das aber einer ernsthafteren Betrachtung bedarf, als dies die AfD heute Morgen getan hat. Allein Ihre Äußerungen über Bildungspläne und über die Rolle und Bedeutung von Bis marck zeigen: Sie haben überhaupt keine Ahnung, was in ba den-württembergischen Schulen tatsächlich passiert.
(Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen und der SPD sowie der Abg. Sylvia Felder CDU – Unruhe bei der AfD)
Die Tatsache, dass es allein 14 unterschiedliche Konsulatsun terrichte in Baden-Württemberg gibt, Sie jedoch nur von ei nem einzigen gesprochen haben, zeigt: Sie haben entweder keine Ahnung, oder Sie wollen die Menschen ganz bewusst hinter die Fichte führen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dass im muttersprachlichen Unterricht nicht nur Sprache, son dern auch Werte und Kultur der Herkunftsländer vermittelt werden, liegt ja in der Natur der Sache.
Die positiven Aspekte hat Kollegin Felder eindrucksvoll dar gelegt. Ich möchte aber auch auf das eine oder andere Prob lem eingehen. Es darf nicht sein, dass die türkische Religions behörde den Sprachunterricht zu Propagandazwecken für ein autoritäres Regime nutzt. Es muss uns Demokraten zu den ken geben, wenn die Mehrheit der hier lebenden Türken für das Verfassungsreferendum von Präsident Erdogan gestimmt haben.
Während aber nun die AfD mit dem Problem nur fleißig Angst macherei betreiben will, haben wir Freien Demokraten schon längst konkrete Lösungen vorgeschlagen.
Wir fordern seit geraumer Zeit, den muttersprachlichen Un terricht der staatlichen Schulaufsicht zu unterstellen. In einem ersten Schritt sollte der außerhalb der Schule organisierte Un terricht an unsere Schulen angebunden werden. Neben Deutsch als weiterer Unterrichtssprache müssen entsprechende Quali fizierungsmöglichkeiten für die Lehrkräfte geschaffen und ge meinsam mit den Beteiligten Bildungspläne erarbeitet wer den, die unseren verfassungs- und schulrechtlichen Normen entsprechen und deren Einhaltung von der Schulaufsicht über prüft wird.
Dass es aber in Baden-Württemberg mit den Lösungsvorschlä gen – anders als in anderen Bundesländern wie beispielswei se in Hessen – nicht vorangeht, hängt mit der leider bekann ten grün-schwarzen Komplementärblockade zusammen. In entscheidenden gesellschaftlichen Fragen wie der Integration blockieren sich die beiden Koalitionspartner leider gegensei tig und verfahren nach dem Motto: Lieber Stillstand in Kauf nehmen, als dem Koalitionspartner recht geben zu müssen.
Anders ist es kaum zu erklären, warum sich die Kultusminis terin und ihre CDU-Fraktion unserem Vorschlag bislang hart näckig verweigern. Denn sonst hieße das ja, der Position des Koalitionspartners zu folgen. Durch ihren Starrsinn verspielt die CDU aber die Chance auf einen wichtigen überparteili chen Konsens der demokratischen Fraktionen in diesem Land tag. Ein überparteilicher Konsens der Demokraten wäre in die ser integrations- wie bildungspolitisch bedeutsamen Frage nun wahrlich notwendig.
Aber auch in anderen grundlegenden integrationspolitischen Fragen blockieren sich Schwarze und Grüne. Über den rich tigen Umgang mit dem türkischen Moscheeverband DITIB tobt ein heftiger Streit in der Koalition. Die CDU will die Zu sammenarbeit mit DITIB beenden, der grüne Ministerpräsi dent will an ihr festhalten. Dabei wäre es gerade an dieser Stelle von entscheidender Bedeutung, als Landesregierung mit einer Stimme zu sprechen.
Es wäre von entscheidender Bedeutung, dass die Landesre gierung klar Kante gegenüber DITIB zeigt und sich nicht weg duckt, wie dies die Grünen tun.
Ein solcher Schnitt wäre ein echtes Bekenntnis zu unserer frei heitlichen Demokratie in Deutschland.
Und wie steht es um die Wertevermittlung? Bei aller Freude darüber, dass der Ethikunterricht in Zukunft ab Klasse 5 an geboten werden soll: Die bisherigen Regierungen unter Mi nisterpräsident Kretschmann haben dieses wichtige bildungs politische Vorhaben schon über sieben Jahre versiebt.
Bereits seit dem Jahr 2011 hat der ehemalige Ethiklehrer Win fried Kretschmann das Amt des Ministerpräsidenten inne. Hät ten sich er, seine grüne Fraktion und die jeweiligen Koaliti onspartner zügig an den Ausbau des Ethikunterrichts gemacht, könnte nun schon an den Grundschulen Ethikunterricht statt finden. Aber eine solche Schnelligkeit haben die Grünen in den letzten sieben Jahren nicht bei notwendigen Maßnahmen wie dem Ausbau des Ethikunterrichts an den Tag gelegt, son dern nur bei ihren bildungspolitischen Lieblingskindern. Durch diese grüne Schwerpunktsetzung blieben eben weniger finan zielle Mittel für andere Vorhaben im Bildungsbereich übrig.
Über den Ethikunterricht hinaus müsste das Ziel auch der is lamische Religionsunterricht ab Klasse 1 neben dem bereits bestehenden Religionsunterricht sein. Mit dem Ethikunter richt sollte von Beginn an ein alternatives Angebot des Wer tediskurses für Schüler bereitstehen, die nicht an einem kon fessionellen Religionsunterricht teilnehmen wollen. Zudem brauchen wir möglichst rasch eine Unterweisung junger Mus lime auf Basis eines mit unserem Grundgesetz in Einklang stehenden Islamunterrichts, und zwar durch Lehrkräfte, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen und Lehrerseminaren in Deutschland und in deutscher Sprache ausgebildet wurden. Das ist nach unserer Auffassung, nach Auffassung der FDP, das beste Mittel, um islamistischen Hass predigern den Boden zu entziehen.
Aus diesem einstigen Pionierprojekt unseres Landes ist inzwi schen aber leider ein Sorgenkind geworden. Der Ministerprä sident hat den islamischen Religionsunterricht zwar zur Chef sache erklärt, aber seine Stiftungslösung für den Beirat hat noch keine klaren Konturen angenommen. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wann kommen hier denn endlich konkrete Schritte? Wir sollten hier nicht länger warten.
Dass der islamische Religionsunterricht endlich aus dem Sta tus eines Schulversuchs herauskommt, ist auch mit Blick auf die Berufsperspektive für die Nachwuchsgewinnung entschei dend.
Schließlich scheitert die grün-schwarze Landesregierung auch bei der politischen Bildung. Zwar wird in allerlei Sonntags reden das Hohelied auf deren Bedeutung für unseren demo kratischen Zusammenhalt gesungen, doch das Regierungshan deln steht dazu in krassem Gegensatz. Im Rahmen der geplan ten Oberstufenreform am Gymnasium diskriminiert die Kul tusministerin bei den Wahlmöglichkeiten ausgerechnet die ge sellschaftswissenschaftlichen Fächer gegenüber den Natur wissenschaften oder den Fremdsprachen. Wir Freien Demo kraten halten es für unabdingbar, dass zukünftig nicht nur zwei Sprachen oder zwei naturwissenschaftliche Fächer, sondern auch zwei Fächer aus dem Bereich Geschichte, Gemeinschafts kunde, Wirtschaft und Geografie als fünfstündige Leistungs fächer gewählt werden können. Leistungsfächer in der Ober stufe sind Zugpferde für alle Jahrgangsstufen. Wer die gesell
schaftswissenschaftlichen Fächer diskriminiert, erweist der politischen Bildung in unserem Land einen Bärendienst.
Dabei sind nicht nur fundierte Kenntnisse über Geschichte und die Funktionsweise unserer Demokratie, sondern auch ge lebte Werte die Basis für die demokratische Standfestigkeit unserer Gesellschaft gegen alle Anfeindungen von rechts wie von links.
Was wir also brauchen, sind keine wohlfeilen Sonntagsreden, sondern endlich konkrete Maßnahmen der grün-schwarzen Regierung. Wir fordern erstens Ethikunterricht ab der ersten Klasse, zweitens flächendeckenden islamischen Religionsun terricht und drittens gleichberechtigte Gesellschaftswissen schaften in der gymnasialen Oberstufe.
Frau Präsidentin, sehr ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Dies ist in der Tat nicht die erste Debatte, die wir in dieser Legislaturperiode im Landtag von Baden-Württemberg zum muttersprachlichen Unterricht führen. Es ist auch nicht nur wegen der Landtagsdebatten All gemeingut und hinlänglich bekannt, dass der herkunftssprach liche Unterricht heute weniger als Beitrag zu einer Rückkehr hilfe für Kinder zu sehen ist, wie es ursprünglich in der Richt linie des Europäischen Rates aus dem Jahr 1977 über die schu lische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern ange legt worden war.
Das heißt aber nicht, dass es heute keinen Grund mehr für ei ne muttersprachliche Unterrichtung gibt. Denn heute sind wir in großer Mehrheit der Überzeugung, dass gerade auch die Förderung der Mehrsprachigkeit und der interkulturellen Bil dung zur Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung beiträgt und somit ein wichtiger Bestandteil der Bildung der jungen Menschen ist.
Damit bin ich dann schon bei Ihren Ausführungen, Herr Frak tionsvorsitzender, zum Thema „Muttersprache und Fremd sprache“. Der Duden sagt: Muttersprache ist die Sprache, die ein Mensch als Kind von den Eltern erlernt hat.
(Abg. Bernd Gögel AfD: Das ist das Schlimme! In der dritten oder vierten Generation! Genau das ist das Schlimme!)
Unabhängig davon, wie wir dazu stehen, ist das die Definiti on von Muttersprache. Wenn Sie das umdefinieren wollen, können Sie das gern tun. Ich halte es lieber mit dem Duden und sage: Es gibt Kinder in Baden-Württemberg, deren Mut tersprache eine andere ist als Deutsch – unabhängig davon, wie wir dazu stehen,
was wir den Eltern dazu sagen und was wir uns gern wün schen würden. Ob Sie den Begriff aber umdefinieren oder
nicht, am Problem ändert sich dadurch nichts. Deshalb bin ich froh, dass sich vier Fraktionen in diesem Haus einig sind, dass eine ersatzlose Streichung von muttersprachlichem Unterricht dieser Situation gerade nicht Rechnung trägt.
Ganz abgesehen davon, dass sich die Entstehungsgeschichte heute nicht mehr als Grundlage dafür heranziehen lässt, gibt es natürlich auch weiterhin die rechtlichen Bestimmungen. Unabhängig von der rechtlichen Situation ist es aber auch wichtig, dass wir den Kindern mit ihrer Muttersprache, mit ihrer Herkunftssprache eine gute Möglichkeit, einen guten Rahmen dafür geben, in der deutschen Sprache gut gefördert zu werden. Dazu gehört eben auch, ihre Situation auf- und wahrzunehmen.
Wir haben in Baden-Württemberg den muttersprachlichen Un terricht in Form des Konsulatsmodells. Die Zahl von 14 Kon sulaten, die eine Unterstützung in diesem Konsulatsmodell er fahren, ist erwähnt worden. Damit auch die Länder, deren Konsulate wir unterstützen, genannt sind und wir nicht immer nur über die Türkei sprechen – auch wenn sie den größten Teil ausmacht –, will ich die Herkunftsländer einmal benennen: Bosnien-Herzegowina, Griechenland, Italien, Kosovo, Kroa tien, Mazedonien, Polen, Portugal, Serbien, Slowenien, Spa nien, Tunesien, Ungarn und eben die Türkei.
Der muttersprachliche Unterricht wird in diesem Konsulats modell in der Verantwortung der Konsulate durchgeführt. Das heißt aber nicht, dass wir nicht darauf schauen würden und dass wir uns nicht darum kümmern würden. Das Kultusmi nisterium hat 2017 die sogenannten Hinweise zur Intensivie rung des Austauschs von Konsulaten und Schulaufsicht wei terentwickelt. Wir haben Ansprechpartner für muttersprachli chen Zusatzunterricht an jedem Staatlichen Schulamt und je dem Regierungspräsidium installiert.
Bei konkreten Anhaltspunkten gehen wir, das Kultusministe rium, der Frage der Begrenzung des Zusatzunterrichts auf Sprache, Kultur und Landeskunde entsprechend den einschlä gigen Regelungen nach und weisen darauf hin, dass diese ein zuhalten sind. Außerdem informieren die Schulaufsichtsbe hörden über anlassbezogen auftretende Fragestellungen.
Wir haben in der Kultusministerkonferenz das Präsidentschafts jahr von Frau Ministerin Dr. Susanne Eisenmann 2017 zum Anlass genommen, im Plenum der Kultusministerkonferenz einen Abgleich des muttersprachlichen Unterrichts in den Län dern auf die Tagesordnung zu setzen, weil die Frage des Um gangs mit der Situation der Kinder natürlich alle Bundeslän der betrifft. Auch die anderen Länder, in denen das Konsulats modell angeboten wird –
übrigens ganz bunt gemischte Regierungskonstellationen mit ganz bunten Farben; da kann man nicht sagen, das sei nur von einer Farbe geprägt oder jemand habe daran keinen Anteil; das ist bei allen Konstellationen von Regierungsbeteiligung der Fall –, sehen keinen Bedarf für eine Anpassung ihres Mo dells.
Trotzdem wird auch in Baden-Württemberg – das haben wir in der Debatte gehört – über einen Modellwechsel diskutiert,
nur vonseiten der AfD kommt dabei die Forderung nach einer ersatzlosen Streichung. Wir gehen, wenn Einzelfälle benannt werden, den Vorbehalten und Vorwürfen nach. Wir setzen in der Sprachförderung aber eine Priorität, was die Fokussierung der finanziellen Mittel auf eine zielgerichtete und strukturier te Qualitätsverbesserung im Bereich der Basiskompetenz in Deutsch angeht. Herr Kollege Dr. Fulst-Blei, es ist kein Wi derspruch, eine Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen – wie ich es gestern getan habe und auch heute tue; wie es an dere tun, die das Konsulatsmodell trotzdem aufrechterhalten wollen – und trotzdem zu sagen: In der Priorität des Einsat zes von Finanzmitteln gehen wir einen anderen Weg.