Dieser rote Faden, Herr Minister Lucha, ist für die Menschen im Land – geschweige denn für die Patientinnen und Patien ten – derzeit nicht erkennbar.
Ich nutze jetzt die restliche Minute, die mir noch bleibt, um noch einmal das Stichwort Empathie in der Überschrift der Aktuellen Debatte aufzugreifen – ich weiß nach den Ausfüh rungen der Regierungsfraktionen und auch des Ministers bis her immer noch nicht, was dieses Wort in der Überschrift der Aktuellen Debatte mit dem restlichen Thema zu tun hat – und darauf hinzuweisen: Empathie brauchen wir.
Sie ist ein elementarer Bestandteil der Versorgung, das heißt, die menschliche Zuwendung in der Arzt-Patienten-Beziehung ist unverzichtbar; sie kann durch keine technisch noch so aus gereifte digitale Lösung ersetzt werden. Schon ohne Digitali sierung erleben wir in diesem Bereich gerade einen Mangel. Deshalb müssen wir z. B. auch die Finanzierungslogik für Ge sundheitsleistungen ändern. Wir brauchen wieder mehr Geld für die sprechende Medizin – also für den direkten Arzt-Pati enten-Kontakt beim Hausarzt. Wir sehen auch die Chance, wenn wir die Pflege im Krankenhaus aus der DRG-Pauscha le herauslösen,
eine eigenständige Finanzierung der Pflegeleistungen errei chen, dass die Pflege besser finanziert wird. Deshalb wollen wir diese Chance nutzen.
Es geht aber auch um eine stärkere Initiative für Pflegekräfte. Ein wichtiges Gesetz – das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz – befindet sich in Bundesrat und Bundestag gerade in der Ab stimmung. Ich bin froh, dass sich die SPD an dieser Stelle bei den Koalitionsverhandlungen im Bund durchgesetzt hat.
In Baden-Württemberg haben wir in der letzten Legislaturpe riode viel Zeit, Energie und Hirnschmalz in die Pflegeenquete investiert. Die Handlungsempfehlungen liegen auf dem Tisch – oder ich muss vielmehr sagen: Sie sind in der Schublade verschwunden, zumindest ein großer Teil.
Ich frage die Landesregierung noch einmal: Was außer der Strategie „Quartier 2020“ dürfen wir hier noch erwarten? Auch hier müssen Sie liefern, Herr Minister.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! Wir schreiben das Jahr 2018, und auf einmal wird das Thema E-Health entdeckt; Manne Lucha erwacht aus dem Dämmer schlaf. Als Arzt weiß ich nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll.
1992 machte ich nach meinen Erfahrungen in Boston im Jahr 1986 im Katharinenhospital einen Vorschlag für IT-Anwen dungen am Krankenbett. 1997 – also vor über 20 Jahren – be gann die Debatte über E-Health in medizinischen Kreisen. Kollege Dr. Gunther Eysenbach schrieb 2001 in seinem Arti kel „What is e-Health?“, dass es sich hierbei nicht nur um ei ne technische Entwicklung, sondern vielmehr um eine Ein stellung handelt.
E-Health bietet uns endlich die Chance einer vernetzten Ge sundheitsversorgung. Sie trägt dazu bei, die Gesundheitsver sorgung weltweit zu verbessern, und zwar nicht nur in Kran kenhäusern – die Praxen scheinen etwas außen vor zu stehen.
Wenn ich sehe, wie ausführlich das Ministerium in seiner Stel lungnahme auf Themenpunkte wie Online-Terminvereinba rungen eingeht, wird mir schlecht. Das sollte heute kein The ma mehr im Bereich E-Health sein, sondern Standard. Umso trauriger ist es, dass in diesem Bereich die Makroebene – die Vernetzung sämtlicher digitaler Angebote – nur kurz ange schnitten wird. Dabei liegt das Hauptaugenmerk nicht etwa auf den Chancen der Innovation, sondern vielmehr auf dem Datenschutz, den man einhalten muss.
Während andere Länder uns hier bereits einige Schritte vor aus sind, diskutieren wir noch über die Grundlagen und den wichtigen Datenschutz. Für mich persönlich grenzt das schon fast an unterlassene Hilfeleistung.
Auch die EU-Kommission hat gezeigt, dass Deutschland hier viel Nachholbedarf hat. Als Arzt sehe ich die modernen Er rungenschaften nicht als Bedrohung, sondern als große Chan ce. Denn ich bin, so wie die meisten meiner Kollegen, Arzt geworden, um Menschen zu helfen. Wer sich dem Fortschritt verweigern will, weil er glaubt, dass die Empathie verloren geht, sollte sich folgende Frage stellen: Bin ich lieber in ei nem empathischen Umfeld krank oder in einem professionel len Umfeld gesund?
Der Fortschritt wird den Arzt nicht ersetzen, sondern er wird ihn und den Patienten unterstützen. PwC schätzt das Einspar potenzial im Gesundheitswesen mit E-Health EU-weit auf bis zu 100 Milliarden €.
Also warum warten wir noch? Hier lohnt sich eine Investiti on doppelt: zum einen wegen des maroden Sozialversiche rungssystems, zum anderen – und das ist viel wichtiger – für die Menschen in diesem Land.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ist die rechte Opposition krank haft und wahnhaft fixiert auf das Thema Zuwanderung, oder
sind die Systemparteien wahnhaft darauf fixiert, dieses The ma unter den Teppich zu kehren, um nicht ständig mit dem ei genen Kapitalversagen konfrontiert zu werden? Was bedeutet das bei diesem Thema?
Frau Baum hat das Thema Rumänien angesprochen. Tausende von rumäni schen Ärzten sind hier in Deutschland, sorgen dafür, dass die medizinische Versorgung aufrechterhalten wird, sorgen auch dafür, dass viele Operationen durchgeführt werden, bei denen man zu Recht fragen kann, ob sie denn wirklich notwendig sind.
Auf der anderen Seite laufen die Leute in Rumänien, die die Ärzte, die hier sind, ausgebildet haben und auch die Finanzie rung dieser Ausbildung getragen haben, Stunden, bis sie über haupt einen Arzt finden.
Meine Damen und Herren, Sie sagen selbst, die Entwicklungs hilfe sei das wichtigste Element bei der Zuwanderungspoli tik. Aber das, was Sie hier machen, das ist nicht Entwicklungs hilfe, das ist Entwicklungsboykott.
Die zweite Auswirkung der Zuwanderung auf das Thema, das wir heute behandeln, ist, dass ein Grundprinzip der medizini schen Struktur in unserem Land infrage gestellt wird. Wir ha ben kein staatliches, wir haben kein steuerfinanziertes, son dern wir haben ein beitragsfinanziertes Krankenversicherungs system. Das bedeutet, dass jeder, der eine Leistung bezieht, vorher etwas eingezahlt haben muss. Dieses Prinzip wird da durch, dass Millionen Menschen in dieses Versicherungssys tem hineinkommen, unterlaufen, ausgehöhlt.
Da müssen wir zunächst einmal eine Grundsatzfrage stellen – wir können nicht so tun, als hätte sich da nichts geändert –: Wollen wir jetzt ein staatliches System haben? Wenn wir wei ter ein beitragsfinanziertes System haben wollen, können wir nicht so weitermachen, dass wir alle Leute, die von überall her kommen, einfach in dieses System integrieren. – Das ist der zweite Punkt.
Der dritte Punkt, der hier noch wichtig wäre, ist das Thema Bürokratie. Die Bürokratie wird durch die Digitalisierung po tenziell auf die Spitze getrieben. Früher konnte der Arzt ent scheiden, was er an Daten herausgibt. Heute entscheidet der zentrale Computer, der Cloudcomputer, was er dem Arzt an Daten zurückgibt. Das heißt, je mehr Digitalisierung, desto mehr ist das Arztgeheimnis im ursprünglichen Sinn bedroht. Das ist ein Faktum.
Deswegen, mei ne Damen und Herren: Die Digitalisierung ist ein Problem. Sie ist auch ein Vorteil, wenn wir sie nutzen. Aber sie steht in der Rangfolge der zentralen Probleme, die wir haben, an sieb ter oder achter Stelle, und wir hätten uns hier in der Diskus sion mehr auf die ersten sechs oder sieben Punkte konzentrie ren müssen. Dann hätten wir vielleicht perspektivisch etwas entwickelt.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Das ist eine sehr wichtige Debatte, die wir heute Vor mittag führen. Ich bin den Koalitionsfraktionen – Grünen und CDU – sehr dankbar, dass sie dieses Thema heute auf die Ta gesordnung gebracht haben.
Warum ist diese Debatte so wichtig? Erstens: Wir beschäfti gen uns heute Vormittag mit der Zukunft unseres Landes.
Zweitens: Es geht um etwas sehr Konkretes und etwas sehr Menschliches, nämlich unsere Gesundheit. Das ist ein hohes Gut.
Drittens: Dieses Thema zeigt, wie wir Hochtechnologie und dieses wichtige menschliche Gut zusammenbringen können und gleichzeitig, wiewohl die Debatte einen ziemlich abstrak ten und technisch klingenden Titel trägt, deutlich machen kön nen, dass diese Technologie, die Digitalisierung, den Men schen einen ganz konkreten persönlichen Vorteil bringen kann.
Und viertens: Baden-Württemberg ist ein Hochtechnologie standort, was das Thema Gesundheitstechnik angeht. Diese Stärke, die wir in Baden-Württemberg in diesem Wirtschafts bereich haben, müssen wir auch in der virtuellen Welt erhal ten. Wir müssen im Interesse der Gesundheit der Menschen die gigantischen Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung im Gesundheitsbereich bietet, nutzen. Wir müssen dafür sor gen, dass Baden-Württemberg bei diesem Thema vorangeht, dass Politik die Möglichkeit eröffnet, diese Chancen zu nut zen, und genau das machen wir mit unserer Digitalisierungs strategie „digital@bw“.
Der Kollege Teufel und andere haben es erwähnt: Es ist su per, dass Baden-Württemberg etwa mit dem Projekt „docdi rekt“ vorangeht, dass wir jetzt die Pilotprojekte in Tuttlingen und in Stuttgart abgeschlossen haben und dass das seit eini gen Tagen, seit wenigen Wochen im ganzen Land ausgerollt wird.