD: 50 % der Bioprodukte kom men aus China! – Gegenruf des Abg. Martin Hahn GRÜNE)

Jetzt will ich aber schon einmal sagen, wenn es um das Tier schutzlabel geht: Die Union, meine Damen und Herren, stellt seit zwölfeinhalb Jahren auf der Bundesebene die zuständi gen Ministerinnen und Minister für Ernährung, Landwirt schaft und Verbraucherschutz und bleibt damit eigentlich un verdächtig, sich dem Tierschutzlabel besonders gewidmet zu haben. Wenn ich Ihnen die Namen nenne, ist es auch nicht verwunderlich: Ilse Aigner, Christian Schmidt und Seehofer.

(Lachen bei der SPD)

Ich will damit sagen und auch in diesem Bereich wieder dar auf hinweisen: Das steht auch deshalb im Koalitionsvertrag, weil die SPD es war, die darauf bestanden hat, dies jetzt end lich verpflichtend umzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es ja schön – da steckt kein Sarkasmus dahinter –, wenn sich jetzt auch die Regierungsfraktionen hier im Land dies zu eigen machen, nicht nur unterstützen, was im Koali tionsvertrag auf Bundesebene steht, sondern das tatsächlich auch als ihr Thema betrachten.

Ich will aber wirklich einmal sagen: In trockenen Tüchern ist das noch nicht. Denn – auch das wurde ausgeführt – es beste hen noch konkreter Diskussionsbedarf und Meinungsunter schiede, was die konkrete Ausgestaltung anlangt. Also: Wel che Kriterien sollen wirklich angewandt werden? Wird das Label einstufig oder mehrstufig sein, wird es verbindlich oder nur freiwillig sein? Ich sage: Na klar, wir sind für Verbind lichkeit; das unterstütze ich ausdrücklich. Und: Ist im Endef fekt – das darf man ja schon hinterfragen – den Verbrauche rinnen und Verbrauchern auch wirklich gedient? Können sie sicher sein, dass sie beim Kauf dieser Produkte dann auch das bekommen, was sie mit ihrer Kaufentscheidung mit Mehrkos ten, die sie ja selbst bezahlen müssen, bewirken wollen, näm lich bessere Tierhaltung?

Wir sind uns auch nicht ganz einig, was die Initiative Tier wohl als Initiative der großen Ketten tatsächlich betrifft. Aber wir müssen ganz einfach sagen: Das ist ein Schritt in die rich tige Richtung, aber nur ein bisschen mehr zu machen als die gesetzliche Grundlage, das ist jedenfalls zu wenig. Gerade auch deshalb sind wir für dieses staatliche Tierwohllabel.

Das heißt, es muss auch noch geklärt werden – da gibt es noch jede Menge Fragen –, was das Label umfassen muss.

(Abg. Anton Baron AfD: Also! Sie kennen doch gar nicht die Ausgestaltung!)

Ein erster Schritt – darauf legen wir großen Wert – ist, die Qualitätssicherung sicherzustellen. Das heißt, es geht auch um Kontrollen und Dokumentation. Das kann man den Herstel lern bzw. Produzenten nicht ersparen. Denn es muss gewähr leistet sein, dass eingehalten wird, was versprochen und letzt endlich auch bezahlt wird.

(Abg. Anton Baron AfD: Noch mehr Bürokratie!)

Wir brauchen auch eine verbraucherfreundliche Kennzeich nung; Kollege Hahn, Sie haben es angesprochen. Es muss sich deshalb – finden wir jedenfalls – an der Eierkennzeichnung orientieren. Denn dort eine andere Kategorisierung einzufüh ren würde nur zu Verwirrung führen. Ich finde, das ist ein gu tes Beispiel, und deshalb sollte man sich daran orientieren.

Vor allem kommt es darauf an, dass dieses Label die gesam te Produktionskette umfasst, auch das Fleisch, das schon ver arbeitet worden ist. Denn wir wissen: 80 % von dem, was über die Theke geht, ist verarbeitetes Material, und nur 20 % ist – ich nenne es jetzt einmal so, obwohl es technisch und fach lich vielleicht nicht der richtige Begriff ist, aber Sie wissen, was ich meine – Rohfleisch. Sie haben es gesagt: