Protokoll der Sitzung vom 29.06.2016

Insofern bleibt das Recht auf Asyl selbstverständlich gewahrt; es steht weiterhin jedem offen, der von Verfolgung betroffen ist. Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht jedoch schlicht der Realität, indem er die Fakten einer kaum vorhandenen An erkennungsquote in der praktischen Gesetzesanwendung an erkennt. Mit der Zustimmung zu diesem Gesetz ermöglichen wir einen sachgerechten Umgang mit den Tatsachen und Er fordernissen, ohne das Grundrecht auf Asyl zu beeinträchti gen.

Ich möchte es noch einmal betonen: Wer asylberechtigt ist, wer in diesem Land zu Recht Schutz sucht, wer vor Gewalt, wer vor Vergewaltigung, wer vor Tod, wer vor politischer Ver folgung flieht, für den muss es in Deutschland und vor allem auch im reichen Baden-Württemberg einen Platz geben.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der AfD und der SPD)

Das hat etwas mit christlicher Verantwortung, das hat etwas mit historischer Verantwortung, das hat – vor allem anderen wie etwa unserem deutschen Asylrecht oder der Genfer Flücht lingskonvention – etwas mit dem christlichen Bild vom Men schen zu tun. Das hat, wenn Sie so wollen, im Kern etwas mit unserer deutschen und europäischen Kultur zu tun, die auf das christliche Bild des Menschen zurückzuführen ist.

Deswegen ist die Tür in Baden-Württemberg und in Deutsch land offen für all diejenigen, die tatsächlich an Leib und Le ben bedroht und politisch verfolgt sind. Daran ändert die Zu stimmung zu diesem Bundesgesetz nichts. Nein, es ist in Wahrheit im Interesse derer, die unter politischer Verfolgung leiden. Deswegen ist es richtig, dass die baden-württembergi sche Landesregierung, so es denn am 8. Juli auf der Tagesord nung des Bundesrats stehen wird, diesem Gesetz ihre Zustim mung erteilt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

In der zweiten Runde er teile ich für die AfD-Fraktion Herrn Fraktionsvorsitzendem Professor Dr. Meuthen das Wort.

Ich mache es ganz kurz; ich habe auch nicht mehr viel Redezeit. – Ich finde diese Debat te erfreulich sachlich und konstruktiv. Eine Ausnahme sind die Ausführungen des Abg. Hinderer, den ich schon fragen möchte, was das soll. Halten Sie es denn wirklich für ange messen, uns den immer wieder wiederholten Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit zu machen?

(Vereinzelt Beifall bei der AfD – Zuruf: Bis zum Be weis des Gegenteils! – Zuruf von der AfD: Das glaubt eh niemand mehr!)

Ich finde das einfach völlig schräg und will das hier einmal zur Kenntnis geben.

In den Reihen meiner Partei finden sich Menschen höchst un terschiedlicher Herkünfte: Wir haben Schwarze, wir haben Menschen türkischer Herkunft, wir haben Menschen asiati scher Herkunft, wir haben Menschen unterschiedlicher reli giöser Bekenntnisse und auch Menschen unterschiedlicher se xueller Orientierungen in unseren Reihen – wie alle anderen auch. Ich will das nur einmal zur Kenntnis geben, weil ich mich angesichts dessen frage: Was soll dieser Unfug? Müs sen wir wirklich so miteinander umgehen? Versuchen Sie es doch einfach einmal mit Aufrichtigkeit

(Zurufe von der SPD)

statt mit billiger – bei der SPD leider häufiger vorkommender – Polemik.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der AfD: Jawohl! – Bravo!)

Ich sage Ihnen in der Sache dazu noch Folgendes: Wir spre chen uns keineswegs – um auch das einmal deutlich zu ma chen – gegen jedwede Form von Migration in unser Land hi nein aus, sondern wir sagen – und das erkennen sehr viele Menschen in diesem Land als richtig an –, dass diese Art von unkontrollierter Massenmigration, die wir erleben, unser Land völlig überfordert, und zwar die hier lebenden Menschen, so wohl autochthone Deutsche wie auch die hier lebenden Mig ranten, die gut integriert unter uns leben und auch schlecht da mit zurechtkommen, als auch die Menschen, die in unser Land einreisen.

Wir machen unser Land so – das ist unsere Sorge – sukzessi ve kaputt.

(Zuruf von der AfD)

Das treibt uns um, und dagegen wenden wir uns.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, ich sage das ganz deutlich: Das ist nicht Fremdenfeindlichkeit; das liegt uns auch völlig fern. Was wir wollen, ist eine geordnete, rechtsstaatliche und klar be grenzte Migrationspolitik sowohl in Fragen der Zuwanderung als auch – das ist ein anderes Rechtsgebiet – in Fragen des Asylrechts. Das sollte im Interesse aller Menschen sein, der hier lebenden Deutschen wie der unter uns lebenden zugereis ten Migranten, wie auch der Menschen, die hereinwollen und die wir in dieser Zahl nicht aufnehmen und angemessen inte grieren können. Und in dieser Zahl wollen wir das auch nicht; ich mache das deutlich.

Meiner Partei geht es also um Maß und Vernunft und nicht um Stimmungsmache und Polemik.

(Zurufe)

Ich möchte Sie bitten, das endlich einmal zu begreifen. Mehr habe ich nicht zu sagen.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD – Zurufe)

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Herrn Kollegen Lede Abal das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Die Frage der sicheren Herkunftsstaaten ist in der Tat keine Schicksalsfrage; das geben die derzeitigen Zahlen nicht her. Allerdings gehört zu der Frage der sicheren Herkunfts staaten natürlich auch die Frage der Rückführungen nach ei nem Asylentscheid. Auf diesem Gebiet haben wir, wie ich fin de, auf Bundesebene noch ganz erhebliche Defizite, die noch aufgearbeitet werden müssen.

Dieser Tage hat sich beispielsweise der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Jäger, gemeldet und dar auf hingewiesen, dass die Vereinbarungen insbesondere mit Marokko im Augenblick praxisuntauglich sind. Die Beschrän kungen sind zu groß, um sie in dieser Form durchzuführen. Ich glaube, es ist wichtig, an dieser Stelle zu arbeiten, um die se Entwicklung besser voranzubringen.

Zum Zweiten ist nicht die Einstufung als sicheres Herkunfts land der eigentliche, der wesentliche Faktor, sondern die Be arbeitung beim Bundesamt. Da gibt es zwar nach wie vor die individuelle Prüfung aller Asylanträge – insofern gebe ich dem Kollege Hinderer recht –, aber wenn Sie sich einmal die Be arbeitungspraxis im BAMF anschauen, stellen sich einige Fra gen an das Bundesamt. Wie es im BAMF aussieht, haben wir in den letzten Tagen gehört. Verschiedene Leute haben auf die Qualitätsmängel hingewiesen.

Angesichts dessen bin ich sogar froh, dass es diese verbindli che Vereinbarung oder Protokollnotiz – wie auch immer man es nennen möchte – gibt, weil sie für die Fälle, in denen ein Asylantrag wirklich seine Berechtigung hat, überhaupt erst die Voraussetzung schafft, ihn anständig zu bearbeiten. Des halb glaube ich nicht, dass da der Vorwurf der Verzögerung greift, sondern es geht um die inhaltliche, materielle Qualität der Prüfung.

(Abg. Sascha Binder SPD meldet sich.)

Nein, weil ich mit der Zeit ansonsten nicht hinkomme. Aber wir können Ihre Frage bilateral klären.

(Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD)

Der nächste Punkt ist, dass die ständige Ausweitung der Zahl der sicheren Herkunftsländer uns nicht wirklich weiterhilft. Manche Parteien haben eine Liste mit den Ländern, die sie noch als sichere Herkunftsländer ausweisen wollen. Eine Par tei hat eine Liste von 143 Staaten, die sie gern als sichere Her kunftsländer ausweisen würde. Es können auch 147 sein. All dies hilft uns nicht wirklich weiter.

Herr Weil – wieder ein SPD-Politiker –, der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, hat gefordert, die Symboldebatte endlich zu beenden. Dazu sind verschiedene Vorschläge in der Diskussion. Der Ministerpräsident hat einen ins Spiel ge bracht. Das hilft uns eher, als in dieser Frage weiterhin immer nur Einzelfallentscheidungen zu treffen.

Auch Ihre Aussage, Herr Goll, verstehe ich nicht ganz. Sie ha ben sich selbst widersprochen. Vielleicht überlegen Sie sich noch einmal, was Sie vorgetragen haben. Denn einerseits zu behaupten, Baden-Württemberg sei nicht relevant, und ande rerseits einzuräumen, dem Ministerpräsidenten sei ein großes Zugeständnis gemacht worden, ist für mich letztlich nicht stimmig. Sie haben jedoch, glaube ich, noch Redezeit, die Sie nutzen könnten, um das vielleicht noch klarzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Sie müssen sich schon entscheiden, welchen Vorwurf Sie ma chen wollen.

Ich glaube auch, dass Ihr Vorwurf in dieser Hinsicht nicht wirklich konstruktiv und sinnvoll ist. Denn das, was in ande ren Bundesländern entschieden wird, wie die anderen Landes regierungen entscheiden, wie sie sich im Bundesrat abstim men, sollten wir hier nicht zum Gegenstand von Debatten ma chen. Da sollten wir die Eigenständigkeit anderer Landesre gierungen, anderer Bundesländer respektieren und keine par teipolitischen Vorwürfe erheben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen)

Für die CDU-Fraktion er hält nochmals Kollege Mack das Wort.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! In einer so schwierigen, emotional aufge ladenen Debatte wie der Flüchtlingsdebatte, die wir vor allem im vergangenen Jahr und vor der Landtagswahl geführt ha ben und heute wieder führen, ist es wichtig, die Dinge ausei nanderzuhalten. Herr Meuthen, wenn es um die Frage geht, wie wir die Menschen, die aus dem Maghreb zu uns kommen, behandeln, dann geht es um die Verhältnisse in diesen Staa ten und eben nicht um die Ereignisse auf der Kölner Dom platte.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Das sind zwei Dinge, die Sie miteinander in Verbindung ge bracht haben.

(Zuruf von der AfD: Nein, nein!)

Wenn Sie fragen: „Was habt ihr alle gegen uns?“, dann muss ich Ihnen vorwerfen: Sie vermischen bewusst Dinge, die ge trennt behandelt werden müssen. Wir treten dafür ein, mit küh lem Kopf die Dinge auseinanderzuhalten und die Probleme nacheinander zu lösen.

Diese Dinge haben also nichts miteinander zu tun. Bei der Be urteilung, ob die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftslän dern erklärt werden sollen, geht es einfach darum, zu schau en, wie dort die Bedingungen sind und wie wir zu verantwort baren Antworten kommen können, wie wir es schaffen kön nen, die Zahl der Menschen, die von dort kommen, ohne ei

nen Asylgrund zu haben, zu reduzieren, ohne diejenigen, die schutzbedürftig sind, vor der Tür stehen zu lassen. Darum geht es uns bei dieser Debatte, Herr Meuthen.

Das Zweite: Vermischt werden darf auch nicht das Thema der Rückführung in die Maghreb-Staaten mit der Frage der siche ren Herkunftsländer. Man sollte das eine tun und das andere nicht lassen. Wir wollen, dass die Maghreb-Staaten zu siche ren Herkunftsländern erklärt werden. Aber der Bundesinnen minister hat sich selbstverständlich auch darum bemüht, dass die abgelehnten Asylbewerber aus diesen Staaten wieder dort hin zurückgeführt werden. Auch diese Bemühungen müssen unterstützt werden.