Protokoll der Sitzung vom 11.10.2018

Jedem Hinweis muss nachgegangen werden. Es gab bisher fünf Hinweise, und das Kultusministerium ist diesen nachge gangen. Es ist auch gut, dass das Kultusministerium zusam men mit den türkischen Konsulaten entsprechende Einfüh rungsveranstaltungen durchführt. Danke dafür. Denn Dialog ist der richtige Weg – gerade in einem belasteten Verhältnis, meine Damen und Herren.

Ich habe Vertrauen in das Ministerium, in die Schulverwal tung und auch in die Konsulate, dass sie verstehen, dass ein

solcher Ergänzungsunterricht immer im Geiste von Partner schaft und Respekt zu erfolgen hat. Das ist das Signal, das wir mit dieser heutigen Debatte an unsere ausländischen Partner senden wollen. Nutzen wir also den Dialog.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und den Grünen)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei das Wort.

Frau Präsidentin, Kollegin nen und Kollegen! Herr Gögel, es war ja schon absehbar – – Ich habe dann gestern bei mir gedacht: Mal schauen, ob er wirklich mit diesen Punkten kommt. Ich fand es an dieser Stel le – ich muss es so offen sagen; nicht persönlich nehmen – auch wirklich putzig. Denn wovon reden wir? Sie werfen je mandem sozusagen vor – wahrscheinlich auch gar nicht mal zu Unrecht – – Sie kritisieren jemanden, der andere Parteien permanent beschimpft. Ich habe mich dann gefragt: Was ist eigentlich das AKP-Wort für Altpartei?

(Heiterkeit des Abg. Andreas Stoch SPD)

Sie werfen das jemandem vor, der etablierte und bewährte Me dien in den Dreck zieht oder ausschaltet. Wovon reden Sie im mer? Von der „Lügenpresse“. Und schließlich werfen Sie das jemandem vor, von dem auch wir Signale haben – auch aus Mannheim, kritische Stimmen –, dass er angeblich Staatsbür ger anruft und sie bittet, im Konsulatsunterricht genau zuzu hören, was Lehrerinnen und Lehrer über ihn erzählen.

(Heiterkeit des Abg. Andreas Stoch SPD)

Ist das nicht ein bisschen arg lächerlich, was Sie da heute ver breiten?

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü nen, der CDU und der FDP/DVP – Abg. Andreas Stoch SPD: Das nennt man „den Spiegel vorhalten“!)

Spiegel vorhalten oder Brüder im Geiste: Kollege Lede Abal hat den Nagel da auf den Kopf getroffen. Sie reden von christ licher Menschenliebe. Wir waren mit 9 000 Menschen in Mannheim auf der Straße, um auch gegen Ihre Politik zu de monstrieren. Dazu aufgerufen – –

(Zurufe von der AfD, u. a. Abg. Bernd Gögel: Wie viele Scheiben haben Sie eingeworfen? Wie viele Po lizisten haben Sie verletzt? Wenn Sie auf der Straße sind, kostet es Geld! Das ist Gewalt und Chaos! – Lebhafte Unruhe)

Sehr geehrte Herren Abgeord nete der AfD-Fraktion, ich bitte um Ruhe. Herr Abg. Dr. FulstBlei hat das Wort. – Danke.

Ich bitte, das bei der Rede zeit zu berücksichtigen.

Ich musste mir gerade „einen abgrinsen“: Wir reden hier von einem breiten Bündnis wie den Rhein-Neckar Löwen, dem SV Waldhof Mannheim, der katholischen Kirche, der evan gelischen Kirche, der Freireligiösen Gemeinde und vielen

Weiteren mehr, u. a. auch Parteien. Es war ein breites Bünd nis, das Sie hier an dieser Stelle beschimpfen.

Übrigens – das ist in der Tat auch der Unterschied –: Ihre Par tei, die AfD, ruft zum Austritt aus den Kirchen auf; wir de monstrieren mit den Kirchen. Wir organisieren Solidarität; Sie organisieren Hass. Wenn Sie von christlicher Nächstenliebe reden, Herr Gögel, dann ist es genau das nicht.

(Abg. Bernd Gögel AfD: Verfassung! – Abg. Carola Wolle AfD: Das Recht zu definieren haben Sie?)

Wenn Sie sich auf die Landesverfassung beziehen, dann be ziehen Sie sich bitte komplett auf die Landesverfassung. In der Landesverfassung steht nämlich in der Tat ein Erziehungs auftrag, dem ich auch als Pädagoge immer gerecht zu werden versucht habe. Da ist in einem Satz die Rede von christlicher Nächstenliebe, aber auch von Menschlichkeit und Friedens liebe. Und das sind Werte, die Sie jeden Tag mit Füßen treten.

(Beifall bei der SPD, den Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Herr Abg. Dr. Fulst-Blei, las sen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Stein zu?

(Lachen bei der AfD – Zuruf von der AfD: Zwischen frage? Das ist dann keine Zwischenfrage!)

Um was geht es wirklich? Wenn wir uns heute diese Frage stellen und das Ganze einmal nicht als irgendeinen inhaltslee ren Populismus betrachten, sondern mit der pädagogischen Brille, dann geht es schlichtweg um sprachliche Bildung in einem Einwanderungsland wie Baden-Württemberg.

Die SPD hat mit der GEW und dem Heidelberger Zentrum für Migrationsforschung und Transkulturelle Pädagogik klar Stel lung bezogen: Es braucht herkunftssprachlichen Unterricht als ein staatliches Regelangebot an unseren Schulen. Zielset zung dieser Maßnahme ist nach unseren Vorschlägen eine ge zielte Sprachförderung in der Herkunftssprache, auch mit dem Ziel einer Verbesserung der Deutschkenntnisse – dazu gibt es klare Studien –, die Förderung von Integration und in der Tat die Überführung des Konsulatsunterrichts in die Verantwor tung des Landes Baden-Württemberg.

Baden-Württemberg ist ein Flächenland und hat bundesweit den größten Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund: 44,3 % in den vierten Klassen. Damit das klar ist: Wir sehen diese Kinder eben nicht als Belastung, sondern als einen Teil des großen Reichtums dieses Landes.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Aber Tatsache ist auch: Die Strukturen in unserem Bildungs system spiegeln diese Realität nicht wider. Sie fördern auch die Potenziale nicht ausreichend. Herkunftssprachlicher Un terricht ist ein Baustein verbesserter Sprachförderung. Entge gen populären Annahmen hilft es den Kindern, deren Mutter sprache eben nicht Deutsch ist, nicht allein, wenn sie nur le diglich mehr deutsch sprechen. Zu einer Verbesserung der Sprachkompetenz in Deutsch als ihrer Zweitsprache ist zu sätzlich eine Förderung der Herkunftssprache wichtig und

auch effektiv. Es gilt, das Potenzial einer koordinierten Zwei sprachigkeit für die nachhaltige Verbesserung von Schulleis tungen zu nutzen. Das ist aus unserer Sicht Teil des staatli chen Bildungs- und Integrationsauftrags.

In der Tat ist der Konsulatsunterricht aus dem Jahr 1977 mitt lerweile von der gesellschaftlichen Realität eigentlich schon längst überholt. Darum haben wir, die SPD-Fraktion, im Juli eine Pressekonferenz abgehalten und dieses Konzept vorge stellt. Das aktuell bestehende Konsulatsmodell soll demnach schrittweise von einem staatlich verantworteten Modell an un seren Schulen abgelöst werden. Nach unserer Vorstellung soll ten wir einen fünfjährigen Modellversuch durchführen, im Zu ge dessen als Wahlfach der Unterricht in der Muttersprache eingerichtet werden kann. Interessierte Schulen sollen danach ab dem Jahr 2019/2020 herkunftssprachlichen Unterricht an bieten können. Wir streben 90 Schulstandorte an und schla gen vor, dass in den ersten drei Jahren jeweils 30 an den Start gehen.

Daran teilnehmen können sollten unserer Meinung nach so wohl Grundschulen als auch weiterführende Schulen, sofern es dort einen Bedarf gibt. Dabei ist sowohl der Einsatz von in Deutschland ausgebildeten Lehrkräften möglich als auch der Einsatz von Personen, die im Ausland ein Lehramtsstudium oder eine pädagogische Ausbildung absolviert haben und auch über die erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen. Lehrplä ne, Unterrichtsmaterialien, Qualifizierungsangebote für Lehr kräfte könnten in Kooperation mit der PH Heidelberg entwi ckelt werden.

Meine Damen und Herren, so sieht ein zukunftsfähiges Kon zept für Baden-Württemberg aus.

(Beifall bei der SPD)

Aber leider lehnt das Kultusministerium diesen Vorschlag mit Verweis auf die Kosten ab, übrigens trotz wertschätzender Worte des Staatssekretärs gestern in der Debatte. Die Berech nungen des Hauses belaufen sich auf rund 60 Millionen €. In Rheinland-Pfalz hingegen gibt es herkunftssprachlichen Un terricht als ein schulisches Wahlfach in 15 Sprachen für 14 200 Schülerinnen und Schüler; dieser kostet das Land nur 5 Mil lionen € pro Jahr. Ich konnte mich zusammen mit unserem Fraktionsvorsitzenden Andreas Stoch in Mainz bei Kultusmi nisterin Stefanie Hubig von der Effektivität und dem Erfolg dieses Systems überzeugen, welches – Frau Felder, das kön nen Sie nicht wegreden – seit den 1960er-Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Es gibt also Alternativen zu dem System, das Sie hier haben.

Mit dem nötigen politischen Wissen können sich durchaus fi nanzierbare und gleichzeitig qualitätsvolle Lösungen finden lassen. Beim Schulversuch geht es übrigens auch erst einmal um 2 Millionen €. Auch einer skeptischen CDU könnte es das wert sein, wenn ihr Integration ein ehrliches Anliegen wäre. Aber ich behaupte immer noch: Die CDU hat kein ehrliches Interesse, Menschen mit Zuwanderungshintergrund zu för dern.

Die Ressourcen sind jedenfalls vorhanden. Das sieht man, wenn man auf die prall gefüllten Landeskassen schaut.

Kollege Lede Abal, nach Ihrer Rede von heute freue ich mich in der Tat, wenn unser Vorschlag im Bildungsausschuss und

hier aufgerufen wird, auf die Unterstützung der Grünen. Wir haben uns über die Aussage vom 9. August 2018 von Kolle gin Boser gefreut – aber es wird dann eben auch Zeit, dass grünen Ankündigungen in der Presse auch mal grünes Rück grat im Parlament folgt. Ich freue mich auf Ihre Zustimmung dort.

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD möchte ich den Menschen mit Zuwanderungs hintergrund und ihren Kindern in diesem Land ein klares Si gnal senden: Ihr seid eine Bereicherung für unser Land; wir wollen den Schatz eurer Mehrsprachigkeit vergrößern und so wohl als Kulturnation als auch als Volkswirtschaft davon pro fitieren. Der Modellversuch „Herkunftssprachlicher Unter richt“ muss kommen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Herrn Abg. Dr. Kern das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Erst gestern habe ich hier im Plenum die These aufgestellt, dass „AfD“ eigentlich für „Angstma cher für Deutschland“ steht.

(Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD – Unruhe bei der AfD)

Die Vertreter haben sich gestern ganz entrüstet gezeigt. Aber die heutige Rede des Fraktionsvorsitzenden der AfD in der Aktuellen Debatte hat es ja eindrücklich belegt: Die AfD ist Angstmacher für Deutschland.

(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen und der SPD sowie Abgeordneten der CDU)

Dabei gibt es tatsächlich ein Problem mit dem Konsulatsun terricht in türkischer Sprache,

(Zurufe von der AfD: Ah!)