Das Beispiel des benachbarten Simbabwe zeigt jedoch, wo hin genau das führen kann. Die Auswanderung der dort leben den Weißen hat zu einer Verschärfung der wirtschaftlichen Probleme des einst für afrikanische Verhältnisse reichen Lan des geführt. Für Südafrika stellt sich somit die Frage, ob tat sächlich langfristig interessante Potenziale für ein mittelstän disches Engagement vorliegen.
Somit darf bezweifelt werden, ob der afrikanische Kontinent jenseits kurzfristigen Engagements ein Ort für nachhaltige In vestitionen ist, solange diese Bevölkerungsentwicklung nicht gestoppt werden kann.
Denn die Bevölkerungsexplosion wird alle Ansätze zur Ver besserung der Lebenssituation der dort lebenden Menschen zunichtemachen. Das Engagement deutscher und insbesonde re baden-württembergischer Unternehmen kann diese Migra tionsursachen nicht mindern.
Wir haben keinen Einfluss darauf, wie viele Menschen sich zukünftig aus Afrika auf den Weg nach Europa machen. Je doch haben wir einen Einfluss darauf, ob die Probleme Afri kas auch zukünftig die Probleme Europas werden. Die bloße Verteilung der Migration, wie es der Globale Migrationspakt der UN vorsieht, ist hier mit Sicherheit der falsche Weg.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Willy Brandts politische Perspek tive von der einen Welt ist aktueller denn je. Wir müssen ge genseitig und miteinander handeln. Wir müssen kooperieren, wir müssen entwickeln, gestalten und voranschreiten – eine progressive Politik, die die Idee der einen Welt als Mensch heitsverpflichtung und als Menschheitschance betrachtet und die davon getragen ist, dass wir uns auf dieser Welt nicht ab schotten können und uns nicht abschotten wollen.
Dass Baden-Württemberg als starkes Wirtschaftsland hierbei auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Blick nimmt, ist richtig, und dass wir dabei andere Bausteine nicht außer Acht lassen, ist genauso wichtig.
Das Dreisäulenprogramm des Marshallplans der schwarzroten Bundesregierung ist klug aufgebaut. So geht es um Wirt schaft, Handel und Beschäftigung, aber auch um Frieden, Si cherheit und Stabilität sowie um Demokratie, Rechtsstaatlich keit und Menschenrechte. Eine Lern- und Entwicklungspart nerschaft nimmt diese drei Säulen komplett in den Blick. Das eine geht nicht ohne das andere, und gerade die Menschen, die sich in ihren Ländern in Afrika für mehr Demokratie, für mehr Rechtsstaatlichkeit, für mehr Menschenrechte einsetzen, müssen wissen, dass wir an ihrer Seite stehen.
Menschenrechte sind universal – Frauenrechte sind Men schenrechte, Kinderrechte sind Menschenrechte, LSBTTIQRechte sind Menschenrechte.
Eine Afrikastrategie verlangt, dass wir diese Wahrheit aus sprechen, und eine gute Partnerschaft auf Augenhöhe schafft Perspektiven für alle Seiten, auch eine wirtschaftliche Pers pektive mit einem klaren Paradigmenwechsel, Afrika nicht als Rohstoffquelle oder als reinen Absatzmarkt der Industrielän der zu betrachten, sondern als ganzheitlichen Partner in all dem, was Wirtschaft ausmacht, gerade auch in der Wertschöp fung im eigenen Land.
Partnerschaft mit Perspektive heißt nicht, dass am Schluss nur einer gewinnt, sondern es heißt, dass beide Seiten gewinnen und dass beide Seiten das auch wollen. Das ist übrigens die Art und Weise, wie der Mittelstand in Baden-Württemberg Wirtschaft betreibt, und darum sind wir so optimistisch, dass wir, Baden-Württemberg, mit unserer Wirtschaft mit einer gu ten Afrikastrategie sowohl für Afrika als auch für BadenWürttemberg gute Erfolge erzielen können.
Perspektiven schaffen und Progression, das ist unser Ziel. Dass auf eine Anfrage der SPD hin die Landesregierung er fahren hat, dass eine ganze Reihe von baden-württembergi schen Firmen Ausbildungsplätze in Afrika geschaffen haben und in Afrika schaffen wollen, ist eines dieser guten Zeichen, wie der baden-württembergische Mittelstand mit dieser Stra tegie gut ankommen kann.
Der Plan der SPD-Fraktion für eine Ausbildungsoffensive bzw. eine Ausbildungspartnerschaft zwischen Baden-Würt temberg und den Staaten auf dem afrikanischen Kontinent ist geeignet, jungen Menschen in Afrika eine Zukunft und eine Lebensperspektive zu eröffnen. Zudem kann eine solche Aus bildungspartnerschaft dazu beitragen, Beschäftigung und Im pulse für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung vor Ort zu schaffen und Kooperationen über Jahre stabil auszubauen.
Eine Ausbildungspartnerschaft ist für uns ein guter Baustein für eine faire und gerechte Afrikastrategie. Es muss aber in al len Bereichen darum gehen, eine faire Wirtschaftspartner schaft auf Augenhöhe einzugehen, gerade auch – weil China hier erwähnt wurde – als Gegenmodell zu den Wirtschaftsbe ziehungen afrikanischer Staaten mit anderen Staaten, die die se Fairness nicht walten lassen.
Wir sollten in eine solche Partnerschaft der Fairness auch im mer nicht staatliche Gruppen einbeziehen, um eine wirtschaft liche und demokratische Entwicklung zu unterstützen. Eine progressive Afrikapolitik, eine progressive Afrikastrategie für Baden-Württemberg setzt sich für menschenwürdige Bedin gungen, für existenzsichernde Löhne und gewerkschaftliche Organisationsrechte in lokalen und multinationalen Unterneh men im Rahmen von Wertschöpfungsketten und im informel len Sektor ein.
Dies verpflichtet jede Afrikastrategie, gerade auch eine mit baden-württembergischer Handschrift. Sie nimmt die Bedar fe unserer Wirtschaft in den Blick: bessere Risikoabfederung, Verbesserung der Rahmenbedingungen, Unterstützung des Mittelstands bei der Markterkundung, attraktive Gestaltung von Garantien. Unser Land und unsere Wirtschaft können ei nen guten, glaubwürdigen und nachhaltigen Beitrag leisten. Ziel muss eine Partnerschaft auf Augenhöhe sein, eine Part nerschaft mit dem Willen, dass alle Seiten gewinnen, und un termauert von der Haltung der einen Welt.
Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Seit meiner Schulzeit – das ist schon in den 1990er-Jahren gewesen – hat man immer gesagt: Man muss in der Entwicklungshilfe weg vom Produkt hin zur Hilfe zur Selbsthilfe.
Ich bin davon überzeugt – da bin ich mit dem Kollegen Born einig; das ist meine tiefste Überzeugung –, dass das zu wenig ist, dass wir anfangen müssen, mit den Menschen auf Augen höhe zu sprechen.
Deswegen ist es richtig, den Menschen keinen Fisch zu geben und ihnen auch nicht das Angeln beizubringen, sondern zu fragen, ob sie überhaupt Fisch essen, und sich mit ihnen aus einanderzusetzen.
Ich glaube, das ist etwas, was in der Entwicklungshilfe in den letzten Jahren etwas vernachlässigt wurde, gerade bei einem so heterogenen Kontinent wie Afrika.
Manche sprechen ja – auch wenn es nur ein Versprecher ist – von Afrika als Land. Aber gerade vor der kolonialgeschicht lichen Historie müssen wir den Dialog suchen, müssen wir Positionen austauschen, weil das Ganze auch eine ehrliche Geste der Wertschätzung ist. Wir brauchen diese Wertschät zung auch, um unterschiedliche Lebensweisen zu respektie ren.
Da bin ich jetzt nicht ganz beim Kollegen Born. Denn ich glaube, es wäre falsch, in die Entwicklungshilfe zu gehen – so habe ich es zumindest wahrgenommen – nach dem Motto: Das erste Ziel muss es sein, den baden-württembergischen Le bensstandard in Afrika zu implementieren. Ich glaube, bei den ganzen Dingen, die Sie gebracht haben – Sie haben das The ma Gewerkschaften angeführt; in the long run, ja –, müssen wir aber aufpassen, dass wir am Anfang nicht zu viel wollen. Ich glaube, es gehört auch dazu, dass man da miteinander spricht. Ich habe mich am letzten Mittwoch in Bonn wegen dieses Themas mit der Halbschwester von Barack Obama, Auma Obama, getroffen.
Ich fand es schon interessant, als ich sie gefragt habe, wie das denn ist, wenn ein Geschäft im Vorteil nur 40 : 60 ausgeht.
(Abg. Daniel Born SPD: Aber sie hat sicher nichts gegen Gewerkschaften! – Gegenruf des Abg. Stefan Räpple AfD: Nichts, was hilft!)
Nein, sie hat nichts gegen Gewerkschaften. Aber sie hat sich natürlich auch klar positioniert, dass wir uns überlegen müs sen, ob wir das, was wir wollen, auch im ersten Schritt um setzen können oder ob nicht auch, wenn dann eine „unseriö se“ Gewinnverteilung von 40 : 60 steht, trotzdem beide ge winnen. Ich glaube, wir müssen uns davon lösen, hier zu viel zu wollen.
Deshalb bin ich dem Kollegen Paal sehr dankbar, dass er die se Debatte heute hier angestoßen hat. Er hat dieses Thema auch im Ausschuss und in vielen Besprechungen nach vorn gebracht. „From aid to trade“ – ich glaube, das ist die Losung, die für Afrika gelten muss. Wir müssen weg von diesem hilfs bedürftigen Kontinent und hin zu einem Handelspartner.
Zum Thema Sonderbudget: Das sind nette Vorschläge, die da aus der Regierungsfraktion kommen. Das müsst ihr einmal mit euren Haushältern klären. Grundsätzlich macht es natür lich dann Sinn, dort hinzufahren, wenn die Politik Türöffner für Unternehmen ist, weil wir die Arbeitsplätze nicht schaffen können. Aber wir brauchen dann die Unternehmen, die sagen: „Jawohl, wir wollen dort investieren, wir wollen dort hin.“
Eine Strategie für Afrika von der Landesregierung hört sich auch erst einmal gut an. Aber ich muss sagen, da ist noch, Frau Hoffmeister-Kraut, deutlich mehr Koordination notwendig. Denn natürlich hat man viele einzelne Programme, die für sich genommen einen guten Zweck haben und nett anzusehen sind, aber wir brauchen natürlich schon eine Strategie, bei der ein Rädchen ins andere passt.
Im Jahr 2016 hatten von 464 000 Unternehmen in BadenWürttemberg gerade einmal 105 Unternehmen Niederlassun gen oder Produktionsstätten in Afrika. Das sind 0,2 Promille. Das ist natürlich deutlich zu wenig. Wenn man fragt: „Warum macht ihr das nicht?“, dann ist es häufig der Flickenteppich, der dort angesprochen wird.
Wir brauchen doch nur einmal nach Berlin zu schauen. Der Kollege Paal hat den Gipfel angesprochen. Wir haben auf Bundesebene den „Compact with Africa“ des Bundesfinanz ministeriums, den „Marshallplan mit Afrika“ des Ministeri ums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Initiative „Pro! Afrika“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Da laufen viele Sachen parallel und doppelt. Ich glaube, man muss in die Koordinierungsaufgabe hineingehen.
Deswegen muss man sich tatsächlich überlegen, ob der Vor schlag des Kollegen Paal Sinn macht und wie man ihn umset zen kann. Denn ich glaube schon, dass es eine gigantische He rausforderung ist, die heterogenen Staaten Afrikas zu unter stützen. Die Bevölkerungswachstumszahlen wurden von mei nen Vorrednern ja schon genannt. Ja, wir brauchen in Afrika stärkere unabhängige rechtliche, politische Institutionen, wir brauchen aber auch eine Binnennachfrage, und wir brauchen eine Infrastruktur. Hier können gerade baden-württembergi sche Unternehmen ihren Beitrag leisten. Deswegen ist es rich tig, dass man das auf die Tagesordnung setzt.