Die künstliche Intelligenz ist dabei eine der wichtigsten Kom ponenten. Lernfähige Systeme werden schon bald in alle Le bensbereiche vordringen. Künstliche Intelligenz ist wahr scheinlich d i e Schlüsseltechnologie der Zukunft über haupt. Nicht umsonst sind Datenriesen wie Google längst auf diesen Zug aufgesprungen und investieren in Forschungszen tren, Rechnerkapazitäten und insbesondere in Fachpersonal horrende Summen.
Insofern ist die Strategie der Landesregierung in Sachen künst liche Intelligenz zu begrüßen. Das Cyber Valley hat das Zeug dazu, weit über die Landesgrenzen hinweg ein Leuchtturm der digitalisierten Forschung zu werden. Die im Nachtrags haushalt hierfür eingeplanten zusätzlichen Mittel sind daher gut angelegtes Geld.
Dabei darf allerdings nicht ausgeblendet werden, dass die Grundvoraussetzung jeglicher Aktivität im Bereich künstli cher Intelligenz eine flächendeckende Breitbandversorgung ist, insbesondere im ländlichen Raum, wo wir sehr viel Nach holbedarf haben.
Das gilt auch für die Bildung. Die Ergebnisse der letzten Bil dungsstudien lassen Zweifel aufkommen, ob wir zukünftig überhaupt genügend Fachpersonal haben werden, um diese hochfliegenden Pläne der Landesregierung umsetzen zu kön nen.
Trotz der starken Stellung Baden-Württembergs im Bereich der KI dürfte aber eines klar sein: Das Land – wie auch Deutsch land insgesamt – hat gegenüber den internationalen Konkur
renten erheblichen Nachholbedarf. Einholen heißt aber, zu mindest zeitweise schneller zu sein als die anderen. Ob uns das unter den gegebenen Umständen gelingt, darf bezweifelt werden. Unter den Besten zu sein, Herr Dr. Reinhart, bedeu tet immer, besser zu sein als die Konkurrenz.
Bei aller Euphorie in Sachen künstliche Intelligenz dürfen wir aber auch die Risiken dieser Technologie nicht vernachlässi gen. Man muss nicht so weit gehen wie Elon Musk, der die künstliche Intelligenz für viel gefährlicher hält als Atomwaf fen. Doch hat beispielsweise der tödliche Unfall mit einem selbstfahrenden Testfahrzeug von Tesla Anfang des Jahres in den USA den Glauben an die Allmacht der neuen Technolo gie erschüttert.
In einer Grenzsituation muss der Mensch eben doch eingrei fen können. Aber wo genau ist denn diese Grenze? Wo müs sen wir eingreifen? Wie viel Vertrauen haben wir in selbstler nende Systeme, die sich stetig verändern? Diese Systeme tref fen rationale, richtige Entscheidungen. Doch sind sie ethisch richtig und aus unserer menschlichen Sicht verantwortbar?
Der frühere Verfassungsrichter Udo Di Fabio forderte bereits Konsequenzen aus diesem tödlichen Unfall. Nach seiner Mei nung sollten automatisierte Fahrsysteme nur dann gesetzlich zugelassen werden, wenn diese signifikant sicherer als der menschliche Fahrer sind. Bis dahin ist es jedoch noch ein wei ter Weg – wenn dies überhaupt je erreichbar ist. Selbstlernen de Systeme, die menschliche Entscheidungen durch Maschi nenlogik ersetzen, sind ethisch grundsätzlich kritisch zu se hen. Trotz aller Hoffnung in die Zukunft der künstlichen In telligenz handelt es sich doch immer noch um eine Risiko technologie.
Wie verhält es sich mit dem System bei Robotern, bei dem di rekten Kontakt mit dem Menschen? Roboter sollten grund sätzlich isoliert vom Menschen arbeiten, denn sie können nicht spüren, wenn sie dem Menschen gefährlich werden. Es gibt aber bereits Pflegeroboter, die nicht nur Patienten anhe ben, sondern auch Stimmlagen, Gesichtsausdruck und Gesten deuten und Gefühle vermitteln können. Doch sind Roboter wirklich der richtige Weg, alten, vereinsamten Menschen als Partner und als Pflegekraft zu dienen? Darüber sollten wir uns Gedanken machen.
Experten wie der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar befürchten bereits jetzt, dass sich im Zuge der Entwicklung hin zu einer Superintelligenz ein rasanter Niedergang unserer humanen Werteordnung vollziehen wird, wenn es nicht gelin ge – so Caspar –, die menschliche Entscheidungsfreiheit im Verfahren der Digitalisierung dauerhaft zu etablieren. So fol ge das Ende der Menschheit, wie wir sie kennen, wenn wir das nicht schaffen. Damit trifft Caspar den Kern der Sache: Wesentliche Entscheidungen dürfen auch zukünftig nicht Ma schinen überlassen werden. Die Verantwortung für die Ent scheidung der Maschinenlogik tragen immer noch wir Men schen.
Diese ethischen Aspekte der Digitalisierung im Allgemeinen und der künstlichen Intelligenz im Besonderen scheinen der
zeit mit der weltweit stürmischen Entwicklung dieser Tech nologie ins Hintertreffen zu geraten – diese menschliche Sicht.
In der künstlichen Intelligenz führende Nationen wie China haben darüber hinaus ethisch ganz andere Werte als wir Eu ropäer. Die Politik ist daher aufgefordert, die unaufhaltsame und zwingend notwendige Digitalisierung kontinuierlich nach unseren europäischen Wertmaßstäben hier in Deutschland zu beurteilen und parallel zu der technologischen Entwicklung jeweils zeitnah rechtlich entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
Nein. – Herr Ministerpräsident Kretsch mann hat dies auch gestern auf der Pressekonferenz zu Recht angesprochen.
In dem legendären Science-Fiction-Film „Odyssee im Welt raum“ versucht der Computer „HAL 9000“ seiner Abschal tung zuvorzukommen, indem er von der Besatzung des Raum schiffs nacheinander alle bis auf einen tötet.
Künstliche Intelligenz wird unser Leben zukünftig zweifellos nachhaltig verändern. Ein solch entfesseltes System wie „HAL 9000“ muss jedoch Science-Fiction bleiben.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen ausdrück lich, dass wir heute gemeinsam die Gelegenheit haben, über das Thema „Künstliche Intelligenz“ und die damit verbunde nen Chancen für unser Land Baden-Württemberg zu sprechen – auch wenn wir uns nicht des Eindrucks erwehren können, dass die heutige Debatte mitunter den territorialen Befindlich keiten der grün-schwarzen Landesregierung geschuldet ist.
Erst gestern in der Regierungspressekonferenz wurden durch den Ministerpräsidenten, den Innenminister, die Wissenschafts ministerin und – last, but noch least – die Wirtschaftsministe rin die Pläne der Landesregierung für die künstliche Intelli genz vorgestellt. Wir sind froh, dass genügend Plätze da wa ren. Es gab schon einmal Veranstaltungen, bei denen es nicht genügend Plätze gab, wie beim Strategiedialog Automobil wirtschaft, wo es der Wirtschaftsministerin nicht gelungen ist, auf dem Podium sitzend teilhaben zu können. Insofern waren gestern genug Plätze vorhanden. Das freut uns.
Jetzt hatte aber offenbar die CDU dennoch die Sorge, dass ih rer Wirtschaftsministerin an dieser Stelle nicht genug Platz eingeräumt wird, weswegen wir heute noch einmal in epischer Breite das Thema diskutieren. – Sei’s drum.
Sie haben sich bei Ihrem „Doppelten Vorhang“ dennoch ein Thema ausgesucht, über das sich definitiv zu reden lohnt. Sie
Moment, ruhig, ruhig, einfach zuhören! – in den kommen den Jahren möglicherweise Beiträge des Landes im Rahmen einer Komplementärfinanzierung von weiteren bis zu 100 Mil lionen €. Das scheint aber noch etwas nebulös, weil Sie das nämlich für KI und Batterieforschung eingestellt haben oder einstellen wollen. Das heißt, wir werden Sie, Herr Schwarz, beim Wort nehmen, dass hier tatsächlich auch – wie Sie es ge sagt haben – 100 Millionen € für KI bereitgestellt werden. Da ran werden wir Sie auf jeden Fall messen.
Sie haben sich ja auch mit der Ankündigung zitieren lassen, dass man jetzt – ich sage mal, nach zweieinhalb Jahren – in die Vollen geht. Man muss bei dem Thema aber auch ganz klar sagen, dass, wenn man sich zum Vergleich andere Bun desländer in Deutschland anschaut wie beispielsweise Bay ern – dort wurde bzw. wird angekündigt bzw. wird beabsich tigt, 280 Millionen € in das Thema „Künstliche Intelligenz“ zu investieren –, dies doch eher als ein etwas zaghafter Ein stieg anmutet.
Dabei ist die Bedeutung der künstlichen Intelligenz – ich glau be, das ist unbestritten – für unsere wirtschaftliche Entwick lung und unseren Wohlstand immens. Es gibt diverse Studien, u. a. von McKinsey und PwC, PricewaterhouseCoopers, nach deren Einschätzung das Wachstumspotenzial durch künstli che Intelligenz bis zum Jahr 2030 weltweit zwischen 13 und 15,7 Billionen US-Dollar beträgt. Für Deutschland könnte das Bruttoinlandsprodukt allein aufgrund der KI-Struktur, der KISysteme um 11,3 % steigen; das sind immerhin 430 Milliar den €.
Fast 70 % der Unternehmen werden mindestens eine der fünf großen KI-Technologien – automatische Bilderkennung, na türliche Sprache, virtuelle Assistenz, roboterseitige Prozess automatisierung und fortgeschrittenes maschinelles Selbstler nen – im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit oder ihrer Produk tion anwenden. Aber Potenziale müssen auch genutzt werden. Es braucht die richtigen Rahmenbedingungen und den politi schen Willen, damit sie sich richtig entfalten können.
Wir müssen gemeinsam ehrlicherweise zugeben, dass Deutsch land insgesamt das Thema erst sehr zögerlich für sich ent deckt. Nach einer Studie des Bundeswirtschaftsministeriums nutzen aktuell nur 25 % der Großunternehmen und gar nur 15 % der KMUs KI im Rahmen ihrer Wertschöpfung. Es be steht enormer Nachholbedarf, gerade im Vergleich mit dem Tempo, das beispielsweise China und die USA an den Tag le gen, aber auch im Vergleich mit unseren direkten Nachbarn. Siehe da: Frankreich investiert aktuell 1,5 Milliarden € in KI. Das ist doch ein deutlicher Benchmark. Da muss Deutschland in jedem Fall nachziehen.
Die eigentliche Herausforderung wird sein, bei dem wichti gen Zukunftsthema „Künstliche Intelligenz“ mit europäischen Partnern zusammenzuarbeiten, um den Rückstand gegenüber Asien und den USA aufzuholen.
Wir Sozialdemokraten wollen, dass Baden-Württemberg in Deutschland und Europa Vorreiter im Bereich KI wird. Dafür brauchen wir die richtige Grundhaltung, schnelle Entschei dungen und ausreichend hohe Investitionen. „Schnelle Ent scheidungen“ bedeutet, dass das Thema nicht im bekannten grün-schwarzen Komplementärgewurstel zerrieben werden darf. Wir brauchen eine zentrale Stelle in der Regierung, die das Thema verantwortet. Zur Notwendigkeit ausreichend ho her Investitionen habe ich bereits den Vergleich mit Bayern bemüht; das brauche ich nicht weiter auszuführen.
Das Thema KI ist für unsere baden-württembergische Wirt schaft zentral. Neben der Gesundheitsbranche ist der Auto mobilsektor am stärksten betroffen. Ohne künstliche Intelli genz ist beispielsweise das Zukunftsfeld „Autonomes Fahren“ weder denkbar noch machbar.
Wirtschaftsdelegationsreisen und Forschungsreisen führen im Moment vor allem nach Asien und Nordamerika, um Poten ziale von KI anzuschauen. Unser gemeinsamer Anspruch muss es sein, dass in den kommenden Jahren auch Delegati onen nach Baden-Württemberg kommen, um sich bei uns über die neuesten Entwicklungen bei KI zu informieren.
Auch die anhaltende Stärke unseres Mittelstands und dessen Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit werden davon abhän gen, ob und wie es gelingt, die Potenziale von KI in der Brei te des Landes und der Breite der Wirtschaft nutzbar zu ma chen. Die Dezentralisierung unserer wirtschaftlichen Stärke ist die entscheidende Komponente unseres Wohlstands in al len Teilen des Landes. Lassen Sie uns gemeinsam daran ar beiten, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Wir brauchen hierfür einen optimalen Transfer – das wurde schon erwähnt – von Forschung und Entwicklung in die Wirt schaft, aber auch in die Gesellschaft insgesamt. Wir müssen die Beschäftigten und die Unternehmen wie auch die Verbrau cher an dieser Entwicklung beteiligen. Wir brauchen darauf aufbauend Leuchtturmprojekte im ganzen Land, in denen er sichtlich wird, was KI schon heute möglich machen kann. Wir müssen in den Schulen eine offene Atmosphäre gestalten, in der junge Menschen früh an die Möglichkeiten digitaler An wendungen herangeführt werden und lernen, verantwortungs voll damit umzugehen.