Protokoll der Sitzung vom 11.10.2018

Ich stelle also fest: Die Entscheidungen der Verwaltungsge richte werden reichlich willkürlich behandelt. Das sind dann dieselben Leute, die uns vorwerfen, dass wir das Verwaltungs gericht Stuttgart kritisieren. Da habe ich auch gedacht: Gut, man kann es auch gleich ignorieren. Das ist das Einfachste, wenn man Entscheidungen ignoriert.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Sie – glaube ich – haben damals übrigens eine Art Koalitions ausschuss gefordert. Das muss man sich einmal unter rechts staatlichen Aspekten vorstellen: als letzte Instanz ein Koaliti onsausschuss. Ich kann Ihnen die Presseberichte zeigen.

(Abg. Nico Weinmann FDP/DVP: Hört, hört!)

Da muss man wirklich ein gestörtes Verhältnis zum Rechts staat haben, um einen solchen Vorschlag zu machen.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD und der Grünen)

Dass unter diesen Aspekten dieser Fall nicht glücklich für uns gelaufen ist, das wollte ich hier noch einmal offen ansprechen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Danke schön. – Ich darf jetzt für die Regierung Herrn Innenminister Thomas Strobl an das Redepult bitten.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Das Innenministerium hat die zugrun de liegende Große Anfrage bereits im März 2017, also vor ein einhalb Jahren, beantwortet. Ich kann auch im Wesentlichen auf die dortigen Ausführungen verweisen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist mir allerdings, festzu halten, dass gerade dieser Fall sehr anschaulich belegt, dass es keine Abschiebungen nach Schema F gibt, sondern jede Abschiebung eine eigene Angelegenheit ist.

Es gilt, dass auch dann, wenn eine vollziehbare Ausreisepflicht bereits rechtskräftig festgestellt ist – von emotionaler Betrof fenheit einmal ganz zu schweigen –, sich eine Sachlage nach träglich ändern kann und sich eine neue rechtliche Bewertung aufgrund dieser neuen Sachlage ergibt.

(Beifall des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Unsere Behörden stellt das immer wieder vor große Heraus forderungen.

Ich will versuchen, es in einigen Punkten konkret zu erläu tern. Häufig fehlt es zunächst an einem eindeutigen Nachweis der Identität. So ist auch die betreffende Person im Septem ber 2010 ohne Papiere ins Bundesgebiet eingereist. Der erste Asylantrag dieses Mannes wurde im Mai 2011 abgelehnt. Die Vorlage eines Reisepasses erfolgte erst drei Jahre später, im Jahr 2014. Dass eine Rückführung nicht bereits vorher mög lich war, hängt neben den fehlenden Identitätsnachweisen auch damit zusammen, dass eine Vereinbarung zwischen Af

ghanistan und der Bundesrepublik Deutschland über die Rück führung afghanischer Staatsangehöriger erst im Oktober 2016 geschlossen wurde. Vor diesem Zeitpunkt waren Abschiebun gen nach Afghanistan nur in wenigen Einzelfällen möglich.

Der Fall zeigt beispielhaft auch ein weiteres sehr häufiges Vor bringen: den Hinweis auf die Bedrohungslage im Herkunfts land. Bei der betreffenden Person ging es um die Frage, ob ihm als Konvertit in Afghanistan Gefahr für Leib und Leben droht.

Auch wenn diese zielstaatsbezogenen Abschiebungshinder nisse im Asylverfahren vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfen sind, schlagen sie doch auf die Arbeit der Landesbehörden durch. Denn die Fragen nach dem Vor liegen von Abschiebungshindernissen werden häufig erst in einem Stadium öffentlichkeitswirksam gestellt, wenn die Lan desbehörden Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreise pflicht in die Wege leiten.

Festzuhalten ist: Die betreffende Person war zum Zeitpunkt der Abschiebung im September 2016 vollziehbar ausreise pflichtig. Ich möchte auch betonen, dass das Verwaltungsge richt Karlsruhe die behördlichen Entscheidungen bereits im Jahr 2013 bestätigt hat. Insbesondere hat das Verwaltungsge richt seinerzeit festgestellt, dass die Hinwendung zum Chris tentum nicht aus innerer Überzeugung, sondern aus prozess taktischen Überlegungen heraus erfolgt sei.

Aus der Beweisaufnahme hat sich ergeben, dass sich die be treffende Person nicht am Gemeindeleben beteiligt. Eine nach haltige Beschäftigung mit der christlichen Religion war den Angaben der Person nicht zu entnehmen. Aus einer beim zu ständigen Dekan der Kirche eingeholten Stellungnahme er gab sich, dass er die Person nur flüchtig kannte. Auf die Fra ge des Gerichts, ob – und wie regelmäßig – Gottesdienstbe suche der Person festgestellt werden konnten, enthielt die Stel lungnahme die Aussage, dass in der Gemeinde regelmäßig – ich zitiere – „Asylberechtigte und solche, die die Asylberech tigung beantragen“ im Gottesdienst zu sehen seien.

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe führte in seinem Urteil schließlich aus, dass die betreffende Person den christlichen Glauben nicht lebt und dass der Mann deshalb in seinem Her kunftsstaat auch keinen staatlichen Repressionen ausgesetzt ist.

Die Landesbehörden sind an Entscheidungen des Bundesamts gebunden und können daher nach dem ersten rechtskräftig ab geschlossenen Verfahren auf die Feststellungen des Bundes amts – die ja schließlich gerichtlich bestätigt worden sind – vertrauen.

Gleichwohl bin ich der Ansicht, dass es richtig, ja unumgäng lich war, die Abschiebung im Dezember 2016 schließlich doch abzubrechen. Unabhängig von der inneren Überzeugung und unabhängig davon, ob die betreffende Person sich jetzt wirk lich aus der Tiefe ihres Herzens zum Christentum bekannte, war der Mann in den Medien kein Konvertit wie jeder ande re mehr. Vielmehr gab es einen regelrechten Medienhype.

Diese Person stand wie nur ganz wenige über einen langen Zeitraum im Licht der Öffentlichkeit. Dass allein aufgrund dieser Prominenz Auswirkungen auf die Gefährdungslage im

Herkunftsland zumindest nicht mehr ausgeschlossen werden konnten, ist, glaube ich, jedem hier im Saal klar.

So, wie sich dieser Fall entwickelt hatte, kann es nicht wirk lich überraschen, dass schließlich das Bundesamt für Migra tion und Flüchtlinge nach der Durchführung eines erneuten Asylverfahrens nunmehr zu einer anderen Bewertung gekom men ist und dem Betroffenen mit Bescheid vom 20. Mai 2017 subsidiären Flüchtlingsschutz gewährt hat.

Insgesamt bin ich überzeugt, dass es richtig, ja unumgänglich war, so zu handeln, wie wir gehandelt haben. Es war richtig, die betreffende Person zunächst für die Abschiebung einzu planen. Ebenso richtig war es aber auch, nicht blindlings und stoisch an der Abschiebung festzuhalten, nachdem sich die Anzeichen verdichtet hatten, dass sich die Gefährdungslage schon allein durch den gestiegenen Bekanntheitsgrad poten ziell verändert hat. Insofern müssen wir eine Änderung der Sachlage in unser Handeln schließlich immer einbeziehen.

Der Fall, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zeigt auch ei nes sehr deutlich: Abschiebungen sind ein außerordentlich schwieriges Geschäft. Ich möchte diese Debatte abschließend zum Anlass nehmen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landes Baden-Württemberg, des Innenministeriums, der Abteilung 8 des RP Karlsruhe, der Polizei Baden-Württem berg meinen Respekt und meinen Dank dafür auszusprechen, dass sie dieses Geschäft machen – mit einer hohen Motivati on und einer hohen Professionalität. Da das einmal etwas an ders angeklungen ist: Das Land Baden-Württemberg braucht sich – jedenfalls in meiner Amtszeit – in diesem Punkt vor keinem, vor gar keinem anderen Bundesland zu verstecken.

Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen eine hohe Frustrationstoleranz bei der schwierigen Arbeit, die sie leis ten. Sie leisten diese Arbeit aber für unseren Rechtsstaat. Sie setzen das geltende Recht um. Das ist eine wichtige Arbeit, die, wie ich finde, hohen Respekt verdient. Deswegen: Dan ke schön an unsere Beamtinnen und Beamten im Land Ba den-Württemberg, die bei diesem Thema professionell und hoch motiviert ihre Arbeit tun.

(Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge ordneten der SPD und der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der AfD)

In der zweiten Runde hat sich Herr Abg. Pfeiffer für die AfD-Fraktion zu Wort gemel det. – Sie haben noch knapp sechs Minuten Redezeit übrig.

Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Herr Abg. Pfeiffer, bitte.

Sehr geehrte Damen und Herren,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: „Frau Präsidentin“!)

sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kollegen! Weltweit le ben 150 Millionen Christen in Verfolgungssituationen. Mit Ausnahme von Nordkorea belegen die unrühmlichen zehn Spitzenplätze samt und sonders undemokratische muslimi sche Staaten.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Da sind wir wieder bei Ihrem Thema!)

Ihre Aufgabe wäre es gewesen, den Christen im Nahen Osten Schutz und Sicherheit zu bringen. Stattdessen haben Sie die Bedrohung zu uns importiert.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Seit 2015 haben wir weit über eine Million Flüchtlinge auf genommen, überwiegend aus dem Nahen Osten, überwiegend Muslime. Doch selbst die wenigen Christen, die es im Flücht lingsstrom zu uns geschafft haben,

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos])

sind hier bei uns noch lange nicht in Sicherheit. Beispiele ge fällig? DIE WELT berichtete bereits 2014 von massivem Christenhass in Asylbewerberheimen. Das christliche Hilfs werk Open Doors berichtete im Jahr 2017 über das erste Halb jahr 2016 von 743 religiös motivierten Übergriffen auf Chris ten in deutschen Flüchtlingsunterkünften. Wieso interessiert das hier eigentlich niemanden?

Ich zitiere einmal aus dem Grundsatzprogramm der CDU.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Das lohnt sich immer!)

Erster Absatz:

Die Christlich Demokratische Union Deutschlands ist die Volkspartei der Mitte....

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Stefan Räpple AfD: Das war einmal!)

Grundlage unserer Politik ist das christliche Verständnis vom Menschen und seiner Verantwortung vor Gott.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Richtig!)

Die CDU wurde also einst als christlich geprägte Volkspartei geschaffen

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)