Protokoll der Sitzung vom 18.07.2018

und wenn ihr für den Umweltschutz und die Biodiversität et was tut, dann bekommt ihr weitere 15 %. Ihr könnt also ei gentlich 30 % umschichten.

Wenn ich das auf das baden-württembergische Jahresbudget umlege,

(Abg. Martin Hahn GRÜNE: Dann wissen wir gar nicht mehr, was wir machen! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

das wir von der Europäischen Union an Direktzahlungen aus zahlen – 600 Millionen € im Jahr –, könnten wir 180 Millio nen € umschichten. Das gilt aber nur, wenn wir volle 30 % hätten. Die haben wir aber nicht. Es müsste erst einmal ein bundeseinheitlicher Konsens erfolgen, dass wir 30 % um schichten würden. Dann könnten wir alle Maßnahmen, die wir

heute in der zweiten Säule haben, locker finanzieren. Es wür de natürlich von den Direktzahlungen abgehen; das ist voll kommen klar. Aber die Maßnahmen, die wir heute in der zwei ten Säule haben, könnten wir finanzieren.

Ich bin sehr dafür, verantwortlich mit allen Beteiligten auf eu ropäischer Ebene – mit dem Parlament, mit der Kommission –, aber auch mit dem Deutschen Bundestag und mit den an deren Ländern zu reden, damit die Kürzungen, die jetzt im Raum stehen, nicht kommen.

Dazu braucht es erstens Zahlungen aus dem deutschen Bun deshaushalt an die Europäische Union. Da hilft die Nettozahlerdiskussion, die es damals bei Schröder gab – unbedingt we niger nach Brüssel zahlen –, garantiert nicht weiter. Auch das Mauern von Herrn Scholz hilft nicht weiter, um es mal klar zu sagen. Da braucht es Vorleistungen. Es muss auch ein Si gnal an andere Länder sein, dass die bereit sind, mehr nach Brüssel zu überweisen, damit die notwendigen Aufgaben der Europäischen Union finanziert werden können.

Herr Minister Hauk, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Bullinger zu?

Ja.

Bitte, Herr Abg. Dr. Bullinger.

Herr Minister, ein Ziel, das auch der Kommissar genannt hat und das ein Wunsch aller Bauern und auch der Verwaltung ist, ist der Bürokratie abbau. Die Erfahrung zeigt aber, dass nach jeder Ankündi gung, Bürokratie abzubauen, letztlich mehr Bürokratie kam.

Was könnten Sie sich vorstellen, oder welchen Vorschlag könn te die Landesregierung in Richtung Berlin – Verhandlungspa ket in Brüssel oder Straßburg – machen, um hier vielleicht – gerade bei der ersten Säule; bei der zweiten braucht man das Geld vielleicht ein bisschen mehr – diese Entlastung in punc to Bürokratismus zu erreichen? Welche Vorschläge wären da möglich?

Vielen Dank, Herr Dr. Bullinger. Ich werde gleich darauf eingehen. Ich wollte meinen Gedanken nur noch kurz zu Ende führen.

Das Zweite, was neben dem Thema Haushalt notwendig ist, ist, dass wir uns über die Verteilung der ersten und der zwei ten Säule unterhalten. Dass es hier bundesweit sofort einen Konsens gäbe, glaube ich nicht; aber es ist notwendig, dass wir zu einem Konsens kommen.

Das Dritte ist dann, dass der nationale Strategieplan, der auf gestellt wird, schon im Lichte dessen gesehen wird, was dar in steht – jetzt komme ich zur Beantwortung Ihrer Frage –, nämlich im Lichte der Frage: Was wollen wir, will die Bun desrepublik Deutschland in puncto Zielerreichung machen, und wie definieren wir mit der Europäischen Union die Zie le, die zur Zielerreichung führen, also die Kriterien? Die Kri teriendiskussion muss dezidiert erfolgen, damit die EU nicht nach fünf oder sieben Jahren kommt und sagt: „Die Ziele ha ben wir zwar definiert, aber ihr habt sie gar nicht erreicht.“ Dann sagen wir: „Wir haben sie aber erreicht.“ Dann ist es ei

ne Frage des Messsystems. Das muss mit der EU ausdisku tiert werden.

Es kann zu Entlastungen kommen, wenn wir mit der Europä ischen Union die Ziele und die Kriterien diskutieren und aus einanderklamüsern und diese dann klar sind. Dann können wir die Umsetzung selbst in die Hand nehmen oder dies bundes republikweit bzw. deutschlandweit in die Hand nehmen. Dann hätten wir den lästigen Bürokratieaufwand, den wir in der Tat vor allem durch die Haushaltskontrolle verursachen – er ist nicht durch die Kommission politisch verursacht, sondern durch die Haushaltskontrolle verursacht –, verringert, dann wären wir letztendlich einen lästigen Riesenballast los.

Wenn es gelingt, einen gemeinsamen Strategieplan aufzustel len und die Kriterien vernünftig zu diskutieren, dann kommen wir, glaube ich, in ein Feld, wo man die Ziele, die man vor al lem in der zweiten Säule und über die zweite Säule verfolgt, auch tatsächlich erreichen kann. Da gibt es große Überein stimmungen hier im Haus und große Übereinstimmungen auch innerhalb der Regierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.

Wir treten jetzt in die Mittagspause ein und setzen die Sitzung um 15:00 Uhr fort, und zwar mit der Regierungsbefragung. Erst danach folgt Tagesordnungspunkt 3. – Vielen Dank.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:52 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 15:00 Uhr)

Meine sehr geehrten Da men und Herren, ich eröffne den Nachmittagsteil unserer 67. Plenarsitzung.

Wir treten ein in Punkt 4 der Tagesordnung:

Regierungsbefragung

Die erste Frage hat die CDU eingebracht. Das Thema lautet:

B i l d u n g v o n D a c h m a r k e n i m R a h m e n d e r n e u e n T o u r i s m u s k o n z e p t i o n

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Kollege Dr. Rapp führt in das Thema ein.

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kol legen! Herr Minister, Baden-Württemberg ist mit Bayern in steter Konkurrenz um den Platz Nummer 1 als Tourismusland in Deutschland.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das kann nicht sein!)

Die Bedeutung für den Tourismus, für die Städte bis hinein in den ländlichen Raum, ist, denke ich, in diesem Saal unbestrit

ten, ebenso wie die Frage nach den Arbeitsplätzen im Touris mus, nach den Fachkräften und allen positiven Wirkungen, auch für die kleineren Strukturen.

Ein Blick auf die aktuelle Situation: Wir haben im mittlerwei le achten Jahr in Folge ansteigende Tourismuszahlen sowohl bei den Übernachtungen als auch bei den Gästeankünften. Wir haben momentan einen Trend, der national wie international in Richtung Baden-Württemberg und Bayern zeigt; aber es stellt sich die Frage, inwieweit dieser Trend anhaltend ist, in wieweit wir vielleicht sogar schon den Zenit erreicht haben. Daraus abgeleitet die Frage: Was kann, was muss BadenWürttemberg tun, um auch in fünf, zehn oder 15 Jahren noch zu den Topdestinationen im Bereich Tourismus zu gehören?

Deshalb stelle ich zwei Fragen aus diesem Segment. Zum Ers ten: Das Land Baden-Württemberg – so ist es auch im Koali tionsvertrag festgehalten – entwickelt derzeit eine neue Tou rismuskonzeption. Herr Minister, ich frage Sie, ob Sie uns über den aktuellen Stand der Entwicklung bzw. Fortführung dieser Tourismuskonzeption informieren können.

Zum Zweiten: Man orientiert sich bei der Tourismuswerbung, beim Marketing, immer an Dachmarken. Angeführt werden einerseits Bayern und andererseits Südtirol als übergeordne te Dachmarken. Ich tue mich etwas schwer, wenn ich mir et wa vorstelle, ob jemand aus dem englischen Sprachraum das Wort Baden-Württemberg als Dachmarke erkennen kann – zum einen wegen des Bindestrichs und zum anderen wegen der Aussprache.

Die Frage ist: Welche Bedeutung haben Dachmarken bzw. hat die Dachmarke Baden-Württemberg aus Sicht des Ministeri ums?

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Do rothea Wehinger GRÜNE)

Ich darf Herrn Minister Wolf um die Beantwortung bitten.

Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Kolle ge Dr. Rapp, herzlichen Dank für diese Anfrage. Ich denke, sie ist auch passend zur Jahreszeit und zur bevorstehenden Ur laubszeit. Vielleicht kann diese Regierungsbefragung ja auch ein kleiner Werbeblock für Urlaub in Baden-Württemberg sein.

(Abg. Klaus Dürr AfD: Immer! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Alles schon ausgebucht, Herr Minis ter! – Zuruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/ DVP)

Zunächst war die Frage darauf gerichtet, wie wir aktuell in der Landesregierung die Tourismuskonzeption aus dem Jahr 2009 fortschreiben. Es ist im grün-schwarzen Koalitionsver trag festgelegt, dass wir diese Konzeption fortschreiben wol len. Dabei gibt es natürlich wesentliche Veränderungen. Den ken Sie nur an die demografische Entwicklung, an die Mög lichkeiten der Digitalisierung oder auch an die Folgen des Kli mawandels – alles Themen, die uns im Zuge der Fortschrei bung dieser Tourismuskonzeption wichtig sind.

Wichtig ist uns auch die grenzüberschreitende Zusammenar beit. Der Gast, der Tourist, macht nicht an Städte- und Ge meindegrenzen oder Kreisgrenzen halt, ja, auch nicht an Lan desgrenzen. Das heißt, wir wollen auch die Möglichkeiten des grenzübergreifenden Tourismus in den Vordergrund stellen.

Wir haben jetzt, im Juli, sogenannte Themen-Workshops in nerhalb dieser Fortschreibung der Konzeption durchgeführt, in denen wir uns mit Fragen der Markenbildung, der Zielgrup pen, der Digitalisierung, der Tourismusinfrastruktur und der Aufgabenverteilung befasst haben. Für die Zeit nach der Som merpause sind Regionalkonferenzen geplant, die auf der Ba sis des bisher Diskutierten dann an fünf Orten in Baden-Würt temberg eine breite Beteiligung ermöglichen wollen.

Insgesamt ist in die Arbeiten an dieser Konzeption eine gro ße Bandbreite von Akteuren im Tourismus eingebunden: die Verbände, die Hotellerie, die Gastronomie, die Naturparke, der Nationalpark und vieles andere mehr. Es soll ein breiter Beteiligungsprozess werden, in dem sich am Ende möglichst viele wiederfinden.

Was die Markenbildung in Baden-Württemberg angeht: Ja, Baden-Württemberg ist das klassische „Bindestrichland“ – nicht vergleichbar mit Bayern, nicht vergleichbar mit Südtirol. Wir haben eine Vielzahl von Leuchttürmen. Natürlich gehört der Schwarzwald in allererster Linie dazu, ebenso wie der Bo densee und die Schwäbische Alb. Wir wollen an dieser tou ristischen Vielfalt als gemeinsamer Dachmarke Baden-Würt temberg auch festhalten. Wenn man einzelne Leuchttürme auf zählt, läuft man Gefahr, andere, die auch leuchten, zu verges sen. Das ist aber der mir vorgegebenen Kürze der Zeit ge schuldet.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Vielen Dank, Herr Minis ter. – Ich habe weitere Wortmeldungen, zuerst von Herrn Abg. Pix von den Grünen. – Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Minister, mit 330 000 Arbeitsplätzen, wunderschönen Landschaften, wundervollen Städten und tol len Kulturangeboten ist Baden-Württemberg zweifelsohne ein Tourismusland. Allerdings befinden wir uns in einem grenz übergreifenden Wettbewerb mit anderen Destinationen aus dem In- und Ausland.