Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Herr Gögel, lassen Sie mich zu Beginn eines klarstellen, wenn Sie mit DITIB, mit Wochen ende und Moschee argumentieren: Es geht hier nicht um den Religionsunterricht, schon gar nicht um den islamischen Re ligionsunterricht.
(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)
Ich betone das deswegen, weil der eine oder andere hier in diesem Hohen Haus schon Sprachgebote aufstellen will – Sie erinnern sich. Sie machen damit wieder einmal und wohl in Fortsetzungsabsicht ein Nichtproblem zu einem Thema, um daraus besondere Reflexe zu bedienen.
Lassen Sie uns ganz stressfrei diskutieren, ohne dass zumin dest eine Fraktion bei den Themen Ausländer und „Ausländi sche Sprachen“ Zuckungen bekommt.
Der sogenannte Konsulatsunterricht geht auf eine Europäi sche Richtlinie nicht aus den Sechzigerjahren, Herr Gögel,
Ja, wir wissen, dass die Lebenswirklichkeit von Migration heute ganz sicher eine andere ist als 1977, als die damalige Wanderarbeiterrichtlinie davon ausging, dass die Menschen, die zur Arbeit gekommen sind, irgendwann auch wieder zu rückgehen. Arbeiter waren gesucht, und, meine Damen und Herren, Menschen sind gekommen. Und Menschen haben Be dürfnisse. Dazu zählt auch, in der Muttersprache sprechen zu können, mit Familienangehörigen, mit Verwandten kommu nizieren zu können. Voraussetzung dafür ist, diese andere Sprache auch unterrichtet zu bekommen.
Die Richtlinie aus dem Jahr 1977 wollte, dass die Menschen, zumindest sprachlich, mit einem Fuß in ihrer Heimat bleiben.
Wir wollen heute, dass sie mit beiden Beinen auf dem Boden des deutschen Grundgesetzes integriert hier leben, und zwar, was die Arbeit, was die Schule und was die Grundwerte be trifft.
(Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü nen und der SPD – Abg. Winfried Mack CDU: Sehr gut! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Bravo! – Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)
Heute werden rund 14 Sprachen – nicht nur eine Sprache – im sogenannten Konsulatsunterricht gelehrt, und die Teilneh merzahlen sind stark rückläufig. Von über 54 000 Schülerin nen und Schülern im Jahr 2011 sind es aktuell noch 38 509 – also ein Rückgang von fast einem Drittel. Die Zahlen sind auch deshalb rückläufig, weil Sprache der Schlüssel für Inte gration ist; daher ist die deutsche Sprache relevant, wenn In tegration gelingen soll.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sehr gut! – Wi derspruch bei der AfD – Abg. Carola Wolle AfD: Ach nee! – Zuruf von der AfD: Wir müssen über die deut sche Sprache diskutieren!)
Und das, meine Damen und Herren von der AfD, ist unbestrit ten quasi die Geschäftsgrundlage eines guten Zusammenle bens.
Außerdem verläuft dieser Sprachunterricht weitestgehend pro blemlos. Für Baden-Württemberg lässt sich heute feststellen, dass der herkunftssprachliche Unterricht in guter Zusammen arbeit mit den Vertretungen der Länder läuft, die dieses Mo dell überhaupt anbieten.
Wir sprechen von zwei ganz unterschiedlichen Themen: hier der Schulunterricht in Baden-Württemberg nach dem Bil dungsplan Baden-Württembergs, natürlich gehalten in deut scher Sprache und nach den Regeln des Schulgesetzes; dort der muttersprachliche Kurs, der dem Einzelnen die Sprache seiner Herkunft nahebringt – das ist nichts, was sich beißt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Mehrsprachig keit macht klüger!)
Für Ersteres benötigen wir alle Finanzmittel und alle perso nellen Ressourcen, wie wir sie hier beschließen und als not wendig erachten. Für das Zweite haben wir derzeit überhaupt nicht die Möglichkeiten, das notwendige Personal vorzuhal ten, und das ist auch nicht unsere Aufgabe. Wir wollen nicht in die Finanzierung dieser Zusatzkurse einsteigen. Dazu be steht kein Anlass. Wir sind hier nicht im Verteilmodus. Wir konzentrieren unsere Haushaltsmittel für eine gute Schulpo litik und investieren in Zusatzstunden an unseren Schulen, und zwar in Deutsch, und dafür geben wir mehr Geld aus.
Warum also sollten wir Griechenland, Mazedonien, Portugal, Italien oder Ungarn und Co. an dieser Stelle mitfinanzieren und finanziell entlasten? Es ist doch gut, wenn hier Verant wortung auch in Geldmitteln Ausdruck findet.
Meine Damen und Herren, für die jungen Menschen ist das Angebot durchaus wertvoll. Mehrsprachigkeit, das Aufwach sen mit mehreren sprachlichen Zentren, fordert junge Men schen, aber es fördert sie auch: Es fördert das eigene Sprach vermögen und auch die Fähigkeit zur kulturellen Differenzie rung.
Nehmen Sie z. B. Familien, in denen Vater und Mutter ver schiedene Sprachen sprechen sowie unterschiedlichen Kultu ren angehören oder in denen sich eine Mehrsprachigkeit aus anderen Umständen ergibt. Diese Konstellationen der Mehr sprachigkeit fördern das soziale Verhalten und die Vielfalt.
Lesen, Schreiben und Sprechen sind die Schlüssel für eine gu te Zukunft. Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wollen zum Teil ohne Not dem Landeshaushalt die Kosten aufbür den, die heute Drittstaaten aufbringen, zumal wir das auch heute schon finanziell fördern – ja, fördern, auch, um zu se hen, was passiert: Inhalt, Form, Lernort. Sie wollen dies oh ne Not pädagogisch verantworten, ohne dass es dafür über haupt ein Konzept gibt.
Gut, manchmal ist es vielleicht Stil Ihrer Politik, ohne Kon zept zu arbeiten. Aber ich füge hinzu: Dieses Konzept kann es gar nicht geben, weil sich die Vielfalt der Sprachen und der Herkunftsorte nicht standardisieren lässt, geschweige denn, dass wir für jede Sprache und jedes Herkunftsland geeignetes Lehrpersonal stellen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in den letzten beiden Jahren in den Ausbau des Deutschunterrichts investiert – allein an den Grundschulen zwei Wochenstunden. Das ist unser Schwerpunkt, weil das auch unsere Verantwor tung ist. Angesichts der zunehmenden Sprachenvielfalt der Schülerschaft haben wir ja auch zumindest darüber Konsens, eine früh beginnende und kontinuierliche sprachliche Förde rung zu etablieren. Ohne Zweifel ist dabei die deutsche Spra che eine Einladung der Zukunft in diesem Land.
Aber es ist auch nachvollziehbar, dass bei Herkunft und Ab stammung aus einem anderen Sprachkreis dieser ergänzende Bezug als Teil der eigenen Individualität und Selbstbestim mung bestehen bleiben soll. Das muss uns nicht verunsichern oder gar verängstigen. Es muss uns auch nicht Anlass für Arg wohn und Misstrauen sein.
Diese fremdsprachlichen Tupfer sind eine Bereicherung, und wir wollen das schon gar nicht aus parteipolitischer Stim mungsmache hören.
Meine Damen und Herren, eines ist klar – das negieren wir auch überhaupt nicht –: Wir müssen bei diesem Thema sensi bel bleiben, merken, wenn etwas aus dem Ruder läuft,
und reagieren, wenn wir diese Feststellung treffen. Die Schul verwaltung ist hier auf dem richtigen Weg, kooperativ zu be gleiten und zu sehen – keine Dunkelräume, keine Missver ständnisse und kein Vertun, dass wir hier irgendetwas tolerie ren würden, was nicht unserer Verfassung und nicht unseren Werten entspricht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen sowie des Abg. Daniel Rottmann AfD – Abg. Daniel Rottmann AfD: Bravo!)
Gestatten Sie mir – das ist ja wohl Ihre Hauptsorge – ein of fenes Wort zu den Angeboten in türkischer Sprache. Eine In filtration oder Indoktrination werden wir nicht tolerieren.
Jedem Hinweis muss nachgegangen werden. Es gab bisher fünf Hinweise, und das Kultusministerium ist diesen nachge gangen. Es ist auch gut, dass das Kultusministerium zusam men mit den türkischen Konsulaten entsprechende Einfüh rungsveranstaltungen durchführt. Danke dafür. Denn Dialog ist der richtige Weg – gerade in einem belasteten Verhältnis, meine Damen und Herren.