Protokoll der Sitzung vom 11.10.2018

Ist also Freude angebracht, wenn ein Tier in eine Welt zurück kehrt, die auf keinem einzigen Quadratzentimeter mehr so aussieht wie vor 150 Jahren?

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Ja!)

Ich sage: Nein, bei mir gibt es da keine Freude. Ich sage das nicht nur als naturschutzpolitischer Sprecher der CDU, der Angst um die Weidewirtschaft hat, um die extensive Bewirt schaftung und unsere naturschutzfachlichen Ziele, für die wir viel Geld – z. B. an die Landschaftserhaltungsverbände – be zahlen. Ich sage das auch ganz persönlich als jemand, der nun mal in dieser Gegend wohnt, um die es geht. Die Konfliktli nien in diesem Haus haben sehr viel damit zu tun, woher man kommt, und weniger damit, in welcher Partei man ist.

Es sind wir Abgeordneten in den Regionen, die tagtäglich mit diesen Problemen zu kämpfen haben. Das ist z. B. Thomas Blenke, in dessen Wahlkreis der Wildriss war. Er ist der Ab geordnete, der dann gefragt wird: „Was macht ihr dagegen?“ Da kann ich eben nicht aus einer völlig anderen Lebenssitua tion heraus sagen, wir sollten uns nicht so anstellen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Vereinzelt Beifall bei den Grünen – Zuruf: So ist es!)

Ich wohne in einer Alleinlage in der Nähe eines Naturschutz gebiets in einer Kulturlandschaft, in die wunderbar ein Wolfs rudel passt und in deren unmittelbarer Nähe – in Bayern; Wöl fe kennen keine Landesgrenze – auch Risse stattgefunden ha ben. Ich sage das aus Angst um die Schäferei in meinem Nach bardorf, wo händeringend nach Schäfern gesucht wird, damit sie das tun können, was sie gern machen, nämlich Produkte aus Schafwolle herzustellen. Ich sage das aus Angst um mei nen Nachbarn, der in einer Weidehaltung, in einer Herdehal tung Schwarzwälder Pferde züchtet. Ich sage das aus Angst um einen anderen Nachbarn, der Demeterbauer ist und seine Hornrinder fast das ganze Jahr über auf der Weide hält.

(Abg. Winfried Mack CDU: So ist es!)

Ich sage das aus Angst um alles, was wir in den letzten Jah ren in der Bewirtschaftung erreicht haben. Daran müssen wir eben auch denken.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Andreas Kenner SPD)

Deswegen sage ich als Mitglied des Parlaments: Lassen Sie uns prüfen, ob wir auch innerhalb der gegebenen Grenzen dem Wolf selbst Grenzen aufzeigen können, ob wir Wolfs- und Nichtwolfsgebiete ausweisen können – so wie das z. B. auch beim Rothirsch der Fall ist –, ob wir es tatsächlich mit einem bedrohten Tier zu tun haben, wenn die Population in Europa und auch in Deutschland so stabil ist, wie sie eben nun mal ist, und ob wir hier nicht jahrelange Mühe für eine naturnahe Bewirtschaftung mit einer falschen Willkommenskultur zu nichtemachen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Gernot Gruber SPD)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich möchte, dass wir uns diese Fragen offen stellen, unabhängig von Parteigrenzen und Her kunft. Deswegen lasse ich Sie auch gern mit diesen Fragen zurück.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt Beifall bei der SPD – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Und was machen wir jetzt?)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Stein.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion und der

FDP/DVP-Fraktion, also der kleineren Oppositionsfraktionen – Zitat –,

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: „Der kleineren“!)

... verfolgt das Ziel, die Entschädigung von Nutztierhal tern bei Tierrissen durch die Wildtiere Wolf und Luchs ge setzlich zu verankern, damit sich betroffene Nutztierhal ter bei Einhaltung der notwendigen Vorkehrungen gegen Wolfsrisse auch langfristig auf Entschädigungen verlas sen können.

Zu den hier erwähnten Begriffen wie „notwendige Vorkeh rungen“ und „langfristige Entschädigung“ komme ich noch. Des Weiteren steht in der Drucksache u. a. noch, den Betrof fenen k a n n ein Schadensausgleich gezahlt werden. Was heißt denn jetzt dieses eher schwammige Wort „kann“? Sie stellen sich hier hin, fordern 100 % und schreiben: „Es kann gezahlt werden.“

Ferner wird in dieser Ergänzung aufgeführt, die Entschädi gung setze voraus, dass der Betroffene die „zumutbaren Vor kehrungen“ gegen den Schadenseintritt vornimmt. Was sind denn die zumutbaren Vorkehrungen? Das ist doch alles sehr schwammig.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Zäune! – Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Kriterien des Bundesamts für Naturschutz! Da ist alles festgelegt!)

Aber eins nach dem anderen.

Wir haben heute wieder einmal ein Thema auf der Tagesord nung, das sich nicht mehr mit dem Pro und Kontra des Vor handenseins des Wolfes beschäftigt, sondern inzwischen tat sächlich schon mit den schädlichen Folgen für den Menschen und die Natur.

Was uns die grün-romantische, ideologische Politik beim The ma Wolf eingebracht hat, möchte ich kurz an einigen Nega tivbeispielen aufzählen: zwei gerissene Schafe am 7. Septem ber, Angriff auf ein Pferd am 29. August, zwei vom Wolf ge rissene Schafe am 6. August und die eben schon genannten 44 gerissenen Schafe in Bad Wildbad, ein Vorfall, der medial sehr viel Aufmerksamkeit erfahren hat. Erst vorgestern sind 40 Schafe in der östlichen Oberlausitz gerissen worden. 50 Scha fe werden heute noch vermisst. Ganz aktuell bekannt ist ein Fall aus Polen, wo eine Touristin und zwei Kinder durch ei nen Wolfsangriff verletzt worden sind.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Der vorher ange füttert wurde!)

Auch bei uns ist es eine Frage der Zeit, bis sich Ähnliches er eignen kann.

In Ihrem Gesetzentwurf sprechen Sie von „zumutbaren Vor kehrungen“.

(Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Was sind denn wirklich sichere Maßnahmen, um ein Raubtier abzuhalten? Zäune. Gehen Sie doch bitte einmal in einen Wildpark oder einen Zoo und schauen Sie sich die sicheren Vorkehrungen an: 3 m hohe Zäune, ein Graben und ein Elek trodraht – das sind sichere Vorkehrungen.

(Beifall bei der AfD – Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Es geht um die Menschen!)

Und nun wollen Sie den Schäfern erzählen, dass sie so etwas als sichere Vorkehrungen ergreifen sollen? Das ist doch, rea listisch gesehen, überhaupt nicht umsetzbar. Der Kollege von der CDU hat es richtig gesagt: Es geht auch um die Kosten, um die Zäune aufzustellen, und ein Elektrozaun kann auch untergraben werden. Ein Wolf ist ein kluges Tier, das dies ler nen kann.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Deswegen muss die unterste Litze bei 20 cm sein!)

Genau, die unterste Litze bei 20 cm, und auch da kann ein Wolf lernen, diese zu untergraben, wie die Erfahrung gezeigt hat.

Aber gehen wir einmal weiter und gehen davon aus, dass der Wolf – das ist ein intelligentes Raubtier – eine Schafherde nicht innerhalb des Zaunes angreift, sondern sie in Aufruhr versetzt. Die Schafe reißen durch den Zaun hindurch und lau fen auf eine Straße. Dort werden sie von einem Auto erfasst. Der Fahrer kommt von der Straße ab, verunglückt und sitzt danach im Rollstuhl. Wer zahlt dann die Kosten? Bis jetzt ist es der Schafhalter.

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Falsch!)

Das darf doch nicht sein! Wir müssen hierfür eine ganz klare Regelung finden, und das schnellstmöglich.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Des Weiteren haben wir das Problem: Wer entschädigt die Menschen, wenn ein Mensch angegriffen wurde? Was sind denn zumutbare Vorkehrungen bei Angriffen auf Menschen, z. B. in Feuerbach, wo ein Hund von einem Wolf angegriffen wurde?

(Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Was?)

Ja, informieren Sie sich einmal. – Deshalb haben wir eine ganz klare Forderung: Wir wollen in erster Linie einen Wolfs zielbestand in Baden-Württemberg, damit wir wissen, wie vie le Wölfe wir überhaupt haben.

(Zuruf des Abg. Georg Nelius SPD)

Außerdem wollen wir die Aufnahme des Wolfes in das Jagd recht, auch unter dem Status des Schutzes. Wir fordern einen vollständigen Schadensausgleich bei Wolfsrissen. Wir fordern weiter, dass die Formulierung „alle zumutbaren Vorkehrun gen“ in Ihrem Gesetzestext besser erläutert wird und den Be troffenen ein Schaden eben nicht ersetzt werden kann, son dern ersetzt werden muss.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Für die Landesregierung er teile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

Frau Präsidentin, verehrte liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rückkehr des Wolfes und auch des Luch

ses nach Baden-Württemberg ist zweifelsohne eine Heraus forderung, insbesondere für die von verschiedenen Vorredne rinnen und Vorrednern angesprochenen Nutz- und Weidetier halter. So gesehen, dürfen Sie davon ausgehen: Auch ich ver stehe diese Sorgen. Aber ich möchte umgekehrt sagen: Ver stehen Sie auch einmal meine Sorgen.

Ich nehme einmal Ihren Gesetzentwurf, Herr Kollege Glück. Es ist schon ein Kunststück, hier einen Gesetzentwurf einzu bringen, aber kein Wort dazu zu sagen, sondern mehr oder we niger eine Wahlkampfrede zu allem und jedem zu halten, was den Wolf betrifft.

(Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP)