Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Deshalb ist es umso notwendiger, dass wir den Schülerinnen und Schülern die Fähigkeit mitgeben, mit Medien und ver meintlichen Angeboten kritisch umzugehen.

Ein weiterer wichtiger Teil der Digitalisierungsstrategie an den Schulen ist natürlich – das wurde auch klar angesprochen – die Digitalisierungsplattform „ella“. Darüber haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten viel diskutiert. Die auf der Basis einer Kabinettsentscheidung von 2015 bestellte Plattform ist nicht da, wo wir sie haben wollten. Das Projekt muss jetzt neu ausgeschrieben werden. Man muss klar sagen: Wir haben einen Mercedes bestellt und haben einen fahrunfä higen Tretroller bekommen. Deshalb wird jetzt ein neuer An bieter gesucht, der die tatsächlich bestellte Plattform liefern kann. Dass wir diesen Schritt tun müssen, tun mussten, ist na türlich maximal unbefriedigend, aber er ist richtig, um die Plattform zum Laufen zu bekommen. Richtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Landesregierung den Landes rechnungshof mit der Überprüfung dieses Projekts beauftragt hat.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Was Sie zwei Mal abgelehnt hatten!)

Abschließend darf ich festhalten: Die Digitalisierung muss und wird an die Schulen kommen, aber sie ist kein Selbst zweck. Technik muss der Pädagogik folgen, und die Maßnah men des Kultusministeriums verdeutlichen, dass dies auch eingehalten wird. Deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass die Digitalisierung erfolgreich an die Schulen unseres Landes kommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Herr Abg. Dr. Balzer, bit te.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Die Thematik hatten wir ja schon. Ein Antrag der FDP/DVP-Frak tion mit fast religiösen Zügen – passend zu Ihrer Fakultas, Herr Kern –, mit denen hier das Heil aus der Digitalisierung erwartet wird. Wirklich wahr? Oder versuchen hier einfach nur die Grünen in der Landesregierung, ihr Image als Öko partei aufzupolieren – digital statt Jutetüten? –, während die FDP ihr Image als Interessenvertretung der Wirtschaft hoch halten will?

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Mehr fällt Ihnen nicht ein?)

Die Digitalisierung an den Schulen sollte schon – in der Hoff nung von Grün-Rot, eher ein Glaube – die unterschiedlichen Auffassungsgaben der Schüler ausgleichen. Das ist ein Irr glaube. Sonst sind Sie ja eigentlich immer eher für die bunte Vielfalt. Wie passt das nun zusammen? In der schönen neuen Welt der Digitalisierung macht dank der Gamification – der Spieleförderung – auch das Lernen nur noch Spaß. Hier emp fiehlt es sich, die Realität anzuschauen, denn in Wirklichkeit ersetzt die Digitalisierung nicht die Anstrengungen des Ler nens.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Wer behauptet denn so was? Das ist doch Unsinn! Das sind doch Pappka meraden, die Sie hier aufstellen! – Gegenruf des Abg. Anton Baron AfD: Er hat mehr Berufserfahrung als Sie, Herr Kern!)

Lernen geschieht immer im Kopf und nicht im digitalen End gerät. Ist Digitalisierung eine Strategie in dieser Politik? Das Gegenteil ist der Fall. Das Ministerium – –

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Darf ich weitersprechen? Das wäre nett. – Das Ministerium, Frau Eisenmann, hat dank der schönen Frau „ella“ in großem Aktivismus viel Geld versenkt. ITEOS und „ella“ hatten wir heute schon einmal bei Tagesordnungspunkt 5. Dabei gilt: Es gibt bereits Bildungsplattformen. Warum arbeitet man nicht mit diesen?

(Beifall bei der AfD)

Bis zur Einführung der schönen „ella“-Plattform werden noch viele Jahre vergehen. Warum hat man sich nicht bei den vorhan denen Plattformen umgeschaut und beispielsweise ASV-BW ausgebaut und für alle Schulen agil weiterentwickelt?

Digitale Programme sind Werkzeuge – nicht mehr und auch nicht weniger. Wir müssen allerdings definieren, welche Werk zeuge die Schüler am Ende ihrer Schulzeit beherrschen soll ten. Wir dürfen uns auch nicht davor scheuen, dies von den Lehrern einzufordern. Dazu gehören verpflichtende Lehrer fortbildungen und digitales Arbeiten in den Seminaren, was ja mit MOOCs schon passiert und gesichert ist.

Wo bleibt allerdings die Glaubwürdigkeit der Regierung, wenn die allgemeine Schulverwaltungssoftware ASV-BW angeb lich funktioniert und im Einsatz ist? Dann müsste eine Voll erhebung aller in Baden-Württemberg abgehaltenen oder nicht abgehaltenen bzw. vertretenen Unterrichtsstunden über das ganze Jahr leicht möglich sein, oder nicht? Genau das brau chen wir doch.

Interessanterweise weiß die Landesregierung nicht, in wel cher Qualität die Schulen ans Internet angebunden sind. Da von war auch in diesem Hohen Haus schon die Rede.

Wir brauchen natürlich die technische Basis in den Schulen als Basis für das digital gestützte Lernen im Klassenzimmer, also leistungsfähiges WLAN – auch das hatten wir heute schon –, das bekanntlich im letzten Schwarzwalddorf erfor derlich ist.

Für viele Schüler ist der Umgang mit digitalen Endgeräten ei ne Selbstverständlichkeit. Sie haben diese schon von zu Hau

se her. Aber das Wichtigste ist: Zu welchen Fähigkeiten und Fertigkeiten wollen wir die Schüler eigentlich bringen? Die se präzise Klarlegung vermisse ich.

Es riecht auch ein bisschen nach Leistungsfeststellung oder nach Leistungsanforderung. Das ist bei Ihnen, den Grünen, nicht wirklich populär. Welche Erwartungen stellen die Be triebe an die Auszubildenden? Welche Erwartungen stellen die Professoren an die Studenten? Welche Programme mit welchen Funktionen sollen die Schüler kennen, und welches Niveau hat unser eigener Anspruch?

Klar ist eines: Natürlich sollen die Schüler mathematische Operationen mit Excel und dergleichen bearbeiten können. Aber zunächst müssen sie die entsprechende Übung haben und die Problematik verstanden haben.

Zum Schluss, zweites Thema: Die Finanzierung der Digitali sierung darf nicht die Bildungshoheit der Länder infrage stel len oder gar untergraben. Da sind wir wieder am Anfang. Bei der Erstellung von Bildungsplattformen bietet es sich an, zu sammenzuarbeiten – siehe „ella“. Es erstaunt mich, dass bei der beabsichtigten Grundgesetzänderung Aspekte verknüpft werden, die nichts miteinander zu tun haben, nämlich Woh nungsbau und Digitalisierung an Schulen.

Wir müssen und wollen für die gute Schule verhindern, dass über die Digitalisierung eine inhaltliche Mitbestimmung des Bundes im Bildungsbereich stattfindet. Es ist schön, dass sich die Landesregierung mit einem Änderungsantrag zur beab sichtigten Grundgesetzänderung eingebracht hat. Liebe Frau Eisenmann bzw. lieber Herr Staatssekretär, wir hoffen, dass Sie am Ball bleiben, auch hinter den Kulissen mit der Kolle gin auf Bundesebene dieses Thema erörtern und die Bundes regierung ermahnen, die Bildungshoheit in den Ländern nicht anzutasten.

Herr Abg. Dr. Balzer, bit te schauen Sie auch auf die Uhr.

Mein letzter Satz – ich schaue auch auf die Uhr –: Ansonsten müssten wir Doppelzüngigkeit bei der CDU thematisieren oder sie ihr attestieren.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Herr Abg. Dr. Fulst-Blei, Sie haben das Wort für die SPD-Fraktion.

Herzlichen Dank, sehr ge ehrte Frau Präsidentin. – Lieber Herr Staatssekretär und, in Abwesenheit, auch Frau Ministerin, bei allem Respekt, Sie sind zu langsam, und Sie sind auch zu wenig innovativ. Alles, was die Landesregierung bisher an Fortschritten in Sachen Di gitalisierung der Schulen verkauft hat, trägt eine klare sozial demokratische Handschrift: Tabletversuch, Ausweitung des Informatikunterrichts, Bildungsplan mit Leitperspektive Me dienbildung, Lernfabrik 4.0 – alles „Made by SPD“.

(Beifall bei der SPD)

Schwarz-Grün ist dort, wo Sie selbst liefern sollten, entweder unambitioniert oder scheitert sogar. Der Innenminister reist

durch das Land und lässt sich für 50 MBit/s feiern, obwohl wir an den Schulen eigentlich 1-GBit/s-Leitungen brauchten.

Die Multimediaempfehlungen des Landes werden vom grü nen Finanzministerium seit 2016 blockiert. Das sind aber die Mindeststandards für die Umsetzung der neuen Bildungsplä ne. Das ist nötig, ist eine absolute Pflicht. Seit zweieinhalb Jahren passiert hier gar nichts.

Jetzt ein halbherziger Kompromiss zwischen Land und Kom munen. 100 Millionen € Anschubfinanzierung klingen zwar viel, aber die Kommunen fordern zu Recht eine dauerhafte Unterstützung. Auch müssen Sie sich fragen lassen, warum wir dabei jetzt zwei Jahre verloren haben. Das Geld hätte viel früher fließen müssen. Noch dazu – so der Vorbehalt – ist ja jetzt die Hälfte der Mittel mit Blick auf die Bundesebene ge sperrt.

Genau diese Bundesebene benutzen Sie seit zwei Jahren da für – Sie ziehen sie dazu missbräuchlich heran –, dass Sie, die Landesregierung, nicht liefern müssen. Und jetzt? Jetzt blo ckieren Sie eine Grundgesetzänderung, die notwendig wäre, damit die von der SPD durchgesetzten Digitalisierungsmilli arden ins Land fließen können. Erst mit den Bundesmitteln soll jetzt der zweite Teil der Landesförderung frei werden. Wieder verlieren wir Zeit. Herr Kollege Lorek, Sie wissen, dass Sie damit auch im klaren Widerspruch zu der CDU-Linie auf Bundesebene stehen.

Die Lehrerfortbildung und die Qualitätsentwicklung an den Schulen sollten ursprünglich zum 1. Januar 2019 umgesetzt werden. Jetzt heißt es, die neue Struktur solle sich ab dem Zeitpunkt entwickeln. Das hat Auswirkungen. Auch hier gilt: Sie liefern zu wenig, Sie liefern zu langsam.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich – das muss an dieser Stelle auch von uns gesagt wer den – macht das Desaster um die Bildungsplattform „ella“ – das bildungspolitische Prestigeobjekt dieser Landesregierung in Sachen Digitalisierung – keinen Spaß. Statt „ella“ haben wir jetzt „Elün“, also „Eisenmann liefert überhaupt nicht“. Sie haben mindestens 6,7 Millionen € an die Wand gefahren – oh ne vertragliche Absicherung und ausreichendes Projektma nagement. Wie es weitergeht, ist nicht absehbar. Mindestens drei Jahre sind verloren, eine ganze digitale Generation ist ver brannt worden.

Das ist mehr als ein Kratzer am Macherinnen-Image der Kul tusministerin. Hier ist Frau Eisenmann bislang schlichtweg gescheitert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

Schließlich – jetzt einmal ganz im Ernst –: Nennen Sie mir doch einmal eine Innovation, die von Ihnen gekommen ist. Das macht mir richtig Sorgen: Kein Mut zu Neuem.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: „Qualität in Schu le“ z. B.!)

Aufbruch sieht schlichtweg anders aus.

Herr Kollege Röhm, wenn Sie wissen wollen, wie das gehen kann, dann empfehle ich Ihnen z. B. das Strategiepapier der

SPD „Digitale Zukunft an Schulen“. Was wir brauchen, ist ei ne Offensive mit Mitteln von 100 Millionen € jährlich, und zwar on top zu den Bundesmitteln und nicht gegengerechnet. Wir brauchen Datenleitungen, die schnell sind und nicht bei einem breiten Zugriff zusammenbrechen. Hier muss das Kul tusministerium, Herr Staatssekretär, Standards definieren und im Schulterschluss mit den Kommunen Fakten schaffen. Sonst brauchen wir über Videobearbeitung oder Cloudnutzung in der Breite der Schullandschaft erst gar nicht zu diskutieren.

Wir brauchen weiter eine Ausweitung der Beratungskapazi täten am Landesmedienzentrum. Nach unserem Vorschlag sollte jede Schule einen Medienentwicklungsplan entwerfen und dafür gezielt Prozesscoaching und Fördermittel bekom men.

Schließlich brauchen wir neue Impulse für Qualifizierung. Wir fordern die Einrichtung eines Modellversuchs „Lernendes Kollegium 4.0“,