Protokoll der Sitzung vom 10.10.2018

Der fanatische Kampf gegen alles Neue in der Landwirtschaft zeigt sich auch in Ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem CRISPR-Verfahren.

Herr Abg. Dr. Fiechtner, las sen Sie eine Zwischenfrage des Abg. Hahn zu?

Nein. – Ihr Ab geordneter im Europäischen Parlament, Herr Martin Häus ling, kritisiert die unbekannten Folgen des Einsatzes der Gen schere. Dabei sind in der klassischen Züchtung die Folgen deutlich unbekannter. Während man beim Genome Editing gezielt bestimmte Sequenzen im Code ändert, mischt man bei der Kreuzungszüchtung die Genome der Elternpflanzen – mit unbekanntem Ausgang.

Noch unbekannter sind die Ergebnisse bei strahlen- und che mikalieninduzierten Mutationen. Hier wird Radioaktivität oder Chemie eingesetzt, um Mutationen zu erzeugen, die in der Natur so nicht vorkommen. Nahezu die gesamte Gersten ernte Europas trägt eines von zwei Genen, die vor Jahrzehn ten durch Strahlen verändert wurden und dafür sorgen, dass die Ähren auf kürzeren und stabileren Stengeln wachsen.

Das Gleiche gilt auch für die Biograpefruitsorten Star Ruby und Ruby Red. Wenn Sie also das nächste Mal eine Grape fruit kaufen – vielleicht sogar mit einem Anti-Atomkraft-Kle ber am Auto –,...

Herr Abg. Dr. Fiechtner, kom men Sie zum Schluss.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos] nimmt die seitlich am Redepult abgelegte Grapefruit und hält sie hoch.)

... dann fragen Sie sich, wie ökologisch Ihre ökologische Landwirtschaft ei gentlich ist.

Vielen Dank.

(Abg. Martin Hahn GRÜNE: Diese Rede passt bes ser an Fasnet!)

Herr Abg. Dr. Fiechtner, Ge genstände dürfen grundsätzlich nicht ans Redepult gebracht werden. – Danke schön.

Meine Damen und Herren, mir liegen nunmehr keine weite ren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte been det und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.

Bevor ich Punkt 2 aufrufe, möchte ich noch einmal an Sie ap pellieren, Herr Abg. Dr. Merz. Sie haben vorhin Herrn Minis ter Hauk, als dieser eine Zwischenfrage von Ihnen nicht zu gelassen hat, als Feigling bezeichnet. Ich bitte Sie, zu beach ten: Es gibt keine Pflicht des Redners oder der Rednerin, ei ne Zwischenfrage zuzulassen; das entscheidet jeder und jede selbst. Das haben alle hier zu respektieren, auch Sie. Ich bit te Sie, in Zukunft von so etwas abzusehen.

(Zuruf: Pfui!)

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Kein starker Minister!)

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU und Antwort der Landesregierung – Opferschutz in Baden-Württemberg – Drucksache 16/2919

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra che eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion und für das Schlusswort der die Große Anfrage stellenden Fraktionen zu sätzlich fünf Minuten festgelegt. Die Fraktion GRÜNE und die Fraktion der CDU sind übereingekommen, die für das Schlusswort zur Verfügung stehende Zeit zu teilen, sodass ih

nen damit jeweils insgesamt 7,5 Minuten zur Verfügung ste hen.

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich Frau Abg. Gent ges.

Verehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als zehn Jahren be rate und vertrete ich als Opferanwältin des WEISSEN RINGS Kriminalitätsopfer. Ich mache das gern, weil es sinnstiftend ist und weil es eine dankbare Aufgabe ist. Ich habe Annähe rungsverbote erwirkt, Zeugen zu Vernehmungen begleitet, an Täter-Opfer-Ausgleichen mitgewirkt, Nebenklagen vertreten und Adhäsionsanträge gestellt. – So weit zum juristischen Teil.

Ich habe aber auch Ärzte und Psychologen vermittelt,

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sehr gut!)

für räumliche Trennung von Opfern und Tätern gesorgt. Bei den Verfahren bin ich Verletzungen und Traumata begegnet, die ich lieber nicht erlebt hätte. Ich habe Familienangehörige von Opfern begleitet und Suizidversuche erlebt.

Mir ist eines bewusst: Die originäre Aufgabe eines Strafver fahrens ist, einen Sachverhalt aufzuklären, individuelle Schuld festzustellen und den staatlichen Strafanspruch durchzuset zen. Dabei, meine sehr geehrten Damen und Herren, dürfen wir aber die Opfer nicht aus dem Blick verlieren.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Sehr gut!)

Vielmehr muss der Grundsatz Gültigkeit haben: Opferschutz vor Täterschutz.

(Beifall der Abg. Karl Zimmermann CDU und Dani el Rottmann AfD)

Dabei sind wir auf dem richtigen Weg, auch wenn wir noch eine lange Wegstrecke vor uns haben.

Wir bieten Betreuungsangebote und Anlaufstellen, insbeson dere für Frauen, die Opfer von Gewalt werden. Unsere Poli zei informiert Verletzte im Strafverfahren frühzeitig über ih re Möglichkeiten, etwa zur Inanspruchnahme von Unterstüt zung und Versorgungsleistungen.

Im Rahmen von Strafverfahren gibt es neben der Zeugenbe gleitung auch das neue Instrument der psychosozialen Pro zessbegleitung. Wir müssen den Schwerpunkt aber noch mehr als bisher auf den Opferschutz legen. Wir müssen flächende ckend eine verfahrensunabhängige Beweissicherung gewähr leisten, etwa durch die Übertragung des Modells der Heidel berger Gewaltambulanz auf alle Unikliniken in Baden-Würt temberg. Wir brauchen flächendeckend psychotherapeutische Soforthilfe, damit sich Traumata nicht verfestigen.

Wenn auch Geld nichts ungeschehen zu machen vermag, sind finanzielle Zuwendungen an Personen, die von Gewalttaten betroffen sind, doch von großer Bedeutung. Die Landesstif tung Opferschutz versucht, Lücken bei der gesetzlichen Op ferentschädigung zu schließen. Der bisherige Landeszuschuss an die Landesstiftung beläuft sich auf 400 000 € und setzt mit diesem Betrag enge Grenzen für das, was möglich ist. Meine

Fraktion spricht sich deshalb dafür aus, diesen Zuschuss an die Landesstiftung auf 800 000 € pro Jahr zu verdoppeln.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Großer Beifall bei den Grünen, beim Koaliti onspartner!)

Überhaupt keine Toleranz, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, darf es bei Gewalt gegenüber Kindern geben – über haupt keine Toleranz. Als Rechtsanwältin habe ich schon Din ge gesehen, die sich meine Fantasie nicht hätte ausmalen kön nen.

Der Missbrauchsfall von Staufen hat mich aber bis ins Mark erschüttert. Der kleine Junge hat unaussprechliche Dinge er leben müssen – unter Tatbeteiligung des einen Menschen, dem er auf dieser Welt am meisten Vertrauen entgegengebracht hat. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen, vielleicht irgendwann wieder ein normales Leben führen zu können, und es tut mir unermesslich leid, dass der Staat, dass wir nicht in der Lage waren, ihn vor seinen Peinigern effektiv zu schützen.

(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen, der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Leider können wir das Schicksal des Kindes nicht rückgän gig machen, aber wir stehen in der Pflicht, alles Erdenkliche zu tun, damit solche Fälle künftig nicht mehr vorkommen.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der AfD, der SPD und der FDP/DVP)

Deshalb ist es auch richtig, dass die Landesregierung eine Kommission einsetzt, um konkrete Empfehlungen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt und sexuellem Missbrauch zu erarbeiten. Wir erwarten von der Kommission schnelle Ergebnisse zur Verstetigung der Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Behörden und Institutionen.

Einmal erlangte Erkenntnisse müssen allen beteiligten Akteu ren, jedem Gericht und jeder Behörde zur Verfügung stehen. Regionale Fallkonferenzen zum Kinderschutz unter Beteili gung sämtlicher Akteure müssen zur Pflicht gemacht werden. Bürger müssen sich jederzeit mit Hinweisen an einen regio nalen Kinderschutzbeauftragten wenden können.

Die beim Landeskriminalamt eingerichtete Koordinierungs stelle zum Umgang mit besonders rückfallgefährdeten Sexu alstraftätern sollte hier zu einer zentralen Schnittstelle zwi schen den beteiligten Stellen ausgebaut werden. Nicht zuletzt muss es auch um die Frage gehen, wie ein nachhaltiger The rapieerfolg bei einem verurteilten Sexualstraftäter und eine effektive Kontrolle der Einhaltung ihm erteilter Weisungen gewährleistet werden können.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die CDU-Frak tion wird die Arbeit der Kinderschutzkommission aufmerk sam beobachten und nach Kräften aktiv unterstützen. Rech nen Sie mit unserer kritischen Begleitung im Interesse derer, deren Schutz uns allen anvertraut ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge ordneten der AfD, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Gute Rede! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Exzellente Rede!)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich Herrn Abg. Maier das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2017 wurden in Baden-Württemberg fast 64 000 Fälle von Aggressionsdelik ten registriert. Hinter jedem Fall steht mindestens ein Opfer, oft noch mehr als eines. Diesen wollen wir uns heute im Land tag im Zuge der Beratung der Großen Anfrage von CDU und Grünen widmen.

Nicht viele Menschen können – so wie die Kollegin Gentges – einschätzen, was es bedeutet, den besten Freund, die Ehe frau, den Vater durch einen Gewaltakt verloren zu haben, um einen geliebten Menschen zu bangen oder eine Schwester oder eine Freundin zu haben, die auch viele Jahre nach einer Ge walttat mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben, die oft so lebensbestimmend sind, dass das Sprichwort „Die Zeit heilt alle Wunden“ falsch ist und für nichtig erklärt werden muss.

Kein Mensch kann sich darauf vorbereiten, als Opfer einer Gewalttat durch das Leben zu gehen. Was dann im weiteren Prozess auf einen als Zeuge oder als Zeugin zukommt, ist ei ne der größten Herausforderungen, die man sich nur vorstel len kann. Dazu kommt oft noch das Unverständnis des eige nen Umfelds oder staatlicher Stellen.

Deswegen bin ich froh, dass es viele Menschen gibt, die sich mit ganz verschiedenen Methoden und Möglichkeiten, mit großer Hingabe und viel Leidenschaft um die Betroffenen kümmern, ihnen zuhören, ihnen Beistand leisten und gemein sam einen steinigen Weg gehen. Für diesen Einsatz möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bedanken.