Die erneute Behandlung des Falls ergab auch, dass dem Mann befristet subsidiärer Schutz gewährt wurde. Im Übrigen – das kann man hier auch einmal sagen –: Für seinen Lebensunter halt sorgt der Mann selbst.
Bei Abschiebungen muss sichergestellt werden, dass sie ge setzeskonform erfolgen und den Personen in ihrem Heimat land kein Schaden droht. Gerade aufgrund der Konversion des Betroffenen zum Christentum war der Fall sehr schwierig und musste eben nochmals überprüft werden.
In der Gesamtschau – jetzt auch rückwirkend – kann man zum Ergebnis kommen, dass der Mann nicht abgeschoben werden sollte. Angesichts der Fakten und auch des weiteren Verlaufs war das jetzt auch die richtige Entscheidung.
Dieses Jahr wurde im Übrigen eine Person nach Afghanistan zurückgeführt, die nachweislich mit dem weltweiten Dschi had sympathisiert hat und vom LKA als Gefährder eingestuft wurde. Also, man sieht: Unsere Behörden leisten gute Arbeit, und genau so muss es sein. Das heißt, in der Asylpolitik brau chen wir Humanität und Konsequenz. Nach diesen Prinzipi en haben wir gehandelt und handeln wir weiterhin.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der AfD wurde vor eineinhalb Jahren gestellt und könnte für erledigt erklärt wer den. Aber die AfD will diese Anfrage offensichtlich nicht für erledigt erklären lassen. Diffamierung unseres Asylrechts und Fremdenfeindlichkeit sind ihr genetischer Code. Da ist jeder Anlass willkommen, das Thema hochzukochen.
Allerdings haben mich jetzt die Ausführungen von Herrn Abg. Rottmann schon etwas irritiert. Irritiert haben sie nicht nur auf unserer Seite, sondern ich habe auch in sehr viele irritierte Ge sichter aufseiten der AfD-Fraktion geblickt.
Man könnte Ihre Ausführungen auch so interpretieren, Herr Rottmann, dass Ihr Anliegen ist, dass, wenn sich jemand zum Christentum bekennt, das auf jeden Fall ein Abschiebungs hindernis ist. Das entspricht nicht der Linie der AfD. Das ent spricht auch nicht dem neuerlichen Antrag, den Sie jetzt von der Tagesordnung der nächsten Innenausschusssitzung abge
setzt haben, in dem Sie noch einmal auch persönlich fragen: Wie stark ist die Abschiebekonsequenz des Innenministers bei Afghanen ausgeprägt? Da ist nicht mehr die Rede von christ licher Nächstenliebe. Aber, Herr Rottmann, passen Sie auf nach Ihren Ausführungen, dass es Ihnen nicht geht wie dem Kollegen Fiechtner, der die Gesundheitskarte für Flüchtlinge gefordert hat.
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Heiterkeit des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [frakti onslos])
Nichtsdestotrotz nehmen wir das Thema zum Anlass, uns noch einmal zu erinnern: Anfang 2017 war durchaus die Zeit, in der sich CDU und Grüne über Abschiebungen nach Afghanistan selten einig waren; es gab fast wöchentlich Streit über Einzel fälle.
In diese Zeit fallen auch zwei Gerichtsentscheide zu zwei af ghanischen Männern, die der Innenminister abschieben woll te, was Gerichte in letzter Minute stoppten. Der Verwaltungs gerichtshof Baden-Württemberg setzte die Abschiebung eines Familienvaters aus; das Bundesverfassungsgericht entschied, dass ein kranker Afghane zunächst nicht abgeschoben werden darf. Fazit: Gerichte mussten Sie, Herr Innenminister, zu rechtmäßigem Handeln beim Vollzug von Abschiebungen ab gelehnter Asylbewerber aus Afghanistan ermahnen. Ihre Ab schiebungseuphorie endete oft auf dem Boden der Rechts staatlichkeit. Das war und ist nach wie vor gut so.
Ihre Abschiebungsankündigungsstrategie endete allerdings vielfach auch aufgrund der Uneinigkeit innerhalb der Koali tion und in dieser Frage an den Interventionen der Grünen. Das ist weniger gut; denn das sorgt für Verwirrung.
Abschiebungen nach Afghanistan bleiben aus unserer Sicht und auch nach dem aktualisierten Lagebericht des Auswärti gen Amts und den Berichten des UNHCR äußerst schwierig. Der neue Lagebericht vom Mai 2018 sagt, dass Ausweich möglichkeiten für diskriminierte oder verfolgte Personen vom Grad ihrer sozialen Verwurzelung, ihrer Ethnie und ihrer fi nanziellen Lage abhängen. Die sozialen Netzwerke in Afgha nistan vor Ort und deren Auffangmöglichkeiten spielen eine zentrale Rolle für den Aufbau einer Existenz und die Sicher heit am neuen Aufenthaltsort.
Auch der UNHCR-Bericht kommt zu der Aussage, dass die Sicherheitslage in Kabul einen negativen Trend aufweist.
Ich habe gerade gesagt, was das Auswärtige Amt sagt. – Hin sichtlich der Frage, ob andere Regionen in Afghanistan als in terne Fluchtalternative überhaupt infrage kommen, beschrei ben die UNHCR-Richtlinien detailliert die Voraussetzungen, die im Einzelfall orts- und personenbezogen zu prüfen sind.
Wir lehnen deshalb im Einklang mit den SPD-geführten Län dern eine Änderung in der Abschiebepraxis nach Afghanistan ab. Wir plädieren für die Beibehaltung der jetzigen Praxis. Das heißt: Beschränkungen auf Straftäter, Gefährder und Identi tätsverweigerer. Und es ist ein Gebot der Menschlichkeit, je
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Ohne Frage bekennen wir uns zu den Bestimmungen im Grundgesetz und auf europäischer Ebene, die die Rechtsverhältnisse der Flüchtlinge regeln. Das möch te ich auch hier betonen. Ich möchte genauso betonen, dass die Einhaltung dieser Regeln für uns nicht den Untergang des Abendlands oder der deutschen Kultur bedeutet. Sie bedeutet auch nicht das Ende des Wohlstands – und auch nicht das En de der inneren Sicherheit, auch wenn sich da gewisse Heraus forderungen ergeben.
Dies vorweggeschickt, möchte ich aber doch ein bisschen Wasser in den Wein gießen, den wir vorhin vorgesetzt bekom men haben. Denn ich möchte schon einmal darauf hinweisen, dass diese Regeln auf Dauer nur dann überzeugen können, wenn sie konsequent eingehalten werden und nicht nur partiell.
Da hat sich – auch darüber muss man reden – bei mir, und nicht nur bei mir, natürlich in den letzten Jahren der Eindruck ergeben – das ist nicht nur ein Eindruck, sondern das lässt sich natürlich auch statistisch belegen –, dass die – ich möchte es einmal so sagen – Vorschriften im Bereich des Zugangs von Flüchtlingen konsequenter angewandt werden als die Vor schriften, die sich auf die Rückführung von Flüchtlingen be ziehen. Das ist eigentlich ganz offenkundig.
Diese Asymmetrie ist natürlich kein wirklich guter Zustand. Auf der einen Seite achten wir sehr auf Rechtsverletzungen – das halte ich für richtig –, was den Zugang von Flüchtlingen angeht, auf der anderen Seite denken wir vielleicht zu wenig darüber nach, dass es auch eine Rechtsverletzung ist, wenn wir nicht konsequent abschieben. Denn das steht genauso in den Vorschriften.
Vor diesem Hintergrund stellt sich dieser Fall, über den wir heute debattieren, aus unserer Sicht als ein eher unglücklicher Fall dar, weil er den Eindruck erweckt, dass willkürlich Spiel regeln außer Kraft gesetzt werden. Denn man muss es einmal sagen: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte zeitnah – und sogar zwei Mal – entschieden, dass der Betroffene abgescho ben werden kann. Das Verwaltungsgericht legt sehr anschau lich – ich habe das Urteil noch einmal gelesen; wir haben ja auch im Ausschuss darüber gesprochen, als es damals um den Bericht des Innenministers ging – und sehr ausführlich dar, dass schon die Umstände der Taufe nicht überzeugend waren und hinterher auch kein wirklicher innerer Prozess der Kon version erkennbar war. Das steht da alles schwarz auf weiß.
Sie haben im Jahr 2016 noch darauf hingewiesen, dass zu die sem Zeitpunkt auch keine Gefahr besteht, wenn man ihn nach
Afghanistan bringt. Deswegen ist es nicht ganz redlich, die sen ganzen spektakulären Vorfall – – Natürlich hat jeder ge wusst: Er ist Konvertit. Vielleicht konnte man später von ei ner gewissen Gefährdung reden. Aber zum damaligen Zeit punkt hätte der Mann ohne Weiteres nach Afghanistan reisen können.
Ich frage mich, wie es sein kann, dass man all diese Fakten einfach ein bisschen ignoriert, die uns auch der damalige Staatssekretär Jäger im Ausschuss vermittelt hat. Er war ja zeitnah lange in Afghanistan und hat die Situation ausführlich geschildert. Auch aus seiner Sicht hätte zum damaligen Zeit punkt keine Gefahr bestanden.
Wir haben damit aber wieder einen Fall – das muss man sa gen –, in welchem Verwaltungsgerichtsentscheidungen so be handelt werden, wie es einem gerade passt, und dieses The ma hatten wir in letzter Zeit – –
Herr Dr. Goll, Sie ha ben gerade darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht gesagt hat, es gebe keine Abschiebegründe, und dass die Ge schichte mit der Konvertierung zum Christentum nicht glaub haft wäre. Wie kommt es dann zustande, dass das BAMF in der zweiten Entscheidung den Schutzstatus gewährt hat?
Wäre der Betroffene – ja, nur zuhören – damals nach Afgha nistan gegangen und hätte er sich dort nicht gerade – das darf man jetzt nicht falsch verstehen – ein Schild um den Hals ge hängt mit der Aufschrift „Konvertit“, wäre ihm nichts passiert. Darauf hat das Verwaltungsgericht hingewiesen, dass zu die sem Zeitpunkt keine Gefahr drohte, es sei denn, er würde selbst auf dem Flughafen schon rufen: „Ich bin Konvertit!“. Sonst hätte es dort kein Mensch gemerkt.
Aber nachdem z. B. der Landesvorsitzende der Grünen oder auch der ehrenwerte Landesbischof und andere interveniert hatten, es fünf Mal in der Zeitung stand, kann es natürlich schon sein, dass man in Afghanistan von vornherein weiß: Hier kommt ein Konvertit. Das ist ja im Grunde genommen schlüssig.
Entschuldigung! Darf ich noch einmal unterbrechen? Es liegt noch ein zweiter Wunsch auf eine Zwischenfrage vor, wenn Sie erlauben, und zwar von Herrn Abg. Dr. Fiechtner.
Es hat heute richtigerweise schon jemand gesagt, einmal reiche. Also, bitte nicht falsch verstehen; aber ich möchte jetzt allmählich zum Schluss kom men.
Ich stelle also fest: Die Entscheidungen der Verwaltungsge richte werden reichlich willkürlich behandelt. Das sind dann dieselben Leute, die uns vorwerfen, dass wir das Verwaltungs gericht Stuttgart kritisieren. Da habe ich auch gedacht: Gut, man kann es auch gleich ignorieren. Das ist das Einfachste, wenn man Entscheidungen ignoriert.